Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

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Sehr geehrter Herr Präsident Rukwied,
sehr geehrte, liebe Ehrenpräsidenten,
sehr geehrte Frau Präsidentin Scherb – wo ist sie eigentlich? Ich habe sie noch nicht gesehen. – Nicht da? Na, das ist ja ein Ding. Ist was vorgefallen mit den Landfrauen? – Ich achte die Landfrauen sehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,
meine Damen und Herren,

ich will mit einem Satz beginnen, der uns, glaube ich, immer wieder in Erinnerung gerufen werden muss: Wir haben unseren Landwirtinnen und Landwirten außerordentlich viel zu verdanken. Denn sie sind maßgeblich daran beteiligt, dass wir alle unser tägliches Brot – im weiteren Sinne – auf dem Tisch haben. Mir ist es ein besonderes Anliegen, Ihnen klar und unmissverständlich die Botschaft zu überbringen – das tue ich auch im Namen unseres Landwirtschaftsministers, der hier ja noch seinen eigenen Auftritt haben wird –: Wir stehen zu Ihnen.

Warum? Ich glaube, dass wir uns glücklich schätzen können, dass es in unserem Land an einer breiten Palette qualitativ hochwertiger landwirtschaftlicher Produkte – und das heißt ja auch Lebensmittel – nicht mangelt. Jeder Gang in einen Supermarkt oder über einen Wochenmarkt genügt, um sich von der Vielfalt und der Frische der Erzeugnisse zu überzeugen. Ich kann hinzufügen: Auch Ökomärkte sind natürlich mit eingeschlossen. Ich habe immer die Politik verfolgt, die verschiedenen Arten der Produktion nicht gegeneinander auszuspielen. Für viele sind das breite Angebot und die Auswählmöglichkeit eine Selbstverständlichkeit. Aber ein Blick auf die Kette der Produktion zeigt, wie viel Arbeit dahintersteckt. Dafür stehen Sie, die Delegierten, heute stellvertretend für viele, viele andere. Deshalb möchte ich mich, Herr Rukwied, dafür bedanken, dass ich hier auf Ihrem Bauerntag sprechen kann.

Wenn wir uns auf der Welt umschauen, wissen wir ja, dass die Frage der Ernährung immer auch eine Frage des Wohlstands ist. In Deutschland geben die Menschen mit zehn Prozent im internationalen Vergleich einen relativ geringen Teil ihres Einkommens für Lebensmittel aus. In vielen anderen Ländern, auch in Europa, ist dieser Anteil höher. Es ist gut – das ist die gute Botschaft –, dass sich die allermeisten Menschen in unserem Land ihre Nahrungsmittel leisten können und niemand Hunger leiden muss. Wir wissen allerdings auch, dass es die Tafeln und anderes gibt, dass es also Menschen gibt, die Unterstützung brauchen.

Bezahlbares Essen und Trinken heißt natürlich, dass Geld auch noch für anderes bleiben kann. Ich sage aber auch: Niedrige Preise dürfen nicht dazu führen, dass die Produkte zum Schluss nicht mehr geschätzt werden und damit auch die dahinter stehende Arbeit. Die eigene Erfahrung mit zwei Tomatenpflanzen oder einer Reihe Kartoffeln im eigenen Garten zeigt ja, dass man lange arbeiten muss, um so marktfähig zu werden, dass man damit auch noch etwas verdienen kann. Das ist eben Spezialisierung.

Ich glaube, dass es richtig war, dass wir als Bundesregierung vor fünf Jahren einmal haben untersuchen lassen, wie viele Lebensmittel in Deutschland im Müll landen. In der Summe sind es pro Jahr rund elf Millionen Tonnen. Das heißt, jeder von uns wirft im Jahr 82 Kilogramm Brot, Obst und anderes weg. Ein Schluss daraus war die Kampagne "Zu gut für die Tonne!". Das ist ein Beitrag dazu, das Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln zu schärfen und dafür, wie viel Arbeit dahinter steckt. Es gibt sogar einen Bundespreis für gute Ideen dazu. Das ist sehr unterstützenswert.

