Neujahrsempfang des Bundespräsidenten für das Diplomatische Korps - Ansprache des Bundespräsidenten

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Bundespräsident Roman Herzog gab am 10. Januar 1996 im Schloß
Bellevue in Berlin den traditionellen Neujahrsempfang für das
Diplomatische Korps.

Ansprache des amtierenden Doyens

Ansprache des Bundespräsidenten

Bundespräsident Roman Herzog dankte mit der folgenden
Ansprache:

Herr Doyen,
meine Damen und Herren Botschafter,

für Ihre freundlichen Worte, Herr Doyen, möchte ich Ihnen herzlich danken.
Sie haben die - soweit ich weiß - präzedenzlose Gelegenheit, für den
erst in einigen Tagen in Deutschland erwarteten Nuntius des Heiligen
Stuhls einzuspringen, glänzend genutzt. Es ist mir eine besondere
Freude, Sie, das Diplomatische Korps, im Schloß Bellevue
willkommen zu heißen. Vertreter fast aller Länderdieser Erde sind in
diesem Saal versammelt, und auch ein Präsident hat nicht alle Tage
die Gelegenheit, zur ganzen Welt zu sprechen. Welche
Herausforderungen bringt das eben erst begonnene Jahr? Mit
welchen Entwicklungen haben wir zu rechnen? Uns eint die Hoffnung
auf Frieden, die mit den Entwicklungen im ehemaligen Jugoslawien,
dem Nahen Osten und in Nordirland neue Nahrung erhalten hat.

In diesem Zusammenhang möchte ich den Vereinigten Staaten, unserem
strategischen Partner, und dem amerikanischen Volk für das
entschiedene Engagement bei der Bosnienfriedensregelung
besonders danken. Dies ist ein in die Zukunft weisendes Beispiel
erfolgreicher europäisch-amerikanischer Zusammenarbeit. Aber:
Unsere Welt kennt noch genügend Konflikte. Wir sind noch weit
entfernt von einer friedlichen Weltgesellschaft, doch vielleicht
bringen uns zwei Entwicklungen diesem Ziel näher. Wir beobachten
die Zusammenarbeit und teilweise sogar die Integration von Regionen
über Ländergrenzen hinweg. Und wir erleben, wie sich weltweit die
Erkenntnis Bahn bricht, daß wir globalen Problemen mit globalem
Handeln begegnen müssen. Regionalisierung und Globalisierung
verändern die internationale Landschaft. Beide Tendenzen begrüße
ich nachhaltig, denn sie schaffen die Voraussetzungen für die
Entwicklung eines internationalen Systems, das sich nicht auf
zwischenstaatliche Konfliktregelungen beschränkt, sondern zu
gemeinsamer Politik für gemeinsame Ziele fähig ist.

