Mehr Wertschätzung und Unterstützung

Pflegebedürftige und Pflegende im Kurzporträt Mehr Wertschätzung und Unterstützung

Während Pflegebedürftigen in der Corona-Pandemie vor allem die Einschränkungen im Besuchsrecht zusetzen, leiden pflegende Angehörige unter Doppelbelastungen und erwarten mehr Unterstützung. Pflegekräfte wünschen sich mehr Wertschätzung für ihre Arbeit. Drei Betroffene, die am Bürgerdialog mit der Bundeskanzlerin teilnahmen, schilderten vorab ihre Erfahrungen.

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Pflegerin hält die Hand einer alten Dame.

Pflegende und Pflegebedürftige sind von der Corona-Pandemie besonders stark betroffen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/kzenon

"Ich würde mir wirklich wünschen, die Versorgung wäre besser": Albert Sauter, 57, pflegt seine Mutter.

Wenn Albert Sauter nach Dienstschluss nach Hause kommt, ist sein Tag nicht vorbei. Jeden Abend sieht er nach seiner Mutter, die eine Wohnung im selben Mehrfamilienhaus bewohnt. Er sorgt für ihr Abendessen und bereitet sie fürs Bett vor. Jeden Morgen macht er ihr Frühstück, hilft bei der Körperpflege, beim Anziehen und begleitet sie zum Fahrdienst. Dann geht es für die 91-Jährige in die Tagespflege. So geht es jeden Tag, seit etwa drei Jahren.

Albert Sauter hat sich selbst dazu entschieden, seine an Demenz erkrankte Mutter zu pflegen, damit sie noch zu Hause leben kann. "Mir war wichtig, dass ich ihr noch die Freiheiten erhalte, so lange es geht", erzählte der 57-Jährige vor dem Gespräch mit der Kanzlerin. Dies bringt jedoch für ihn und seine Frau, die ihn bei der Pflege untertstützt, oftmals große Einschränkungen mit sich. "Wir haben keine Möglichkeit, den Tag groß rauszugehen. Wir müssen morgens nach ihr schauen, abends nach ihr schauen. Die ganze Woche ist durchgetaktet." Als besonders belastend empfand Albert Sauter die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie im Frühjahr. 13 Wochen sei die Tagespflege geschlossen gewesen. "Ob man wieder plant, diese Einschränkungen zu machen?", wollte Sauter von Kanzlerin Merkel im Bürgerdialog erfahren.

Auch das Thema Urlaub gestaltet sich für die Sauters kompliziert. Für die Zeit muss er sogenannte Verhinderungspflege in Anspruch nehmen. Dabei kommen Pflegekräfte ins Haus, die morgens und abends nach der 91-Jährigen sehen. Nur wenn diese Unterstützung gesichert ist, kann er mit seiner Frau verreisen. Besser wäre seine Mutter in dieser Zeit in einer Kurzzeitpflege aufgehoben, bei der sie rund um die Uhr in einer Pflegeeinrichtung betreut wird, so Sauter. Dort einen Platz zu gekommen, sei jedoch vergleichbar mit einem Lotteriespiel. "Da würde ich mir wirklich wünschen, da wäre die Versorgung besser", so Sauter. Es werde deutlich, dass es an Personal fehle. Albert Sauter würde sich deshalb wünschen, dass die Pflegeberufe attraktiver werden. Die Kanzlerin wollte er gerne fragen, ob es mehr finanzielle Unterstützung für Pflegebedürftige gibt.

Inge Hiller, 81, Pflegeheim-Bewohnerin, wünscht sich, dass sich wieder "die ganze Familie im Zimmer versammelt".

Es ist über zwei Jahre her, als Inge Hiller sich selbst dazu entschied, in ein Pflegeheim umzuziehen. "Ich hatte immer mehr Beschwerden mit der Beweglichkeit," der Haushalt sei ihr zunehmend schwerer gefallen, erzählt die heute 81-Jährige vor dem Bürgerdialog. Besonders schätzt sie am Leben in der Einrichtung in Heidelberg, "dass man nicht allein ist und dass im Ernstfall jemand da ist, dass man zusammengehört wie eine große Familie", so Inge Hiller. Außerdem gebe es ein großes Angebot: von Sitzgymnastik, Gedächtnistraining, Film- und Kegelevents bis zu Koch- oder Backnachmittagen. Sie sei froh, so Hiller, dass sie sich selbst zu diesem Zeitpunkt damals für das Pflegeheim entschieden habe. Einige andere Bewohner seien schon älter und etwas zurückgetreten, sodass sie nicht mehr viel von dem wahrnehmen könnten, was angeboten werde.

Durch die Corona-Pandemie ist das Angebot des Pflegeheims und vor allem auch das Besuchsrecht stark eingeschränkt. Aktionen finden nur noch etagenweise in festen Gruppen statt. Besonders wünscht sich die 81-Jährige, dass Corona bald vorbeigeht und sich "die ganze Familie im Zimmer versammelt". Wichtig ist ihr aber auch, dass besonders diejenigen unterstützt und abgelenkt werden, die gar keinen Besuch bekommen. Gespannt wartet sie deshalb auch auf die Regelungen zu Weihnachten.

"Die Wertschätzung sollte gesteigert werden", so Friederike Gerber, 35, Krankenpflegerin in der Intensiv- und Palliativpflege.

Friederike Gerber ist gelernte Krankenpflegerin für die Intensivpflege. Seit zwei Jahren versorgt sie zusätzlich Palliativpatienten ambulant. Dazu habe sie sich entschieden, "weil ich es schön finde, dass der Patient der Entscheider ist. Man passt sich sehr an seinen Lebensstil an. Im Gegensatz zur Klinik bin ich da Gast", so Gerber. Sie sorgt für die Patienten, versucht, Wünschen entgegenzukommen und steht in Kontakt mit Pflegediensten.

Lästig findet sie im Alltag den großen Bürokratieaufwand. "Dokumentationen brauchen wahnsinnig viel Zeit. Es gibt immer wieder Änderungen und neue Vorgaben", sagte die 35-Jährige vor dem Gespräch mit Merkel. Dabei solle es doch darum gehen, eine bestmögliche Versorgung der Patienten zu schaffen. Insgesamt wünscht sich die 35-Jährige mehr Vereinheitlichung in der Pflege - sowohl was die verschiedenen Tarifverträge angehe als auch im Umgang mit den Covid-19-Regelungen.

"Warum hat man sich für die generalisierte Ausbildung entschieden?", möchte sie die Kanzlerin im Bürgerdialog fragen. Diese sehe sie eher skeptisch. Als Intensiv- und Palliativpflegerin sehe sie bereits das ganze Spektrum - von Babys bis hin zu alten Menschen. Aus ihrer Sicht müsse mehr getan werden, um verstärkt Personal zu gewinnen. "Die Wertschätzung sollte gesteigert werden", so Friederike Gerber.