Auf internationaler Ebene haben sich die Vereinten Nationen vor eineinhalb Jahren mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ein eigenes Ziel zur Nahrungsmittelverschwendung gesetzt, die weltweit bis 2030 halbiert werden soll. An diesem Beispiel zeigt sich, dass die Agenda 2030 wirklich eine globale Agenda für mehr Nachhaltigkeit ist. Wir setzen als Bundesregierung, weil wir ja selber unsere Umsetzungspläne machen müssen, auf Sensibilisierung und Information. Denn viele Menschen wissen wenig darüber, wie moderne Landwirtschaft aussieht und welchen Aufwand es bedeutet und welche Vorarbeiten notwendig sind, dass nicht nur ausreichendes, sondern auch gesundes Essen auf den Tellern landen kann.

Die Erwartungen der Verbraucher sind allerdings eindeutig. Die Größe der Ställe und die Nutztierhaltung insgesamt wird hinterfragt. Lebensmittel sollen umwelt- und ressourcenschonend erzeugt werden. Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung soll sinken. Natürlich sind diese Erwartungen nachvollziehbar. Aber ich sage ganz deutlich: Das ist null Komma null eine Rechtfertigung dafür, den bäuerlichen Berufsstand insgesamt an den Pranger zu stellen. Wir wehren uns absolut gegen unsachliche und pauschale Kritik, die sogar noch die Möglichkeit versperrt, über manches Thema in Ruhe miteinander zu sprechen.

Denn eines ist ja auch klar: Die Landwirtschaft – jeder von Ihnen, der einen Betrieb hat, weiß das – steht wie andere Branchen auch vor großen Herausforderungen und Veränderungen. Der Berufsstand muss sich wie auch andere Berufsstände immer wieder dieser Realität stellen. Aber wenn ich mir die Erwartungen an durchschnittliche Arbeitszeiten heute anschaue, dann ist das, was zum Beispiel die Tierhaltung anbelangt, natürlich etwas, das eine Verfügbarkeit das ganz Jahr über morgens und abends und an jedem Tag voraussetzt. Wenn man sich mit jungen Menschen unterhält, die landwirtschaftliche Berufe erlernen, dann merkt man, was für eine Liebe und ein Enthusiasmus dazu gehören, um diese Arbeit zu machen. Das muss von der Gesellschaft geachtet werden.

Die Ausrichtung der Tierhaltung ist ein Punkt, der uns natürlich weiter beschäftigen wird. Die Nutztierhaltung ist in Deutschland eine Hauptquelle für die Einkünfte in der Landwirtschaft. Fast 70 Prozent der Betriebe halten Vieh. Damit der Absatz weiter stimmt, brauchen wir Formen der Haltung, die akzeptiert werden. Dabei geht es insbesondere um Fragen des Tierwohls und des Tierschutzes. Um über diese Fragen zu diskutieren und um Sie zu unterstützen, hat die Bundesregierung die Initiative "Eine Frage der Haltung – Neue Wege für mehr Tierwohl" gestartet, über die Bundesminister Schmidt morgen ja auch berichten wird. Ziel ist es, über alle Lebensphasen der Tiere hinweg für bessere Haltungsbedingungen zu sorgen und das Verbrauchervertrauen zu stärken. Ein staatliches Tierwohl-Label soll helfen, tierschutzgerecht erzeugte Produkte zu erkennen, um Kaufentscheidungen auch bewusst treffen zu können.

Dieses Beispiel zeigt, dass wir alle miteinander gefordert sind, wenn wir etwas verändern oder verbessern wollen. Landwirtschaft, Politik und Konsumenten müssen zusammen an einem Strang ziehen. Die Last der Veränderung allein einem Berufsstand aufzubürden, ist nicht in Ordnung. Deshalb finde ich Ihr Motto "Gemeinsam Zukunft gestalten" absolut richtig. Ich betone das Wort "gemeinsam". Das spricht auch mich, das spricht auch die Bundesregierung an. Wir müssen mehr miteinander statt übereinander reden. Wir brauchen einen breiten Dialog darüber, wie die Landwirtschaft von morgen aussehen soll.

