Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner,

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Sehr geehrte Gäste,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger:
Liebe Frau Professor Einspanier, Herr Sindel, Frau Dünchem, guten Abend!

Wir feiern heute den Höhepunkt des landwirtschaftlichen Jahres: das Erntedankfest, unseren Politischen Erntedank, mit der Verleihung der Professor-Niklas-Medaillen. Die höchste Auszeichnung, die wir als Bundeslandwirtschaftsministerium zu vergeben haben.

Besonders begrüße ich heute Abend zum einen unsere Landjugend. Sie stehen für die Zukunft der Branche – für Aufgeschlossenheit, für Modernisierung, für Aufbruch. Sie verbinden Zukunft mit Tradition, das zeigt die wunderschöne Erntekrone, die Sie aus Bayern mitgebracht haben. Vielen Dank dafür! Und zum anderen das Winzerpaar Ulrike und Axel Lorenz und ihr Team aus dem Weinanbaugebiet Nahe. Sie haben den Winzerinnen und Winzern aus dem Ahrtal ganz praktisch geholfen. Denn die Weine, die wir hier haben, sind sogenannte Flutweine. Weinflaschen, die von Ihnen nach der Flut aus der Ahr geborgen wurden. Bei diesem Extremhochwasser wurden von 68 Weingütern und Genossenschaften ganze 65 massiv beschädigt oder zerstört – unvorstellbar. Mit diesen Flutweinen leisten auch wir heute einen kleinen Beitrag, um die Winzerinnen und Winzer im Ahrtal zu unterstützen. Jeder Cent kommt hier den Betroffenen zugute. Danke für diese praktische Solidarität.

Hinter uns liegen fordernde Wochen. Wahlkämpfe haben ihre eigene Dynamik der Abgrenzungen. Jetzt ist die Zeit, wieder Gemeinsames zu suchen statt Trennendes zu betonen. Wichtiges haben wir erreicht in der zu Ende gehenden Legislaturperiode, viele Erfolge für eine agrar- und gesellschaftspolitische Weiterentwicklung unter den Stichworten Nachhaltigkeit, Erntesicherung, Einkommenssicherung, Innovation.

Dazu waren zwei zentrale Voraussetzungen zu gewährleisten. Und wir haben geliefert. Erstens: Wir haben ein neues Miteinander geschaffen. Zum ersten Mal überhaupt ist es gelungen, umfassende, von allen getragene Zukunftskonzepte für unsere Landwirtschaft zu diskutieren, zu verhandeln und auch zu fixieren. Weil wir alle den notwendigen Mut und den glaubwürdigen Willen hatten, den breiten gesellschaftlichen Dialog zu suchen, scheinbar unversöhnliche Gruppierungen und Sichtweisen an einen Tisch zu bringen, Kompromisse zu schließen. Und das Ganze im Sinne von Handschlagqualitäten, sich gegenseitig mit Respekt ernst zu nehmen – Umwelt- wie Landwirtschaftsseiten.

Und zweitens: Wir haben der deutschen Landwirtschaft einen Zukunftsweg geebnet und eine neue Nachhaltigkeit eingeleitet. Nicht nur gefordert, sondern die Weichen gestellt. Das war fordernd, aber ohne ernsthafte Alternative. Denn wir müssen in der Landwirtschaft vor die Welle kommen – aber unter dem klaren Maßstab, Ökologie, Ökonomie und soziale Frage zu verbinden. Weg vom Entweder-oder hin zum Gleichklang. Wir haben dazu den Bogen weiter gespannt als je zuvor zu mehr Umwelt- und Klimaschutz und zu mehr Tierwohl. Wir haben Anforderungen an eine nachhaltige Ernährung unter diesen Bogen gezogen, mit dem festen Willen, der Notwendigkeit und den begleitenden Maßnahmen, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft und das Einkommen unserer Landwirte zu sichern.

