"Von heute auf morgen fehlte das soziale Miteinander"

Studierende im Kurzportrait "Von heute auf morgen fehlte das soziale Miteinander"

Weggebrochene Nebenjobs, ausschließlich digitales Lernen, fehlende soziale Kontakte, Sorgen um die Zukunft: Die Corona-Pandemie hat auch das Leben vieler Studierender auf den Kopf gestellt. Drei junge Leute berichten von ihrem aktuellen Uni-Alltag.     

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Foto zeigt Vanessa Schuster.

Vanessa Schuster studiert an der Hochschule Trier Business Administration and Engineering. Nebenbei vertritt sie in verschiedenen Gremien wie dem Hochschulsenat die Interessen der Studierenden.

Foto: Jannik Scheer

In wenigen Sekunden soll der Livestream starten. Jenissa Terzic checkt die Kamera, macht noch eine kurze Tonprobe. Ein letzter Blick zu ihrem Dozenten, der nickt ihr zu. Die digitale Vorlesung der Universität Potsdam kann beginnen. Seit drei Jahren unterstützt die Jura-Studentin Jenissa Terzic ihre Hochschule beim E-Learning – eine verantwortungsvolle Aufgabe, erst recht in Pandemie-Zeiten. "Mein Job ist es, die Technik bei den digitalen Vorlesungen zu betreuen. Dann komme ich in die Uni, damit andere zuhause bleiben können", betont die wissenschaftliche Hilfskraft.

Erfolgreiche Umstellung auf digitale Lehre

Bereits seit dem ersten Lockdown im Frühjahr ist die digitale Lehre an der Potsdamer Universität Alltag. Auch wenn noch einige Veranstaltungen in Präsenz stattfinden. Laut Terzic hat die Umstellung großer Teile des Lehrbetriebs auf digitale Formate gut funktioniert, wobei man "schon Unterschiede festgestellt hat, wie sehr Dozenten mit der Digitalisierung vertraut sind". Gerade zu Beginn der Pandemie habe die Hochschule die Zeit aber gut genutzt, um Mitarbeiter zu schulen oder digitale Technik zu kaufen.

Soziales Miteinander fehlt

Größere Sorgen als die Umstellung auf die Digitalisierung bereiten der 22-Jährigen die sozialen und finanziellen Nöte vieler Studierender durch die Corona-Pandemie. "Von heute auf morgen fehlte das soziale Miteinander am Campus. Viele sind jetzt fast rund um die Uhr nur noch zuhause, das ist ein ganz anderes Leben als vorher", berichtet sie. "Einige mussten sich zuhause erst einmal einen Arbeitsplatz einrichten, weil sie bis dahin überwiegend in der Uni-Bibliothek gelernt hatten."

Hoffen auf staatliche Förderung

Hinzu kämen Ängste, ob sich das Studium wegen der geänderten Bedingungen möglicherweise nach hinten verschiebe. Und mit jedem zusätzlichen Semester stiegen die Sorgen, ob das Studiums noch bezahlt werden könne. Zur finanziellen Situation der Studierenden will Jenissa Terzic auch die Bundeskanzlerin befragen. Nach Meinung der 22-Jährigen müsste die staatliche Unterstützung größer ausfallen.

Foto zeigt Jenissa Terzic

Jenissa Terzic ist wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Potsdam. 

Foto: Jenissa Terzic

"Wegen Geldsorgen haben manche geweint"

Wie die Pandemie viele Studierende in Geldnöte gebracht hat, weiß auch Vanessa Schuster. Die 29-Jährige studiert an der Hochschule Trier den Master-Studiengang Business Administration and Engineering. Nebenbei vertritt sie in verschiedenen Gremien wie dem Hochschulsenat die Interessen der Studierenden.

"Mich haben viele angerufen, einige haben auch geweint, weil sie extreme Sorgen haben, sich teilweise in einer finanziellen Notlage befinden. Da hakt es dann oft schon an der Finanzierung eines W-Lan-Anschlusses", macht die Studentin deutlich. Der Grund sei, dass viele Studierende durch die Pandemie ihre Jobs verloren hätten. Oder dass auf einmal die Unterstützung durch die Eltern fehle, weil diese selbst in Kurzarbeit seien.

Online-Meetings statt persönlicher Treffen

"Viele Studierende vereinsamen gerade extrem", berichtet Schuster. Gerade am kleinen Campus in Birkenfeld sei der direkte Austausch miteinander immer sehr wichtig gewesen, beispielsweise in zahlreichen Lerngruppen. "Jetzt haben wir online Tee- oder Bier-Runden, aber das ersetzt natürlich das Persönliche nicht." Insbesondere die Erstsemester litten unter den fehlenden unmittelbaren Kontakten. Zu Semesterbeginn gab es zwar noch eine kurze Präsenzphase. Diese wurde aber bald wegen der steigenden Infektionszahlen durch Online-Lehre ersetzt.     

Wie Jenissa Terzic aus Potsdam will auch die 29-Jährige Vanessa Schuster beim digitalen Dialog mit der Kanzlerin auf das Thema finanzielle Unterstützung eingehen. Viele Hilfen kämen zu spät oder seien zu bürokratisch. Dabei müsste dem Staat der Wert einer guten akademischen Ausbildung nicht nur für Privilegierte doch bewusst sein. Schließlich sei die Wissenschaft eine wichtige Säule unseres Landes.

Nebenjob in Corona-Teststation

Julian Lüdtke aus Düsseldorf zeigt sich "ein wenig erstaunt", dass die Bundeskanzlerin im Moment Zeit findet, sich "so bürgernah" über die Probleme von vielen Studierenden zu informieren. Umso mehr freue er sich auf das Gespräch. Als Medizin-Student beschäftigt den 23-Jährigen die Pandemie auch in fachlicher Hinsicht. Neben den digitalen Vorlesungen an der Universität Düsseldorf verfolgt er die Berichte und Einschätzungen zur Pandemie mit großem Interesse.

Ganz direkt mit dem Thema kommt er auch bei seinem Nebenjob in der Corona-Teststation am Flughafen Düsseldorf in Berührung. Dort arbeitet er bis zu 20 Stunden in der Woche. "Für mich ist das im Moment eine gute Möglichkeit, mein Studium und einen Nebenverdienst sinnvoll miteinander zu vereinbaren", erklärt er.

Wertschätzung für die eigene Arbeit  

"Wir erfahren für unsere Arbeit auch viel Dank und Wertschätzung von Leuten, die sich testen lassen. Das ist ein schönes Gefühl". Allerdings könne er auch verstehen, wenn manche von dem Thema Corona genervt seien. Er sei jedenfalls froh, dass er auch durch den Nebenjob die Möglichkeit habe, sein Studium fortzusetzen - und ist sich sehr darüber bewusst, dass dies im Vergleich mit anderen Studierenden im Winter 2020 keine Selbstverständlichkeit ist.