Die Globalisierung der Wirtschaft und der Politik ist kein abstraktes Gebot,
sondern eine Tatsache. Der Globalisierungstrend erfaßt alle Bereiche. Die
Wirtschaft eilt dabei der Politik voraus, sie bahnt damit aber auch
dem Dialog neue Wege. Die Dynamik der Technologie und der
Wirtschaft überwindet nationale Grenzen immer müheloser. Das
baldige Ende der "nationalen Ökonomie" ist nicht nur in Europa,
sondern weltweit absehbar. In transnationalen Unternehmen wird
bereits heute bei zentraler Steuerung dezentral produziert. Nationale
Wirtschaftsförderung stößt schon jetzt verstärkt auf das Problem,
daß gar nicht mehr klar ist, ob man das heimische Unternehmen, das
im Ausland produziert, unterstützen soll oder vielmehr das
ausländische, das bei uns Arbeitsplätze schafft, sein Kapital aber ins
Ausland transferiert. Das ist nur ein Indiz für die Globalisierung und
Dynamisierung der Wirtschaft. Die neue Dynamik eröffnet viele
Chancen. Sie hat aber auch ihre Kehrseiten: Im Jahre 2025 werden
8,5 Milliarden Menschen ernährt und mit Energie versorgt werden
müssen. Dieser Bevölkerungszuwachs wird zu über 90 Prozent in
den Entwicklungsländern stattfinden. Die Vernichtung unserer
natürlichen Lebensgrundlagen hält an. Der Armutsgraben zwischen
Nord und Süd droht breiter zu werden, wenn es
nicht gelingt, das Erhardsche Prinzip des Wohlstands für alle
durchzusetzen. Dabei stehen wir vor einer neuen Aufgabe. Wir
können diesen Wohlstand nicht mehr nur durch die
Wachstumsmuster des Nordens erreichen. Zur umweltverträglichen
nachhaltigen Entwicklung gibt es heute keine Alternative mehr. Die
globalen Armuts- und Umweltprobleme sind nicht mehr national,
sondern nur noch multilateral zu lösen. Hunger und Unterernährung
sind immer noch weit verbreitet. In 88 Ländern unseres Planeten,
darunter die Hälfte in Afrika südlich der Sahara, hungern die
Menschen. 800 Millionen Menschen, davon 200 Millionen Kinder, sind
chronisch unterernährt. Sie haben kaum eine Chance, ein
menschenwürdiges Leben zu führen. Das können wir ebenso wenig
hinnehmen wie die Verletzung elementarer Menschenrechte. Wir
werden die ökonomischen, ökologischen und sozialen
Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nur durch die Stärkung der
internationalen Zusammenarbeit meistern können. Die Weltwirtschaft
ist in Bewegung geraten. Es entstehen neue wirtschaftliche
Gravitationszentren. Ein Viertel des Weltsozialprodukts wird bereits
jetzt in Asien erwirtschaftet. Der wirtschaftliche Aufbruch im
asiatisch-pazifischen Becken ist vergleichbar mit Prozessen, die
Europa vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg
und dann wieder nach dem Zweiten Weltkrieg durchlief. Aber auch in
Lateinamerika, dem von manchen lange unterschätzten Kontinent,
vollzieht sich eine eindrucksvolle Entwicklung. Und schließlich Mittel-
und Osteuropa: Langsam, aber stetig trägt dort der Strukturwandel
Früchte. Wir stehen aktiv zu unserer Verantwortung für unsere
Partner im globalen Dorf.

In der Entwicklungszusammenarbeit
bekämpfen wir die wirtschaftlichen und sozialen Ursachen der
Konflikte, indem wir koordinierte Hilfe zur Selbsthilfe leisten.
Nachdem die Systemgegensätze der bipolaren Welt überwunden
sind, hat die Entwicklungspolitik den ideologischen Ballast der
Vergangenheit abgeworfen. An die Stelle der
Konkurrenz der großen Systeme tritt der Wettbewerb um die
bessere lokale Lösung. Die Entwicklungspolitik kann die
tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen vor Ort in Angriff nehmen.
Auch multinationale Unternehmen dezentralisieren ihre Aktivitäten
und passen sich dabei dem kulturellen und sozialen Umfeld ihrer
Standorte an, die über die ganze Welt verteilt sind. Wir werden
Zeugen einer "globalen Lokalisierung". Entwicklung ist der Übergang
von Not und Unsicherheit zu wirtschaftlichem Wohlstand,
demokratischer Stabilität und gesicherter Rechtsstaatlichkeit. Dafür,
wie man diesen Übergang unterstützen kann, gibt es keine
Patentrezepte. Es ist jedoch klar, daß Prosperität ohne Partizipation
nicht dauerhaft sein kann und daß junge Demokratien ohne
wirtschaftlichen Aufschwung den Anfechtungen politischer
Extremisten nicht lange standhalten. Deshalb fördern wir zusammen
mit unseren Partnern in der Dritten Welt entwicklungsgerechte
Rahmen-bedingungen und staatliche Reformen zum Aufbau
demokratischer, rechtsstaatlicher und marktwirtschaftlicher
Strukturen. Bei meinem kürzlichen Besuch in Brasilien habe ich
gesehen, welche Wachstumskräfte Demokratie und Marktwirtschaft
freisetzen können. Auch in vielen Staaten Afrikas gibt es ermutigende
Fortschritte. Ich nenne vor allem Südafrika, das unter der weisen
Führung Nelson Mandelas die Apartheid überwunden hat. In vielen
Ländern Afrikas haben in den vergangenen Jahren demokratische
Wahlen stattgefunden. Die weltweite Entwicklung zu mehr
Demokratie, Marktwirtschaft und Achtung der Menschenrechte
schreitet voran. Ich sprach bereits von einer zweiten tiefgreifenden
Veränderung der internationalen Politik, der Tendenz zu regionaler
Zusammenarbeit und Integration. Wenn Europa überhaupt ein
Beispiel geben kann für die Länder der Dritten Welt, dann ist es die
Erfahrung, daß Entwicklung und Stabilität durch regionale
Zusammenarbeit und Integration gefördert werden. Ansätze hierzu
sind in allen Regionen der Welt vorhanden. Sie werden von der
Europäischen Union unterstützt. So ergänzen sich der
Nahost-Friedensprozeß und der jüngst in Barcelona aufgenommene
Dialog zwischen der Europäischen Union und den südlichen und
östlichen Mittelmeeranrainern. Ohne einen dauerhaften Erfolg des
Nahost-Friedensprozesses gibt es keine Stabilisierung des
Mittelmeerraumes, und ohne diese Stabilisierung wird es nicht
gelingen, eine blühende Wirtschaftsregion unter Einschluß Europas
und seiner dortigen Nachbarn zu schaffen. Vor wenigen Wochen
wurde in Madrid ein "Interregionales Rahmenabkommen" mit dem
Mercosur unterzeichnet, dem Argentinien, Brasilien, Paraguay und
Uruguay angehören. Dieses Abkommen soll eine politische und
wirtschaftliche Assoziierung mit weitgehender Liberalisierung des
Lateinamerika-Handels vorbereiten. Die Staats- und
Regierungschefs aus der Europäischen Union und aus Asien werden
sich zu einem Gipfel im ersten Halbjahr 1996 treffen. Vor wenigen
Wochen wurde von der Europäischen Union und den Vereinigten
Staaten die Neue Transatlantische Agenda unterzeichnet. Die globale
Regionalisierung verspricht ein Erfolgsmodell zu werden.