Wenn ich "wir" sage, dann meine ich als Erstes natürlich Sie als Landwirte, als diejenigen, die auch das entsprechende Wissen und die Kenntnisse haben. Ich kann Sie nur immer wieder ermuntern, ein modernes und realistisches Bild von der Produktion auf den Feldern und in den Ställen zu zeichnen – so wie Sie es auch bereits an vielen Stellen tun. Sie können glaubwürdig und sachkundig zeigen, wie Ihre Arbeit aussieht und wie Sie mit Herausforderungen umgehen. Sie haben überhaupt keinen Grund, sich zu verstecken, sondern können selbstbewusst zeigen, was Sie können und leisten.

Das ist zum Beispiel auch an der Tierhaltung zu sehen, bei der Sie verstärkt auf das Tierwohl schauen. Ställe ändern sich. Etwa drei Viertel der Milchkühe sind inzwischen so untergebracht, dass sie sich frei bewegen können. Antibiotika kommen seltener als früher zum Einsatz. Die Gesamtmenge hat sich zwischen 2011 und 2015 mehr als halbiert. Das zeigt: Sie als Landwirtinnen und Landwirte greifen die Minimierungsstrategie der Bundesregierung auf und setzen sie auch praktisch um. Das kommt Mensch und Tier oder Tier und Mensch gleichermaßen zugute, und deshalb sprechen wir auch von einem One-Health-Ansatz.

Diesen Ansatz gilt es natürlich nicht nur in Deutschland zu verfolgen. Deshalb bedanke ich mich auch ganz herzlich beim Landwirtschaftsminister, der im Rahmen unserer G20-Präsidentschaft – wir haben das auch im Rahmen der G7-Präsidentschaft gemacht – Pflöcke eingeschlagen hat. Die Agrarminister der G20-Staaten haben eine Erklärung verabschiedet, mit der sich die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer zu einem verantwortlichen Umgang mit Antibiotika in der Landwirtschaft verpflichten. Das ist ein Riesenfortschritt, denn durch einen reduzierten Einsatz verringern sich auch das Entstehen und Ausbreiten von Antibiotika-Resistenzen. Wir müssen sagen, dass das durchaus eine der großen Herausforderungen für die Menschheit ist.

Damit bin ich bei der zweiten Gruppe, der Politik, die ja auch hinter dem "wir" steckt. "Wir" – das sind die Landwirte auf der einen Seite und auf der anderen Seite auch die Politik. Wir wollen gemeinsam Verantwortung tragen und gemeinsam gestalten. Eine besondere Herausforderung für Sie – Herr Rukwied hat es am Anfang gesagt – war der Preisverfall 2016, der Milchbauern und auch Schweinezüchter besonders stark betroffen hat. Die Politik reagierte schnell. Wir – ganz besonders natürlich der Bundeslandwirtschaftsminister – haben versucht, Ihnen mit zwei Hilfspaketen unter die Arme zu greifen. Einiges davon lief auf europäischer Ebene, einiges auf nationaler Ebene. Die finanzielle Unterstützung für die deutsche Landwirtschaft in den Jahren 2016 und 2017 belief sich auf fast 600 Millionen Euro. Ich glaube, das kann sich sehen lassen.

Aber ich weiß aus meinem eigenen Wahlkreis und aus Gesprächen mit vielen Bauern, was für eine Sorge und was für ein Druck mit Preis- und Marktentwicklungen verbunden sind. Es geht ja auch darum, dass man ganze Phasen lang Verluste macht und dass es Jahre dauert, diese wieder auszugleichen. Leider haben auch einige aufgeben müssen; auch das dürfen wir an einem solchen Tag nicht vergessen. Aber wir haben versucht, hilfreich zu sein. Wir versuchen auch, Rahmenbedingungen verlässlich zu gestalten. Das betrifft zum Beispiel auch die Besteuerung von Agrardiesel. Wir halten an der Ermäßigung fest. Das bedeutet natürlich auch Rechtssicherheit für die landwirtschaftlichen Betriebe.