So kann Landwirtschaft einerseits unsere Ernährung und ihr Einkommen sichern und zudem mehr Leistungen für den Schutz des Klimas und der Gewässer sowie für die Förderung der Biodiversität erbringen. Genau daraus haben wir neue Ansätze für eine nachhaltige Einkommenssicherung entwickelt. Zugleich haben wir Ausgleichsregelungen überall dort eingeführt, wo neue Erschwernisse entstanden sind. Wir ermöglichen Investitionen in mehr Gewässer- und Insektenschutz. Das ist ein Systemwechsel. Das war unser Ziel. Das war auch der Wunsch von Landwirtschafts- und Umweltseite. Das haben wir erreicht. Und darauf können wir gemeinsam stolz sein – auf vieles, was wir geleistet haben in dieser Legislaturperiode.

Mit meinem Team lege ich eine Bilanz vor, die geleitet war vom Dreiklang von Ökologie, Ökonomie und sozialer Frage. Die dem Anspruch folgte, nicht so lange Veränderungen zu verhindern, bis es nicht mehr geht, sondern vor die Welle zu kommen, von vorne frühzeitig zu gestalten und zu fördern. Aber immer mit Augenmaß, auf wissenschaftlicher Grundlage, nicht auf ideologischer.

Erstens: Wir haben Deutschland als Tierwohlvorreiter positioniert. Das geht nicht per Knopfdruck. Nicht gegen die Tierhalter, nur mit ihnen. Denn dem Tierwohl ist nicht gedient, wenn unsere Tierhalter wegen zu hoher Auflagen, zu schnell eingefordert, aufhören und wir dann tierische Produkte importieren, auf deren Produktionsstandards wir keinen Einfluss haben. Mehr Tierwohl und Wirtschaftlichkeit hier auf heimischem Boden, das hat uns geleitet. Tauglich für die schnelle Stimmungsschlagzeile oder Kampagne für die digitalen Medien ist das nicht. Aber mir ging es darum, ernsthaft, differenziert, fair und rechtskonform vorzugehen und nicht den schnellen Stimmungsapplaus einzuholen, der nur kurz trägt.

Wir haben Deutschland in Sachen Tierwohl zum Vorreiter gemacht. Nicht durch harte Strukturbrüche, sondern durch finanziell unterlegte Strategien und Förderaktivitäten, die unsere landwirtschaftlichen Betriebe tragen können, langfristig. Die von mir eingesetzte Borchert-Kommission hat Vorschläge zum Umbau der Nutztierhaltung vorgelegt. Wir haben entsprechende Machbarkeits- und Folgeabschätzungsstudien dazu und viele weitere Bausteine zur Umsetzung vorgelegt. Vom Konzept bis zur Finanzierung liegt alles auf dem Tisch. Wir haben bei der Europäischen Union einen entscheidenden Durchbruch zur Umsetzung des Konzepts erzielt: Investitionen in neue Ställe für mehr Tierwohl dürfen nun mit bis zu 80 Prozent gefördert werden. Bisher waren das lediglich 40 Prozent und nur für sieben Jahre. Auch dieses Limit ist gefallen. Das bringt die notwendige Planungssicherheit und Verlässlichkeit für die Tierhalter für die großen Investitionen in Tierwohlställe.

Ein weiteres gesellschaftlich stark aufgeheiztes Thema haben wir gelöst: Als erstes Land der Welt verbietet Deutschland das Töten männlicher Küken in der Legehennenzucht. Aber nicht ohne Plan, einfach nur per Verbot, sondern durch Innovation, Technik und Unterstützung unserer Brütereien. „Tierwohl made in Germany“ wird ein Markenzeichen werden, nicht Importe, auf die wir keinen Einfluss haben. Und das muss weiter gehen: Auch verarbeitetes Ei muss europaweit gekennzeichnet werden – das ist im Sinne einer umfassenden Verbraucherinformation und Transparenz. Und Tierwohl darf kein Stückwerk bleiben, das durch Verlagerungen ins Ausland umgegangen werden kann.