Wie wird sich Europa weiterentwickeln? Das vereinte Deutschland, der
großen französischen Nation eng und freundschaftlich verbunden, sucht den
immer engeren Zusammenschluß mit seinen europäischen Nachbarn.
Wir wollen mehr als nur die wirtschaftliche und währungspolitische
Integration, wir wollen die politische Union als europäische Solidar-
und Schicksalsgemeinschaft, die sich den neuen Herausforderungen
nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes stellt. Wir Deutsche
wissen aus eigener schmerzvoller Erfahrung, was die Teilung
Europas für die Menschen bedeutete. Deshalb treten wir besonders
für die Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Demokratien -
einschließlich des Baltikums - in die Europäische Union ein. Mittel-
und Osteuropa werden dadurch keine "deutsche Interessensphäre",
wenngleich wir dort Interessen haben. Sie lauten: Stabilität, gute
Nachbarschaft sowie friedlicher Handel und Wandel. Die Festigung
der Demokratie und der Aufbau leistungsfähiger Marktwirtschaften
dort liegen im wohlverstandenen Eigeninteresse der gesamten
Europäischen Union. Stabilität ist im Osten wie im Süden im
Mittelraum ein europäischer Imperativ. Damit die Europäische Union
die Aufnahme von Zehn und mehr Mitgliedern aus Mittel- und
Osteuropa, dazu noch von Zypern und Malta, bewältigen kann,
müssen aber ihre eigenen Strukturen schlanker und effizienter
werden. Das ist die wichtigste Aufgabe der Regierungskonferenz, die
im März dieses Jahres beginnt. Europa steht dort auf dem Prüfstand.
Diese Klippe werden wir um so leichter nehmen, je mehr sich
Europa gegenüber seinen Bürgern als das Europa der Bürger
ausweist. Überhaupt liegt die beste Legitimation für Europa in dem
Nachweis, daß es die drängendsten Probleme besser zu lösen
vermag als die einzelnen Länder allein. Der Kampf gegen das
internationale Verbrechen, den Drogenhandel, gegen europaweit
agierende Schlepperbanden und gegen die Arbeitslosigkeit sind nur
einige der wichtigsten Aufgaben.

