"Die digitale Transformation selbstbestimmt gestalten"

Interview mit Staatsministerin Dorothee Bär "Die digitale Transformation selbstbestimmt gestalten"

Die digitale Souveränität als Leitbild in Europa zu etablieren – das ist für Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung, während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft besonders wichtig. Im Interview spricht sie auch über das Projekt GAIA-X, das eine sichere, souveräne und offene Dateninfrastruktur schaffen wird – "auf der Grundlage europäischer Werte".

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Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung

Dorothee Bär ist Staatsministerin für Digitalisierung.

Foto: imago images/Jürgen Heinrich

Frau Bär, die deutsche Ratspräsidentschaft hat sich eine Reihe von Zielen gesetzt, um in Sachen Digitalisierung voranzuschreiten. Welche Ziele sind das und warum sind sie wichtig?

Dorothee Bär: Die Coronavirus-Pandemie hat noch einmal verdeutlicht, wie viel wir im Digitalbereich noch tun müssen – in Deutschland und Europa. Für uns ist es besonders wichtig, im Zuge unserer Ratspräsidentschaft digitale Souveränität als Leitbild in Europa zu etablieren. Dafür hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Europäischen Rat Anfang Oktober erfolgreich eingesetzt.

Digitale Souveränität heißt für mich, dass wir in der Digitalisierung unseren eigenen, europäischen Weg gehen und die digitale Transformation von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft selbstbestimmt gestalten wollen. Es geht weder um Protektionismus noch darum, alles in Europa selbst zu machen. Es geht darum, souverän zu entscheiden, in welchen Bereichen wir unabhängig sein wollen und wo wir dafür investieren müssen.

Der Europäische Rat hat Anfang Oktober die Europäische Kommission beauftragt, als wichtigen Baustein für digitale Souveränität einen Digitalkompass für 2030 zu erstellen. Denn wir brauchen dringend ein klares und langfristiges Monitoring für strategische digitale Kapazitäten und Fähigkeiten Europas.

Außerdem freuen wir uns, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union eine Perspektive für das Thema digitale Identität aufgezeigt hat – allerdings für die Zeit nach unserer Ratspräsidentschaft. Wir sind hierzu in engem Austausch mit der Kommission. Wir brauchen eine europaweite, praktisch nutzbare Lösung für jedermann. Damit wäre auch ein wichtiger Grundstein für digitale Souveränität gelegt.

Ein wichtiges Projekt, das während der deutschen Ratspräsidentschaft vorangebracht werden soll, ist GAIA-X, ein System zur Vernetzung europäischer Cloud-Dienste. Wenn GAIA-X umgesetzt ist: Welche Vorteile wird es europäischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen bringen?

Bär: Ziel von GAIA-X ist es, eine sichere, souveräne und offene Dateninfrastruktur zu schaffen, die Innovationsdynamiken ermöglichen soll. Wichtig ist mir, dass wir das auf der Grundlage europäischer Werte machen. Dabei wird GAIA-X sowohl Infrastruktur als auch Anwendungen anbieten. GAIA-X wird europäisch angelegt. Das ist klar. Es soll aber offen für Nutzer und Anbieter weltweit sein, wenn die sich an unsere Governance-Regeln halten. Für die Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger bedeutet das einen sicheren Datenaustausch und sichere Kommunikation, keine Lock-in-Effekte und keine Abhängigkeit von der bisherigen Dominanz US-amerikanischer und chinesischer Anbieter.

Neben der Digitalisierung ist auch der Klimaschutz ein Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft. Sind diese beiden Ziele vereinbar oder schadet eine zunehmende Digitalisierung gar dem Klimaschutz?

Bär: Unser Ziel ist es, den Energie- und Ressourcenverbrauch digitaler Technologien und Infrastrukturen möglichst gering zu halten. Gleichzeitig wollen wir die Chancen der Digitalisierung für den Umwelt- und Klimaschutz nutzen.

Im Rahmen unserer Ratspräsidentschaft sind wir mit den anderen Mitgliedstaaten zu der Frage im Austausch, wie wir beide großen Herausforderungen - Digitalisierung und Klimaschutz - intensiv voranbringen können. Die Umweltministerinnen und -minister wollen dazu im Rat im Dezember Schlussfolgerungen annehmen.

Bei der Frage von Digitalisierung und Umweltschutz zeigt sich für mich, dass es gerade bei diesen Querschnittsthemen entscheidend ist, jeweils die Auswirkungen auf andere wichtige Politikbereiche mit einzubeziehen. Genau das machen wir in unserer Ratspräsidentschaft.