Es gilt, auch im Rahmen der Bereiche Umwelt und Klimaschutz möglichst viel Verlässlichkeit hinzubekommen. Die Landwirtschaft wirkt sich unmittelbar auf die Natur und das Landschaftsbild aus. Es ist ja auch ihre ureigene Aufgabe, Lebensmittel zu produzieren. Dazu werden Böden genutzt, Wasser, Energie, Dünger und anderes eingesetzt. Dabei treffen zwangsläufig verschiedene Ansprüche und Erwartungen aufeinander. Da gilt es, Produktivität und Qualität, Einkommensicherung und niedrige Preise sowie Umwelt-, Natur- und Klimaschutz immer wieder zusammenzubringen. Da gibt es natürlich auch Zielkonflikte – darum muss man gar nicht herumreden –, aber sie dürfen eben nicht einseitig zulasten einer Gruppe gelöst werden.

Es stellt sich auch die Frage, wie wir global den Herausforderungen begegnen können, wie wir nicht nur zu Hause Ernährung sichern, sondern auch weltweit Ernährungssicherheit schaffen können. Die Erdbevölkerung wächst rasant weiter. Mit der Agenda für nachhaltige Entwicklung 2030, die ich schon genannt habe, haben wir uns ehrgeizige Ziele gesetzt. Sie sehen auch an der Entwicklung und dem Druck der Migration aus afrikanischen Ländern, wie eng Ernährungssicherung und unser eigener Wohlstand miteinander verwoben sind. Wir sehen furchtbare Hungerkrisen. Ganze Landstriche in Afrika oder zum Beispiel auch im Jemen werden davon heimgesucht.

Wir als Bundesrepublik Deutschland versuchen als guter Partner unseren Beitrag zur Bekämpfung der humanitären Not zu leisten. Aber wir müssen vor allen Dingen auch den strukturellen Ursachen von Hunger und Armut begegnen. Wir müssen unsere Entwicklungshilfe sehr viel mehr als bisher auch als Zusammenarbeit für die wirtschaftliche Entwicklung in unterentwickelten Ländern sehen. Das heißt, wir müssen die Rahmenbedingungen für private Investitionen verbessern. Der Entwicklungsminister spricht von einem Marshallplan.

Wolfgang Schäuble, unser Finanzminister, hat einen "Compact with Africa" aufgelegt. Gerade auch unser Landwirtschaftsminister fühlt sich nicht nur der Landwirtschaft hierzulande verpflichtet, sondern auch woanders. Wir müssen natürlich auch für faire Handels- und Rahmenbedingungen eintreten. Arme Länder oder Länder, die aufsteigen, brauchen gute und auch für sie hilfreiche Handelsabkommen. Darüber wird in den nächsten Monaten zwischen der Europäischen Union und Afrika auch nochmals gesprochen werden.

Unser eigener Klimaschutzplan 2050 setzt uns ehrgeizige Ziele. Wir wissen: Wir müssen den Klimawandel bekämpfen. Aber die Klimaschutzpläne bei uns zu Hause sind auch schwer erstritten. Wir wollen sie auch im Dialog mit Ihnen weiterentwickeln, denn wir wissen, dass auch in der Landwirtschaft große Herausforderungen zu bewältigen sind.

Eine große Chance bergen moderne Technologien. Digitalisierung hält bei Ihnen Einzug. Die Landwirtschaft 4.0 eröffnet völlig neue Möglichkeiten, Umwelt- und Tierschutz sowie Wirtschaftlichkeit besser miteinander zu verbinden. Jeder von Ihnen weiß, wie weit die Digitalisierung bei Ihnen schon Einzug gehalten hat. Es gibt Melkroboter und Fütterungsautomaten. Die verschiedensten Daten der Tiere lassen sich individuell erfassen und auswerten. Auch das kann im Übrigen dem Tierwohl sehr gut dienen. Durch die sogenannte Präzisionslandwirtschaft und die Nutzung von GPS-Daten lässt sich zum Beispiel der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln optimieren.

Wie wichtig das ist, zeigt sich ja auch in der Diskussion über die Belastung der Böden und des Grundwassers. Es gilt natürlich, die Einträge von Stickstoffverbindungen zu reduzieren. Die Grundwasserqualität ist nicht überall gleich; sie ist zum Teil beeinträchtigt. Wir haben lange um das Düngepaket gestritten und gerungen, aber der Landwirtschaftsminister war ein guter Anwalt Ihrer Interessen. Ich glaube, wir haben jetzt gute Dinge auf den Weg gebracht. Vor allen Dingen will ich die neuen Regeln für die gute fachliche Praxis beim Düngen nennen. Die Änderungen helfen, dass die Nitratbelastung künftig unter den Grenzwerten bleibt. Danke dafür, dass Sie dabei auch mitgemacht haben.

