"Ich empfinde tiefe Scham"

Merkel besucht Auschwitz "Ich empfinde tiefe Scham"

Bundeskanzlerin Merkel hat im ehemaligen deutschen Konzentrationslager Auschwitz an die Millionen Holocaust-Opfer erinnert. Sie war einer Einladung der Stiftung Auschwitz-Birkenau gefolgt.

Kanzlerin Merkel legt im ehemaligen deutschen Konzentrationslager Auschwitz einen Kranz nieder.

An der sogenannten Todeswand legte Kanzlerin Merkel, begleitet vom polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, einen Kranz nieder. 

Foto: Bundesregierung/Bergmann

"Dieser Ort verpflichtet uns, die Erinnerung wach zu halten. Wir müssen uns an die Verbrechen erinnern, die hier begangen wurden und sie klar benennen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Anwesenheit des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki vor Überlebenden des Holocausts und weiteren Gästen.

Sie empfinde "tiefe Scham angesichts der barbarischen Verbrechen, die hier von Deutschen verübt wurden ‑ Verbrechen, die die Grenzen alles Fassbaren überschreiten", so Merkel weiter.

Gedenken an Millionen Opfer

Zuvor hatte die Kanzlerin gemeinsam mit dem polnischen Ministerpräsidenten das ehemalige Stammlager Auschwitz besichtigt. Dabei legte Merkel einen Kranz an der sogenannten Todeswand nieder und hielt eine Gedenkminute ab. Dort waren Tausende Häftlinge erschossen worden. Anschließend ging Merkel in Begleitung des Ministerpräsidenten über das Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Birkenau. Dort, wo die Güterwaggons mit den Abertausenden, zumeist jüdischen Menschen aus allen Teilen Europas ankamen, stellte die Bundeskanzlerin ein Grablicht auf.

"Wir müssen uns an die Verbrechen erinnern, die hier begangen wurden, und sie klar benennen", so Merkel. Der Name Auschwitz stehe für den millionenfachen Mord an den Jüdinnen und Juden Europas, "für den Zivilisationsbruch der Schoah, dem sämtliche menschlichen Werte zum Opfer fielen."

Auschwitz stehe aber ebenso für den Völkermord an den Sinti und Roma Europas, wie für "das Leid und die Ermordung von politischen Gefangenen und Vertretern der Intelligenz in Polen, von Widerstandskämpfern, von Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion und anderen Ländern, von Homosexuellen, von Menschen mit Behinderungen sowie unzähligen anderen Menschen aus ganz Europa", mahnte die Kanzlerin.

Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau bei Krakau war das größte deutsche Vernichtungslager während der Zeit des Nationalsozialismus. Im Lagerkomplex von Auschwitz wurden etwa 1,1 Millionen Menschen ermordet, davon rund eine Million Juden. Etwa 900.000 der deportierten Menschen wurden direkt nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet. Weitere 200.000 Menschen kamen durch Krankheiten, Unterernährung, Misshandlungen und medizinische Versuche zu Tode oder wurden später als zur weiteren Zwangsarbeit untauglich ermordet. Das KZ Auschwitz wurde am 27. Januar 1945 von Soldaten der russischen Roten Armee befreit. Dieser Tag wird als Holocaust-Gedenktag begangen.

Vierter Besuch eines deutschen Regierungschefs

Die Bundeskanzlerin hat im Laufe ihrer Amtszeit bereits mehrfach NS-Gedenkstätten und Konzentrationslager besucht, beispielsweise das Konzentrationslager Ravensbrück 2010 oder 2013 das KZ Dachau. Die zentrale Gedenkstätte des Staates Israel an die Opfer des Holocaust in Yad Vashem hat Angela Merkel insgesamt fünf Mal besucht, davon vier Mal in ihrer Funktion als Bundeskanzlerin.

Dieser erste Besuch von Kanzlerin Merkel im NS-Vernichtungslager Auschwitz ist überhaupt erst der vierte Besuch eines deutschen Regierungschefs dort - nach Bundeskanzler Helmut Schmidt 1977 und Bundeskanzler Helmut Kohl 1989 sowie 1995. Merkel war auf Einladung der Stiftung Auschwitz-Birkenau nach Polen gereist. Die Stiftung beging am Freitag ihr zehnjähriges Bestehen.

Die Stiftung Auschwitz-Birkenau wurde 2009 von dem früheren polnischen Außenminister Władysław Bartoszewski (1922-2015) ins Leben gerufen. Er war selbst von September 1940 bis April 1941 dort inhaftiert. Deutschland hat zwischen 2011 und 2015 mit 60 Millionen Euro die Hälfte des angestrebten Stiftungskapitals von 120 Millionen Euro eingezahlt. Eingedenk ihrer historischen Verantwortung für den Erhalt der Gedenkstätte haben Bund und Länder eine Zustiftung von insgesamt bis zu 60 Millionen Euro zum Kapitalstock der Stiftung Auschwitz-Birkenau beschlossen, um den langfristigen Erhalt der Gedenkstätte zu sichern. Weitere große Stifter sind die USA, Polen, Frankreich, Österreich, Großbritannien, die Schweiz, Israel und Russland.