Lebensmittel verwenden statt verschwenden

Initiative foodsharing Lebensmittel verwenden statt verschwenden

Essen retten, Essen teilen und auf Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen, das ist die Idee von „foodsharing“. Die Initiative entstand 2012 in Berlin - mittlerweile agiert sie in verschiedenen europäischen Ländern. Zwei Berliner Lebensmittelretterinnen berichten über ihre Arbeit und erklären, wie man sich engagieren kann.

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Monika Witte (rechts) und Katharina Mölter (links) – beide sind Foodsharer bei der Initiative Foodsharing.

Die beiden „Foodsaverinnen“ Monika Witte (rechts) und Katharina Mölter (links) mit geretteten Lebensmitteln.

Foto: Bundesregierung/Seeger

Unverkäufliche Ware, Reste vom Partybuffet, eine bevorstehende Reise oder Fehlkäufe im Supermarkt – es gibt viele Gründe, warum sich Lebensmittel etwa beim Handel oder zu Hause stapeln und nicht rechtzeitig aufgebraucht werden.

Rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland Jahr für Jahr im Müll – obwohl ein großer Teil davon noch verzehrbar wäre. Die Bundesregierung setzt sich mit ihrer Strategie gegen Lebensmittelverschwendung und der Kampagne „Zu gut für die Tonne“ für einen nachhaltigeren Umgang mit unserem Essen ein. Bis 2030 soll die Menge der Lebensmittelabfälle allein auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbiert werden. Zahlreiche Initiativen unterstützen sie dabei. Eine von ihnen ist der ehrenamtlich tätige Verein foodsharing e.V..

Die Initiative „foodsharing

Foodsharing will Bewusstsein für das Thema Lebensmittelverschwendung schaffen, Überproduktion senken und Menschen ermöglichen, sich eigenständig gegen Lebensmittelverschwendung zu engagieren. Die Initiative bringt dabei Gleichgesinnte zusammen und hilft, dass Essen verzehrt wird statt in der Tonne zu landen.

Wir sprachen mit Monika Witte und Katharina Mölter, die sich beide in Berlin als „Foodsaverinnen“ engagieren – und das oft mehrmals am Tag und in der Woche.

„Wir sehen uns als Umweltbewegung, die sich gegen Lebensmittelverschwendung und für nachhaltige Umwelt- und Konsumziele einsetzt“, so Witte und Mölter. Und weiter: „Wir ‚retten‘ ungewollte und überproduzierte Lebensmittel in privaten Haushalten sowie von kleinen und großen Betrieben – soweit möglich zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit Lastenrädern. Und wir verfolgen einen Bildungsauftrag. Wir gehen beispielsweise in Schulen, um schon bei den Jüngsten ein Bewusstsein für diese Thematik zu schaffen. Natürlich verkörpern wir die Ziele auch im persönlichen Umgang mit unseren ‚Abnehmern‘.“

Mit Engagement dabei

Monika Witte berichtet, dass sie bereits seit 2014 bei foodsharing aktiv sei. Am Anfang habe sie die Plattform der Initiative genutzt, um bei ihr übriggebliebene Lebensmittel in einem virtuellen Essenskorb anzubieten. „Die Einrichtung eines solche Korbes geht ganz einfach“, so Witte. „Man meldet sich auf der Seite von foodsharing.de mit seiner E-Mail-Adresse an. So kann man überschüssige Lebensmittel mit anderen teilen“, erklärt sie.

Seit etwa vier Jahren ist sie zudem als „Foodsaverin“ aktiv: Als ehrenamtliche Essensretterin holt sie überproduzierte Lebensmittel bei Bäckereien, Supermärkten, Großmärkten und anderen Betrieben ab und gibt sie kostenfrei weiter. Etwa an Notunterkünfte und Obdachlosenheime, im Bekanntenkreis, der Nachbarschaft, sowie an die so genannten „Fairteiler“. Katharina Mölter stieß vor rund eineinhalb Jahren dazu. Anstoß gab ein Fairteiler, der an der FU Berlin, an der sie tätig ist, besteht.

So funktioniert foodsharing: Auf der Online-Plattform foodsharing.de können Privatpersonen einen eigenen Account als Foodsharer anlegen und ihre Lebensmittelreste als so genannte Essenskörbe öffentlich, inklusive Ortsangabe, anbieten. Wer Lebensmittel übrig hat, kann sie auch in so genannte Fairteiler legen. Das sind öffentlich zugängliche Kühlschränke oder Boxen, in denen gerettete Lebensmittel zwischengelagert werden. Oftmals gibt es sie bei kirchlichen und anderen sozialen Einrichtungen, etwa in Mehrgenerationenhäusern. Hat jemand etwas in einen Fairteiler gelegt, teilt er dies in einem Beitrag auf der Online-Pinnwand von foodsharing.de mit. Foodsaver-Teams kümmern sich darum, dass die Hygieneregeln eingehalten werden. Foodsaver arbeiten ehrenamtlich im Auftrag einer regionalen foodsharing-Gruppe. Sie holen überschüssige Lebensmittel bei kooperierenden Lebensmittelunternehmen ab und verteilen sie entweder an gemeinnützige Einrichtungen oder Privatpersonen.

Wie wird man Foodsaver?

Dafür müsse man, so Monika Witte, eine theoretische und eine praktische Prüfung innerhalb des foodsharing-Systems absolvieren. Dabei gehe es um die Kenntnis von Verhaltens- und Hygieneregeln, Abläufen vor Ort sowie von Vorschriften, die beim Lebensmittelretten zu beachten seien. Zugleich verpflichte man sich gegenüber der Initiative, überschüssige Lebensmittel selbst weder wegzuwerfen, noch entgeltlich an Dritte weiterzugeben. Nach bestandener Prüfung werde man als Foodsaver auf der Plattform verifiziert und erhalte einen Ausweis mit seiner persönlichen ID, mit der man sich bei Abholstellen ausweisen könne.