Die Europäische Union muß auch
außen- und sicherheitspolitisch überzeugender auftreten, wenn es
um Friedensbewahrung und Konfliktbewältigung geht. Der
Binnenmarkt braucht die Ergänzung durch eine gemeinsame
Währung. Darüber besteht in Deutschland nicht nur ein breiter
parteiübergreifender Konsens, dies entspricht auch den Interessen
der Verbraucher und Produzenten aller beteiligten Volkswirtschaften.
Wir wollen den Eintritt in die Währungsunion mit einer möglichst
großen Anzahl von Mitgliedstaaten vollziehen. Die dafür unverrückbar
geltenden Stabilitätskriterien und der Zeitplan üben einen heilsamen
Druck auf alle Mitgliedsstaaten aus. Das kann nicht schaden, denn
eine gemeinsame Währung ist Ausdruck einer Gemeinschaft des
Vertrauens. Die Stabilitätskriterien dienen dem Schutz dieses
Vertrauens, auf das die Wirtschaft, die Märkte und die Verbraucher
ein Anrecht haben. Sie liegen im Interesse eines jeden einzelnen
Bürgers in Europa. Einheit in Vielfalt, das ist die Maxime der
europäischen Integration. Europa vereint die größten Unterschiede,
ohne sie einzuebnen. Dem Austausch zwischen den Kulturen und
Traditionen und der Offenheit gegenüber Einflüssen von außen
verdankt Europa seine wichtigsten Impulse. Europa kann und will
sich nicht abschotten. Gerade deshalb suchen wir den Dialog
zwischen den Kulturen, den wir heute dringender brauchen denn je.
Wir führen diesen Dialog ohne Hochmut. Dazu gäbe es auch
angesichts des gemeinsamen ethischen Kerns aller großen Kulturen
nicht den geringsten Anlaß. Ein solcher Dialog kann aber nur
fruchtbar sein, wenn alle an ihm Beteiligten sich frei von Zwang und
Bedrohung artikulieren können. Auch dafür setzt sich Europa ein.
Europa wird kein zentralistischer Superstaat. Die Mitgliedsstaaten
und die Vaterländer bleiben bestehen. Sie verbinden sich nur im
Verhältnis der Subsidiarität für die Aufgaben, die jeweils am besten
auf lokaler, nationaler oder europäischer Ebene lösbar sind. Ich frage
mich, ob nicht längst aus dem einsamen und gelegentlich
unberechenbaren Akteur, den der Nationalstaat des 19. Jahrhunderts
darstellte, eine Art von Mittlerinstanz geworden ist. Deren Aufgabe an
der Nahtstelle zwischen den lokalen und regionalen
Gebietskörperschaften einerseits und den europäischen Institutionen
andererseits ist es, politisch zwischen den einander überwölbenden
Sphären der Verantwortung zum Nutzen der Bürger zu vermitteln
und zu koordinieren. Schon im heutigen Europa ist dieser Prozeß
weit fortgeschritten. Europa kommt durch die Stärkung der Regionen
dem wachsenden Bedürfnis der Menschen nach regionaler und
lokaler Bindung entgegen. Hier werden die Vorteile
grenzüberschreitender Problemlösungen unmittelbar spürbar. So
kann Europa auch von unten zusammenwachsen. Dieses "Europa
der Regionen", das sich unter den Ländergrenzen hinweg wie ein
Teppich ausbreitet, ergänzt und entlastet das Europa der
Mitgliedsstaaten. Die Zusammenarbeit zwischen deutschen,
luxemburgischen und französischen Gemeinden und Regionen ist
nur ein ermutigendes Beispiel unter vielen. Wir sollten in Zukunft
Impulse aus den Regionen stärker in den europäischen
Einigungsprozeß einbringen. Die Möglichkeit dazu hat der
Maastrichter Vertrag eröffnet, indem er den Regionen, Ländern und
Kommunen ein Mitspracherecht in den Unionsangelegenheiten
verschaffte. Subsidiarität heißt: Was auf kommunaler und regionaler
Ebene gelöst werden kann, braucht weder auf nationaler Ebene noch
in Brüssel geregelt zu werden. Umgekehrt wäre es aber aussichtslos,
auf lokaler und regionaler Ebene Fragen der Außenpolitik, der
Sicherheit, der Wirtschaft und der Umwelt entscheiden zu wollen,
über die wirksam nur noch auf nationaler oder europäischer Ebene
entschieden werden kann.