Wenn man jetzt über die weitere Entwicklung der Landwirtschaft nachdenkt, dann fragen Sie sicherlich: Was wird mit Glyphosat? Da will ich Ihnen nur nochmals die Unionsposition nennen. Die Kommission hat ja jetzt eine Verlängerung vorgenommen. Ich weiß, dass diese Verlängerung nicht ewig ist. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Sie diesen Stoff da, wo es notwendig ist, auch weiterhin anwenden können. Ich will das hier noch einmal ausdrücklich sagen.

Wir sehen, dass auch die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020 auf der Tagesordnung steht. Günther Oettinger wird glücklicherweise morgen zu Ihnen sprechen und Ihnen seine Vorstellungen darlegen. Die Planung des Haushalts, die Finanzielle Vorausschau für die Zeit nach 2020, wird durch den Austritt Großbritanniens so etwas wie die Quadratur des Kreises – auch durch neue Herausforderungen für den EU-Haushalt zum Beispiel im Bereich Entwicklungszusammenarbeit, Migrationspartnerschaften und auch Sicherheit. Aber wir kennen Ihre Erwartungen. Ich will sagen, dass natürlich Umwelt-, Natur- und Klimaschutz, die Ressourceneffizienz und gesellschaftliche Akzeptanz wichtig sind. Aber wir stehen auch zu beiden Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik – zur ersten Säule und zur zweiten Säule.

Aus den Gesprächen, die ich jüngst in meinem Wahlkreis geführt habe, weiß ich, dass die zweite Säule dringend der Entbürokratisierung bedarf. Was da zu leisten ist und erfasst werden muss, ist schon beachtlich. Sie alle kennen Beispiele. Man muss sich davon wirklich berichten lassen, damit man weiß, wovon die Rede ist. Das muss auch anders gehen. Deshalb: Bringen Sie sich weiterhin aktiv in die Debatte ein. Ich begrüße, dass nicht nur der Deutsche Bauernverband, sondern auch viele Landwirtinnen und Landwirte die Chance genutzt haben, sich am Konsultationsprozess zu beteiligen.

In der Debatte um die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik ist, wie ich eben schon sagte, der Brexit natürlich ein Thema. Dass Großbritannien die EU verlassen will, wirkt sich auf die Finanzplanungen aus. Es hat aber auch viele andere Implikationen. Wer sich zum Beispiel mit dem Fischereigewerbe befasst, der weiß, dass mit dem Austritt Großbritanniens auch viele Fischereigebiete wahrscheinlich nicht mehr zum Binnenmarkt gehören werden.

Aber ich will Ihnen zu unserer Philosophie Folgendes sagen: Wir werden, soweit möglich, in freundschaftlicher Atmosphäre mit den Briten über den Austritt aus der Europäischen Union verhandeln. Aber wir müssen auch darauf achten, dass sich die 27 um ihre Zukunft kümmern. Denn so wie Ihre Branche der Transformation, den vielen Herausforderungen und Veränderungen ausgesetzt ist, so gilt das für alle Wirtschaftsbereiche. Es wäre fatal, wenn wir vor lauter Austrittsverhandlungen mit Großbritannien die Zukunft der 27 und ihre Gemeinsamkeiten aus dem Auge verlieren würden. Deshalb habe ich beim jüngsten Europäischen Rat gesagt: Das hat erst einmal Vorrang für uns; und das andere machen wir. Das ist aber keine Wunschveranstaltung. Das ist eine Entscheidung der Briten. Das werden wir so tun, dass wir hinterher in guter Partnerschaft miteinander leben können. Das andere ist unsere eigene Zukunft; und darum müssen wir uns kümmern.