Bereits seit Anfang 2021 ist die betäubungslose Ferkelkastration nicht mehr erlaubt, mit einer sehr klaren Regelung: komplette Schmerzvermeidung beim Tier. Auch hier sind wir Vorreiter. Wir haben dafür gesorgt, dass die Kastenstandhaltung von Sauen im Deckzentrum nach einer Übergangszeit endet. Und ein 300-Millionen-Euro-Stallumbauprogramm ist aufgelegt, das gerade hier, in diesem wichtigen Bereich, für eines sorgt: dass mehr Tierschutz noch schneller kommt und die Tierhaltung nicht ins Ausland abwandert.

Es ist das größte Stallumbauprogramm unserer Geschichte, um die Tierhalter auch in die Lage zu versetzen, die politischen und ihre Ziele umsetzen zu können. Den Umbau der Tierhaltung haben wir im Kabinett durch Anpassungen im Baurecht flankiert. Allerdings hätten wir hier weiter und konkreter im Sinne des Tierwohls sein können, wenn unser Koalitionspartner das wirklich gewollt und mitgemacht hätte.

Zweitens: Wir haben während unserer Ratspräsidentschaft einen Systemwechsel in der Europäischen Agrarpolitik erreicht. Kern der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik ist die grüne Architektur mit ambitionierteren ökologischen Vorgaben und honorierten Maßnahmen in der ersten und zweiten Säule, damit sich Umwelt- und Naturschutz für unsere Landwirtschaft auch rechnen kann.

Umwelt-, Biodiversitäts- und Klimaauflagen werden künftig honoriert. Das bedeutet, Gemeinwohlleistungen werden gefördert – für die Umwelt und das Klima, für den Erhalt einer Kulturlandschaft, für das Einkommen der landwirtschaftlichen Familien. Kernauftrag der Landwirtschaft ist und bleibt, dass die Bäuerinnen und Bauern unsere Ernährung sichern. Dafür müssen unsere Landwirtinnen und Landwirte wettbewerbsfähig bleiben und von ihrer Arbeit leben können!

Drittens: Für unsere Wälder haben wir mehr mobilisiert als je zuvor. 1,5 Milliarden Euro, um Schäden zu beheben, um neue, klimaangepasste Mischwälder zu pflanzen. Um private und kommunale Waldbesitzer bei der schwersten Krise der Forstwirtschaft zu unterstützen. Mit der Bundeswaldprämie und weiteren Nachhaltigkeitsförderungen haben wir Instrumente konzipiert, die beides bringen: schnelle Hilfe und langfristige Wirkung. Durch die Prämie ist die zertifizierte Waldfläche schon jetzt um mehr als 900.000 Hektar angewachsen.

Viertens: Ländliche Regionen sind die Kraftzentren unseres Landes. Rund 2.000 Projekte auf dem Land haben wir initiiert und finanziert. Mit Vorbildcharakter und zum Nachahmen in anderen Dörfern und kleinen Städten – für eine bessere Mobilität, für ein starkes Ehrenamt, für Kultur, für die Nahversorgung.

Fünftens: Die Digitalisierung war zu Beginn der Legislatur ein Schlagwort, jetzt ist sie real. Digitale Lösungen im Stall und auf dem Feld sind Problemlöser, weil Sensoren schneller melden, wenn es Tieren nicht gut geht. Weil Landwirte durch Digitalisierung präziser arbeiten. Weil sie früher wissen, wenn Pflanzen erkrankt sind. Wir haben sie in der Praxis getestet mit unseren Experimentierfeldern. Wir haben eine staatliche Datenplattform geschaffen für den Austausch zwischen Landwirtschaft, Forschung, Entwicklung und Beratung. Und mit fast einer Milliarde Euro haben wir die Anschaffung hochmoderner Maschinen gefördert, die messbar und massiv weniger Pflanzenschutz- und Düngemittel ausbringen, mit neuester Technik. Immer mit dem klaren Ziel, die Produktion noch nachhaltiger zu gestalten, die Arbeit einfacher und unbürokratischer und effektiver zu machen. Wir sind damit Vorreiter in Europa.