Welche Voraussetzungen braucht man als Lebensmittelretter?

„Wer Lebensmittelretter werden will, sollte allen Lebensmitteln die gebührende Wertschätzung entgegenbringen“, bemerkt Monika Witte. Lebensmittel zu retten sei schließlich die oberste Prämisse von foodsharing.

Dazu gehöre auch eine gehörige Portion Enthusiasmus, betont Katharina Mölter: „Wir als Foodsaver akquirieren selbst die Betriebe, wo wir die Lebensmittel abholen können. Und wir sind auch diejenigen, die die Einrichtungen auswählen, an die wir die überschüssigen Lebensmittel über den Eigenverbrauch hinaus weitergeben. Es geht dabei eben nicht nur ums Abholen, sondern der zeitlich aufwändigere Teil ist oftmals die Verteilung der Waren.“

Beide schildern Erlebnisse, die sie immer wieder faszinieren. Katharina Mölter berichtet von einer Aktion im Sommer letzten Jahres: „Ein großer Supermarkt am Alexanderplatz rief uns an, dass dort die komplette Kühlung ausgefallen sei. Innerhalb kurzer Zeit waren so viele Berliner Foodsaver unter anderem mit Kleinbussen, Fahrrädern und Rucksäcken vor Ort, so dass das gesamte Tiefkühllager ausgeräumt und damit viele Lebensmittel gerettet werden konnten.“

Gibt es Lebensmittel, die nicht verteilt werden dürfen?

Monika Witte erläutert: „Auch Waren, die bereits das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) überschritten haben, dürfen wir komplett retten und weitergeben. Aber wir weisen möglichst darauf hin, dass man dann seine Sinne – Schauen, Riechen und Schmecken – einsetzen sollte, um festzustellen, ob das Produkt noch genießbar ist. Anders ist es bei Produkten mit einem Verbrauchsdatum, wie Fleisch oder mit rohem Ei verarbeiteten Produkten. Die dürfen wir nur retten, wenn das Verbrauchsdatum noch nicht abgelaufen ist. Zudem dürfen wir sie nur persönlich weitergeben, beispielsweise an Nachbarn, oder selbst verbrauchen. In Fairteiler dürfen diese nicht gestellt werden. Es muss gewährleistet sein, dass wir über die Bedeutung des Verbrauchsdatums und auch über die damit verbundenen Gefahren persönlich aufklären.

Vorteile für kooperierende Betriebe

Foodsharing vereinbart mit den Betrieben, mit denen die Initiative zusammenarbeitet einen Haftungsausschluss. Das bedeutet, dass die Initiative mit Übergabe der Lebensmittel die Haftung dafür übernimmt. Monika Witte unterstreicht: „Neben einem Imagegewinn haben die Betriebe, mit denen wir zusammenarbeiten, definitiv weniger Müllkosten; das schlägt in der Summe richtig zu Buche.“

Was jeder Einzelne tun kann

Monika Witte weist auf den Leitfaden der Initiative „Zu gut für die Tonne“ hin: Etwa beim Einkaufen mit Einkaufzettel losgehen, vorher schauen, was noch alles im Kühlschrank vorhanden ist, Portionen der Personenzahl angemessen zubereiten. Das sind aus ihrer Sicht die wichtigsten Punkte.

Den Kampf gegen Lebensmittelverschwendung optimieren

Beide Retterinnen betonen, die Initiative trage die Ideen der Kampagne „Zu gut für die Tonne“ und das Ziel der Agenda 2030 mit. Allerdings liefen diese Vorgaben auf freiwilliger Basis, die bisherigen Schritte seien daher zu langsam. Insbesondere sollten alle am Prozess Beteiligten gesetzlich verpflichtet werden, genießbare, unverkaufte Ware zu spenden. „Den Betrieben sollte erst gar nicht ermöglicht werden, so viel wegzuwerfen“, so Monika Witte. Und weiter: „Wir wünschen uns auch, dass alle Initiativen, die Lebensmittel retten, stärker in den von der Bundesregierung geführten Dialogprozess einbezogen werden.“

Änderungen sollte es außerdem beim MHD geben. Dieses müsse für Verbraucherinnen und Verbraucher verständlicher werden. Zum anderen seien für Hersteller und Händler die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit sie Produkte auch kurz vor bzw. nach Ablauf des MHD ohne Vorbehalte verkaufen bzw. an Lebensmittelretter abgeben könnten.

Allein bei foodsharing Berlin sind aktuell 10.298 Lebensmittelretterinnen und Lebensmittelretter aktiv, die mit 500 lokalen Berliner Betrieben kooperieren. Bei 431.376 Rettungseinsätzen haben sie bereits rund 6.365 Tonnen Lebensmittel gerettet. In diesem Jahr erhielt die Initiative den Preis „Berliner Lebensmittelretterinnen und -retter 2021“ des Berliner Senats. 2016 wurde ihr der erste „Zu gut für die Tonne“-Bundespreis in der Kategorie „Gesellschaft und Bildung“ verliehen.

Foto zeigt Log von Foodsharing.de

Auf der Online-Plattform foodsharing.de können Privatpersonen einen eigenen Account als Foodsharer anlegen und ihre Lebensmittelreste als so genannte Essenskörbe öffentlich, inklusive Ortsangabe, anbieten

Foto: foodsharing.de