Rede des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel,

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Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Als ich vor drei Jahren mein Amt antrat, lautete der damalige Befund von OECD-DAC: Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit boxt nicht in ihrer eigentlichen Gewichtsklasse.

Seitdem haben wir die größte Strukturreform in der Geschichte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt. Der Aufbau der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ist abgeschlossen. Wir werden in den nächsten Wochen das neue Evaluierungsinstitut offiziell eröffnen. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit stellt sich damit erstmals einer unabhängigen Kontrolle. Außerdem haben wir die Liste der Kooperationsländer nochmals gestrafft. Das alles sind Maßnahmen, durch die unsere Arbeit wesentlich effizienter wird; denn Entwicklungszusammenarbeit ist Verantwortung – Verantwortung durch Deutschland in der Welt, aber auch Verantwortung für Deutschland bei uns zu Hause.

Mit dem Auswärtigen Amt findet jetzt wieder eine richtige Zusammenarbeit statt. Wir reiten keine roten Ressortrivalitäten mehr, sondern Guido Westerwelle und ich bringen gemeinsam wichtige Projekte voran. Wir haben zwischen unseren Häusern endlich Klarheit bei der humanitären Hilfe geschaffen, und wir haben das BMZ gestärkt durch eine größere Präsenz in unseren Kooperationsländern. Wir wollen die Kraft nicht verschwenden im Gerangel zwischen Ministerien, sondern wir wollen alle Kraft einsetzen für eine Steigerung der Wirksamkeit unserer Entwicklungszusammenarbeit.

Kurzum: Mit mir hat die deutsche Entwicklungszusammenarbeit den Aufstieg in die höchste internationale Spielklasse geschafft. In dieser Klasse kämpfe ich weiter für mehr Demokratie, mehr Bildung, mehr Engagement, mehr Wirtschaft, mehr Sichtbarkeit und mehr Wirksamkeit.

Mit dem Haushalt 2013 behalten wir diese Prioritätensetzung des Koalitionsvertrags bei. Mit Ihrer Unterstützung haben wir für das BMZ einen Rekordhaushalt nach dem anderen auf den Weg gebracht. Für 2013 werden 6,42 Milliarden Euro im Regierungsentwurf veranschlagt. Besonders interessant ist, zu wissen: 67 Prozent dieser Mittel sind investiver Natur. Der BMZ-Haushalt ist der zweitgrößte Investitionshaushalt des Bundeshaushalts. Je nachdem, in welchem Sektor man einen Euro investiert, fließen ohne Lieferaufbindung im fairen Wettbewerb drei bis vier Euro in die deutsche Wirtschaft zurück. Auch das ist wichtig, zu wissen.

Darüber hinaus haben wir gemeinsam beschlossen, die Personalausstattung des BMZ so zu verbessern, dass die Voraussetzung für eine effektivere entwicklungspolitische Steuerung im Sinne von mehr Qualität und mehr Wirksamkeit geschaffen werden kann. Ich danke allen Abgeordneten, die mich bei diesem wichtigen Unterfangen unterstützt haben. Es ist eine wichtige Bringschuld gegenüber jedem Steuerzahler in Deutschland. Ich danke der Frau Bundeskanzlerin, die wiederholt das Erreichen des 0,7-Prozent-Ziels zu ihrer eigenen Sache gemacht hat und die auch ganz persönlich ein großes Engagement in Fragen der Entwicklungspolitik zeigt.

Deutschland ist zweitgrößter Geber in der bilateralen Entwicklungskooperation weltweit, und das trotz einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa. Das sollte – gerade weil Deutschland hier besonders viel abverlangt wird – uns alle in diesem Hause, aber auch in der Bevölkerung stolz machen.

Wir wissen aber: Staatliche Mittel alleine reichen nicht aus. Wir brauchen auch das Engagement der Bürgerinnen und Bürger; sie sollen sich ausdrücklich engagieren können. Mit „Engagement Global“ geben wir ihnen eine Anlaufstelle, wo ihnen das jetzt ermöglicht wird.

All diejenigen, die im Hohen Hause gerade mit ihrem Handy arbeiten, weil sie vielleicht auf die Entscheidung aus Karlsruhe warten, können gleich eine Telefonnummer eintippen, unter der sie ihr Engagement anmelden können; zum Beispiel für das Engagement ihrer erwachsenen Kinder bei „weltwärts“ oder für eigenes Engagement in einer Städtepartnerschaft, in einem Verein oder vielleicht, Herr Kollege Erler, für ein Engagement im Senior Experten Service.

Wir haben gerade den zehntausendsten Senior hinaus in die Welt geschickt, um Hilfe zu leisten. Ich glaube, manch einen von Ihnen würde ich auch gerne hinausschicken. Die Nummer lautet: 0228-260900. Diese Nummer sollten Sie sofort eintippen.

Dieses Angebot wird ankommen. Die Menschen werden es nutzen, insbesondere weil wir die besondere Förderung des entwicklungspolitischen Engagements von Kommunen weiter ausbauen werden.