Sechstens: Noch nie war Ernährungspolitik so sichtbar. Allein der Nutri-Score ist eine Erfolgsgeschichte, wir sehen ihn fast überall beim Einkauf. Schon 233 Unternehmen mit 452 Marken machen mit. Der Nutri-Score macht auch die Erfolge unserer Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten sichtbar. Auch hier zieht die Wirtschaft mit: Elf Verbände haben sich dazu verpflichtet, von unseren Instituten messbar den Gehalt an Zucker, Salz und Fetten in ihren Fertigprodukten zu reduzieren.

Das sind nur einige Punkte unserer umfangreichen Bilanz – einer Bilanz, die die Land- und Ernährungswirtschaft ganzheitlich sieht, über die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zum Verbraucher. Eine Bilanz, die Weichen gestellt hat, hinter die eine kommende Bundesregierung nicht zurückfallen kann. Eine Bilanz, die den gesellschaftlichen Wandel aufgenommen hat, aber es nicht dem schnell wechselnden Zeitgeist recht machen will. Eine Bilanz, die sich von wissenschaftlicher Erkenntnis und Fakten statt von Stimmungen und Klicks leiten ließ. Eine Bilanz, die die heimische und europäische Ernährungssicherung für unsere Verbraucherinnen und Verbraucher und die Einkommenssicherung für unsere Landwirtschaft im Blick hat – mit globaler Verantwortung.

In Deutschland haben wir einen Modernisierungsschub in der Land- und Ernährungswirtschaft gestartet. Doch während wir Fortschritte machen, fallen andere schmerzhaft zurück: Wieder mehr Menschen leiden Hunger. Ihre Zahl ist gestiegen auf 768 Millionen. Und gleichzeitig wird ein Drittel der Nahrung weltweit weggeworfen. Unicef-Schätzungen zufolge leiden immer mehr Kleinkinder an Wachstumsverzögerungen, weil ihre Ernährung nicht mit ihrem wachsenden Nährstoffbedarf Schritt hält. Das dürfen wir nicht ignorieren, das kann uns nicht ruhen lassen!

Ende September fand auch deshalb der erste Weltgipfel der Vereinten Nationen zu Ernährungssystemen statt. Wir konnten viel einbringen von der Arbeit, die bei uns schon geleistet worden ist: unsere Ideen zum Ackerbau der Zukunft etwa, zur Stärkung der Eiweißpflanzenerzeugung, zur Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten, zum Ausbau der Bioökonomie oder zur Weiterentwicklung des ökologischen Landbaus.

Das Menschenrecht auf Nahrung kann durch eine erfolgreiche Landwirtschaft umgesetzt werden. Mit diesem Gipfel ist auch das Primat der Ernährung so deutlich wie noch nie unterstrichen worden. Es ist die Ernährung und die Ernährungssicherung, die den Ausgangspunkt bilden für den gesamten Gestaltungsprozess. Und damit rückt die Landwirtschaft in den Mittelpunkt mit ihrer ureigensten Aufgabe: Ernährung zu sichern.

Genau daran müssen auch wir uns in der Zukunft orientieren, wenn wir hier weiter ein verlässlicher Partner sein wollen. Und genau deshalb brauchen wir weiter eine starke und eigenständige Landwirtschafts- und Ernährungspolitik mit einer Stärkung unseres internationalen Engagements, beim Wissenstransfer, der Forschungszusammenarbeit und Vernetzung. Was folgt aus dem Erreichten? Stillstand gewiss nicht, sondern ein Langstreckenlauf.

Erstens: Die Modernisierung der Landwirtschaft muss fortgeführt werden. Der Rahmen ist klar, er steht im neuen Klimaschutzgesetz. Landwirtschaft darf bis 2030 nur noch 56 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausstoßen. Um das zu schaffen und gleichzeitig den Bäuerinnen und Bauern gute Perspektiven auch für die nächste Generation zu geben, müssen wir weiter investieren. Denn nur über Innovationen erreichen wir das Ziel, Ernährung zu sichern und nachhaltiger zu wirtschaften. Schon in dieser Legislatur haben wir über eine Milliarde Euro für Investitions- und Förderprogramme zur Verfügung gestellt, darunter zum Beispiel für neue Maschinen, die Emissionen einsparen helfen, weil sie präziser arbeiten.