Auch nach dem Ende des Ost-West-Konflikts hat die NATO eine Schlüsselrolle.
Ihr Reformprozeß belegt, daß sie sich der neuen Lage anzupassen weiß.
Sie hat ihre Verteidigungsstrategie aktualisiert. Sie stellt sich,
besonders im Bereich der Friedenssicherung, auf neue Aufgaben ein.
Mit der "Partnerschaft für den Frieden" und der Schaffung des
Nordatlantischen Kooperationsrats hat die Allianz ihren Nachbarn im
Osten die Hand gereicht. Wir wollen mit der geplanten Öffnung der
NATO für neue Mitglieder zu Stabilität und Sicherheit in ganz Europa
beitragen. Ein Europa mit Zonen unterschiedlicher Sicherheit wäre
ein Alptraum. Genauso fatal wäre es allerdings, neue Gräben
aufzureißen. Die Russische Förderation ist deshalb eingeladen, mit
der NATO eine kooperative Partnerschaft einzugehen. Von dem
gegenseitigen Vertrauen, das wir in dieser Partnerschaft vertiefen
wollen, hängt die Stabilität in Europa und darüber hinaus
entscheidend ab. Die nordamerikanischen Demokratien leisten hierzu
einen ganz wesentlichen und nach wie vor für uns und den Frieden in
der Welt unverzichtbaren Beitrag.

Das geeignete Gremium für die Definition und Weiterentwicklung der europäischen
Architektur ist die OSZE. Die Erarbeitung eines OSZE-Sicherheitsmodells -wie auf
dem Gipfel in Budapest vor einem Jahr beschlossen - bietet hierzu
die Gelegenheit. Die Stärkung der OSZE als "regionale Abmachung",
ihre verbesserte Zusammenarbeit mit den euro-atlantischen
Organisationen und die Entwicklung eigener Fähigkeiten zu
friedenserhaltenden Maßnahmen werden dazu beitragen, ihre
Glaubwürdigkeit zu stärken. Schließlich sollte die OSZE durch einen
Vertrag völkerrechtlichen Status erhalten. Regionale Organisationen
wie die OSZE können die einzige globale Organisation, die Vereinten
Nationen, zwar entlasten, aber nicht ersetzen. Die Aufgabe der
Friedenssicherung kann die Weltorganisation jedoch nur
wahrnehmen, wenn dazu der politische Wille der Mitgliedsstaaten
vorhanden ist. Das sollten wir bedenken, wenn wir die Leistungen
der Vereinten Nationen beurteilen. Auch die immer wieder genannten
Probleme der Friedensmissionen in Somalia, Ruanda und Bosnien
können nicht vergessen machen, daß es Erfolge in vielen anderen
Regionen der Welt gibt. Fast 69 000 Blauhelme aus mehr als 80
Staaten sind heute in 14 Ländern der Welt im Auftrag der Vereinten
Nationen im Einsatz. Es besteht aber im 50. Jahr des Bestehens der
Weltorganisation auch kein Zweifel darüber, daß sie Reformen
braucht. Künftig sollten mehr Aufgaben auf Regionalorganisationen
übertragen werden. In Europa kann beispielsweise die OSZE eine
größere Rolle spielen, in Afrika vielleicht die OAU, in Lateinamerika
die OAS oder andere Regionalorganisationen. Deutschland wird im
Rahmen der Vereinten Nationen mehr Verantwortung übernehmen
und ist bereit, größere Lasten zu tragen.

Deutschland hat gezeigt, daß es bereit ist, Verantwortung für den Frieden
im früheren Jugoslawien zu übernehmen. Es wird auch an der Absicherung der
Friedensabmachungen von Dayton aktiv mitwirken. Das gilt sowohl
für den militärischen als auch für den politischen Teil und die
Wiederaufbauhilfe der Europäischen Union. Die Umsetzung des noch
zerbrechlichen Friedens ist eine der großen außenpolitischen
Herausforderungen für uns alle. Für das Neue Jahr, Exzellenzen,
wünsche ich Ihnen, Ihren Mitarbeitern und Ihren Familien von Herzen
alles Gute.