Darüber hinaus setzen wir ganz klare Anreize, damit sich die Wirtschaft mit ihrem Geld und ihrer Expertise mehr für nachhaltige Entwicklung engagiert, als das bisher schon der Fall ist. Das wirkt doppelt. Wir mobilisieren zusätzliche Kräfte und Finanzmittel, und wir verankern die Entwicklungszusammenarbeit noch mehr in der Mitte der Gesellschaft.

Afrika bleibt unser regionaler Schwerpunkt. Hier sehen wir die größten Herausforderungen, aber ausdrücklich auch die größten Chancen. Deshalb setzen wir uns für eine große gemeinsame Afrika-Initiative ein. Mit ressourcenreichen Entwicklungsländern streben wir weitere Rohstoffpartnerschaften an, die in beiderseitigem Interesse liegen. Sie versorgen unsere Wirtschaft mit den nötigen Rohstoffen, wir sorgen im Gegenzug durch Transparenz dafür, dass die Erlöse zum Wohle der Bevölkerung in unseren Entwicklungspartnerländern eingesetzt werden.

In unserem Zehn-Punkte-Programm zur ländlichen Entwicklung und Ernährungssicherung verzahnt die Bundesregierung über ein abgestimmtes Vorgehen von Auswärtigem Amt und BMZ effektive Nothilfe und langfristig wirksame Vorsorgemaßnahmen, sei es in Dadaab in Kenia, im krisengeschüttelten Mali oder ganz aktuell in Za’atari in Jordanien.

Ich habe diese Camps besucht. Sie alle kennen die Bilder; das Leid der Menschen ist fast unerträglich. Hier leistet Deutschland Soforthilfe mit Nahrungsmitteln oder unterstützt die Trinkwasserversorgung. Gleichzeitig aber arbeiten wir bereits an nachhaltigen Perspektiven für die Betroffenen. Auch deshalb habe ich die E-10-Debatte angestoßen. Ich freue mich sehr darüber, dass die Europäische Union jetzt nachgezogen hat, um diesen Flächenkonflikt zwischen Tank und Teller für die Zukunft zu minimieren. Wenn hier Subventionen abgebaut werden, wenn hier starre Beimischungsquoten abgesenkt werden, wenn hier die nächste Generation von Biomasse als Energieträger dafür sorgt, dass die Früchte für die Nahrungssicherstellung gebraucht werden und die Reste für die Energieerzeugung genutzt werden, dann sind wir auf einem guten Weg und dann hat sich diese Debatte gelohnt.

Wir machen Schluss mit Hilfe, die Abhängigkeiten verstärkt. Dafür und für eine bessere Einbindung der Wirtschaft haben wir uns in Busan erfolgreich eingesetzt. Außerdem machen wir endlich Schluss mit dem Schubladendenken und entwickeln ganzheitliche Ansätze, die zugleich nachhaltig sind. Wir haben uns international für den Zusammenhang, also für den Nexus zwischen Wasser-, Energie- und Ernährungssicherung, eingesetzt und befinden uns hier weltweit in einer Vorreiterrolle.

Wir schauen auch nicht mehr weg, wenn internationale Organisationen Gelder ineffizient einsetzen. So haben wir entschlossen durchgegriffen beim Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, was mir manche Kritik vonseiten der SPD eingebracht hat. Aber jetzt gibt es dort solidere Strukturen, bei denen Mittelfehlverwendungen weitgehend ausgeschlossen sind. Jetzt können wir im nächsten Haushaltsjahr tatsächlich wieder 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Wir sind unseren Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern schuldig, dass wir diese Gelder richtig einsetzen.

Sie können noch so sehr krähen, Herr Raabe: Wir brauchen in der Entwicklungszusammenarbeit keine Bußprediger im Armani-Anzug, sondern wir brauchen effiziente Strukturen.

In der EU kämpfe ich für mehr Effizienz und strengere Standards, und zwar erfolgreich. In der „Agenda for Change“ ist es gelungen, die Entwicklungszusammenarbeit nach Wirksamkeit auszurichten. Die Budgethilfe wird nur noch nach Menschenrechtskriterien und Menschenrechtsstandards vergeben. Das zeigt, dass wir auch international unser Menschenrechtskonzept von 2011 effizient und wirksam umgesetzt haben. Menschenrechte sind und bleiben das Leitprinzip unserer Entwicklungszusammenarbeit.

Wir wollen Armut reduzieren, Menschen mobilisieren und Eigeninitiative und Innovationskraft freisetzen. Das ist unser Verständnis von einer wirksamen Entwicklungszusammenarbeit. Der Haushaltsentwurf 2013 für den Einzelplan 23 schreibt die Forderungen aus dem Koalitionsvertrag fort. Wir sind bei der Lieferung auf dem richtigen Weg. Wir setzen um, was diese Koalition sich für diese Legislaturperiode vorgenommen hat.