In diesem Sinne bitte ich Sie auch, dass Sie sich in diese Diskussion einbringen. Sie sind sozusagen der Nukleus dessen, was wir gemeinhin die ländlichen Räume nennen. Wir werden im Prozess der Erarbeitung unseres Regierungsprogramms für die nächsten vier Jahre nochmals daran erinnern, dass es einen Passus in unserem Grundgesetz gibt, der von der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland spricht. Allein mit dem Hinweis, dass es schön ist, wenn man abends den Sonnenuntergang verfolgen kann und morgens den Sonnenaufgang, ist die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse noch nicht hergestellt – wenngleich ich in der Stadt solche Erlebnisse manchmal vermisse. Aber es gehört mehr dazu. Daseinsvorsorge ist eben auch für die ländlichen Räume notwendig. Deshalb sind das Leitbild der Bundesregierung ländliche Räume, die überall in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse bieten.

Das bedeutet, dass wir zum Beispiel die sogenannte "Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz" zur "Gemeinschaftsaufgabe Ländliche Entwicklung" fortentwickelt haben. Wir werden strukturschwachen Gebieten verstärkt Infrastrukturinvestitionen ermöglichen und auch Kleinstbetriebe außerhalb der Landwirtschaft unterstützen. Das erstreckt sich im Grunde von den Einkaufsmöglichkeiten über die ärztliche Versorgung und Schulversorgung bis zu einer anständigen Breitbandversorgung. Minister Dobrindt hat für letzteres vier Milliarden Euro zur Verfügung. Die Gelder sind auch vergeben. Das Bundesland, in dem mein Wahlkreis liegt, Mecklenburg-Vorpommern, hat gleich sehr zugeschlagen – darauf bin ich stolz – und viele Mittel gebunden. Aber ich weiß, dass auch hierbei die Ausschreibungsfristen – europaweit; technologieneutral – ziemlich lang sind. Das heißt, zwischen der Vergabe des Fördermittelbescheids und der Erfahrung, ans schnelle Internet angebunden zu sein, vergeht ein Stückchen Zeit. Aber wir werden unser Ziel erreichen, 2018 jeden Haushalt mit 50 Megabit pro Sekunde angeschlossen zu haben. Wir werden auch die Gewerbegebiete in den ländlichen Räumen anschließen. In der nächsten Legislaturperiode werden wir die Schulen anschließen.

Ich höre ja schon das Grummeln. Ich habe die Telekom und alle Netzanbieter neulich auch scharf befragt, ob wir das wirklich schaffen. Wir werden bis 2023/2025 100 Milliarden Euro in diesen Bereich investieren und dann auch in den Gigabitbereich vorrücken, was für die Telemedizin und andere Anwendungen natürlich dringend erforderlich ist. Aber da ich öfter einmal durch die Uckermark fahre, weiß ich auch, wie schön es ist, dort irgendwo auf der Landstraße telefonieren zu können. Ich kenne mich also in der Realität auch aus, keine Sorge.

Wir haben auch das Bundesprogramm "Ländliche Entwicklung" mit 55 Millionen Euro aufgelegt. Heimat – das kann eine Stadt sein, aber das kann – und das ist es für mindestens die Hälfte der Menschen in Deutschland – auch der ländliche Raum sein. Selbst im ländlichen Raum unterscheiden sich die Bedingungen heute teils sehr stark, sei es in Vorpommern oder im Sauerland. Auch da können wir nicht alles über einen Leisten schlagen. Bei den einen herrscht Fachkräftemangel, bei den anderen Ärztemangel. Wir haben es mit ganz unterschiedliche Gegebenheiten zu tun. Wir wollen uns dem stellen.

Allerdings ist der ländliche Raum ohne landwirtschaftliche Betriebe, ohne landwirtschaftliche Wertschöpfung für mich schlechterdings nicht vorstellbar. Ich denke auch, dass es keine ehrliche Diskussion wäre, auf der einen Seite regionale Lebensmittel haben zu wollen, und auf der anderen Seite überall da, wo sie produziert werden, Fragezeichen anzubringen. So kann man nicht miteinander zusammenleben. Deshalb finde ich Ihre Strategie, dass wir diese Herausforderung gemeinsam annehmen, absolut richtig.

Grüßen Sie bitte ganz herzlich all diejenigen, die an diesem Bauerntag nicht teilnehmen können. Es ist ja eigentlich auch nicht die bauerntagfreundlichste Jahreszeit. Aber irgendwie werden Sie es schon hinbekommen haben. In diesem Sinne: Alles Gute und auf weitere gute Zusammenarbeit.