Zweitens: Junge Bäuerinnen und Bauern müssen an ihre Zukunft glauben können. Gesellschaftliche Erwartungen an die Landwirtschaft dürfen keine Einbahnstraße sein. Wer in Umwelt- und Klimaschutz investiert, muss dafür bezahlt werden. Wir müssen Bauern und Verbraucher noch stärker zu Partnern machen – für sichere Ernten, für volle Regale, bezahlbare Lebensmittel und eine geschützte Umwelt.

Drittens: Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit wahren und Handelsregeln ändern. Hohe Standards sollten eine Selbstverständlichkeit und kein Handelshindernis sein. Dies muss die EU konsequent berücksichtigen, auch wenn sie Handelsabkommen mit Drittländern verhandelt. Nachhaltigkeitsstandards müssen zum Kernelement zukünftiger Handelsabkommen gehören. Unsere Ziele sind hierbei nicht Abschottung oder „Europe first“, sondern Handelsregeln, die eine ressourcen- und umweltschonende Landwirtschaft belohnen und befördern. Wer das von unseren Landwirten verlangt, muss das auch von anderen verlangen. Der Klimawandel macht nicht an Ländergrenzen Halt.

Viertens: Wir brauchen weitere wirksame Forschungsaktivitäten. Wir haben massiv in Forschung und Innovation investiert. Rund 900 Millionen Euro, zum Beispiel für modernen Pflanzenschutz und effizienten Ackerbau, um Pilzkrankheiten im Getreide- und Weinbau zum Beispiel besser bekämpfen zu können. Um herauszufinden, welche Fruchtfolgen eine optimale Nährstoffaufnahme ermöglichen. Wie Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft durch standortangepasste Bodenbearbeitung, den Anbau von Zwischenfrüchten oder optimierte Techniken der Düngerausbringung gemindert werden können.

Wir erforschen, welche Konsequenzen ein weiteres Fortschreiten des Klimawandels auf unsere Landwirtschaft hat. Denn zum Beispiel wandern wärmeliebende Insektenschädlinge nach Norden, jedes Jahr um 2,7 Kilometer. Wenn wir also auf bestimmte Pflanzenschutzmittel verzichten und gleichzeitig unsere Ernten schützen wollen, brauchen wir neue Instrumente, Nützlinge zum Beispiel. Oder Pflanzen, die weniger Pflanzenschutzmittel und Düngemittel brauchen, resistenter gegen Trockenheit und Krankheiten sind und damit wichtige Faktoren im Kampf gegen den Klimawandel sind. Dabei können neue Züchtungstechnologien helfen.

Fünftens: Wir brauchen einen Digitalpakt für die Landwirtschaft. Digitale Lösungen im Stall und auf dem Feld sind konkrete Problemlöser, beim Tierschutz und Tierwohl, aber auch für einen ökologisch-produktiveren Ackerbau. Wir sind bereits Vorreiter in Europa. Aber wir müssen noch besser werden. Deshalb brauchen wir einen Digitalpakt für die Landwirtschaft, der alles mitdenkt, von der großen Plattform bis zum Fortbildungsangebot vor Ort. Denn digitale Lösungen müssen in der Breite auf unseren Betrieben ankommen. Wir brauchen dazu überall auf dem Land eine funktionierende Infrastruktur. Technische Lösungen, die nicht nur von Spezialisten bedient werden können, sondern die auch dem Nebenerwerbslandwirt konkrete Verbesserungen bieten.

Sechstens: Unsere Gesellschaft muss den Anspruch der Landwirtschaft auf Fortschritt mittragen, sei es bei der Züchtung, bei der Digitalisierung, bei der Technisierung. Und diesen Fortschrittsanspruch dürfen und müssen auch unsere Landwirtinnen und Landwirte selbst mitformulieren.

Das Motto der Welternährungsorganisation FAO lautet „Fiat Panis“, es werde Brot. Es ist ein abgewandeltes Zitat aus dem ersten Tag der Schöpfungsgeschichte: „Fiat lux.“ / „Es werde Licht.“ Fiat Panis – das ist die Hoffnung, mit der die FAO im Jahr 1945 den Kampf gegen den Hunger aufgenommen hat. Eine Welt ohne Hunger und alle Formen der Fehlernährung ist natürlich eine hohe moralische Verpflichtung.

Es ist aber auch gleichzeitig der Weg, um Konflikte und Kriege zu vermeiden. Denn ein hungriger Magen findet keinen Frieden. Konflikte um wertvolle Ressourcen wie fruchtbare Böden und Rohstoffe waren und sind bis heute die Ursache für Kriege und Unruhen. Mit einer weiteren direkten Konsequenz: Wer kämpfen muss, ackert nicht. Wer nicht ackert, der erntet nicht. Die Folgen sind neues Leid, Flucht und Vertreibung mit destabilisierender Wirkung weit über die Konfliktregionen hinaus. Deshalb ist eine globale, nachhaltige Sicherung der Ernährung das erste Instrument der Friedenssicherung.

Eine Welt ohne Hunger gibt es nur mit einer Landwirtschaft, die satt macht. Landwirtschaft ist Leben, überall und immer. Deshalb brauchen wir überall auf der Welt, aber auch bei uns eine starke und nachhaltige Landwirtschaft. Eine Landwirtschaft, der ich vor allem eines sagen will: Danke! Danke für die Leistungen – nicht nur dieses Jahres. Für Ihre unermüdliche Arbeit, die Sie erbringen, für uns alle – Tag für Tag, Jahr für Jahr. Herzlichen Dank für unser täglich Brot!

Wir als Politik können viele Vorgaben machen, Ziele definieren, Projekte finanzieren. Am Ende braucht es auch Persönlichkeiten, Menschen, die sich engagieren, die Herausragendes leisten, um unsere Landwirtschaft voranzubringen. Drei solche Persönlichkeiten zeichnen wir heute aus. Drei Menschen, die dafür ganz unterschiedliche Ansätze gewählt haben, die aber eines verbindet: Sie sorgen mit ihrem Einsatz für eine starke Verankerung der Landwirtschaft in unserer Gesellschaft, für Akzeptanz, für Wertschätzung.

Frau Professor Almuth Einspanier, Sie haben dazu beigetragen, dass Eier ohne Kükentöten heute flächendeckend im Handel sind durch Ihre herausragende Forschung an Verfahren für die Geschlechtsbestimmung im Brutei. Ein Meilenstein für den Tierschutz in der modernen Landwirtschaft und damit für die Akzeptanz der Nutztierhaltung in unserer Gesellschaft.

Heiner Sindel, Sie sind ein Vordenker in Sachen Regionalität und Stärkung ländlicher Regionen. Und Sie sind ein begnadeter Netzwerker. Beide Talente haben Sie zusammengebracht mit der Gründung des Bundesverbandes Regionalbewegung. Sie sorgen nicht nur für nachhaltige Wertschöpfung im ländlichen Raum, sondern auch für die Sichtbarkeit der zahllosen kleinen Akteure, die gemeinsam ein großes Ganzes ergeben.

Carina Dünchem, Sie sind eine ganz besondere Botschafterin für unsere Landwirtschaft – in den sozialen Medien genauso wie vor Ort. #lebeliebelandwirtschaft – unter diesem Motto berichten Sie aus Ihrem Leben auf dem Hof. Ihr Ziel ist, Landwirtschaft wieder zu den Menschen zu bringen, erlebbar zu machen. Sie vermitteln Wissen, auch an Kinder, und schaffen damit die Grundlage für die Wertschätzung unserer Landwirtinnen und Landwirte.