Rede des Bundesministers für Gesundheit, Jens Spahn,

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Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Frau Bundeskanzlerin hat eines gestern zu Beginn ihrer Rede zu Recht gesagt: "Jeder redet über das, was er für richtig hält." Soll ich Ihnen sagen, was ich für richtig halte, wenn ich an die Gesundheitspolitik denke? Dass wir an die vielen Millionen Menschen denken, die jeden Tag in Krankenhäusern, in Arztpraxen, in Pflegeheimen Kontakt mit diesem Gesundheitswesen haben, dass wir an die 3,3 Millionen Menschen denken, die pflegebedürftig sind, und an ihre vielen Millionen Angehörigen, dass wir an die 5,5 Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen denken, die jeden Tag zur Arbeit gehen und Großes leisten, dass wir an die eine Million Pflegekräfte denken. An die denke ich zuerst, wenn ich an Gesundheitspolitik denke. Ich weiß nicht, wo da Ihr Schwerpunkt ist.

Wissen Sie, Sie von der AfD machen das ziemlich perfide: Sie beschweren sich den ganzen Tag darüber, dass nur über Flüchtlinge geredet würde, und dann schaffen Sie es, morgens um neun Uhr in der Gesundheitsdebatte als Erstes nur über Flüchtlinge zu reden. Dann ruft Herr Baumann hier noch hinein: "Die eigenen Leute interessieren Sie hier nicht!" Wenn man Ihnen genau zuhört, fragt man sich, ob Sie überhaupt noch eine Idee davon haben, was die allermeisten Bürgerinnen und Bürger tatsächlich interessiert, wenn es um Gesundheits- und Pflegepolitik in diesem Land geht. Sie haben keine Ahnung, worum es den allermeisten Menschen geht.

Es geht darum, dass wir ein Gesundheitswesen, das jeden Tag Großes leistet und ein großes Versprechen abgibt – 82 Millionen Menschen haben Zugang zu medizinischer Versorgung; das gibt es so in keinem anderen Land der Welt –, da, wo es im Alltag nicht so gut ist, wie es sein sollte – das ist es ohne Zweifel an bestimmten Stellen –, konkret besser machen, indem wir über diese Themen reden und Vertrauen zurückgewinnen. Damit haben wir in den ersten gut acht Monaten auch gut begonnen.

Wir haben das Versichertenentlastungsgesetz hier im Bundestag nach zweiter und dritter Lesung beschlossen. Über 50 Millionen Menschen – Beitragszahler, Arbeiter, Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner und übrigens auch Selbstständige – profitieren von diesem Gesetz. Sie haben netto mehr in der Tasche. Das stelle ich in den Mittelpunkt der Politik. In guten Zeiten sollen die, die den Laden am Laufen halten, auch was davon haben.

Wir haben gleichzeitig Geld und Rücklagen und damit die Möglichkeit, etwas in der Pflege zu tun. Die Pflegekräfte spüren nämlich jeden Tag, dass es zu oft nicht so ist, wie es sein sollte. 13.000 neue Pflegestellen in der Altenpflege und in den Krankenhäusern sind ein echter Paradigmenwechsel. Jede zusätzliche Pflegestelle wird finanziert. Wir investieren ins Digitale und in die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Von diesen 13.000 Pflegestellen kommt in jedem Wahlkreis, bei jedem vor Ort und in jedem Krankenhaus etwas an.

Das sind die konkreten Themen, die die Menschen interessieren: wie es den Pflegekräften geht, wie es den Patienten geht, wie es den Pflegebedürftigen geht. Wir haben das Gesetz hier in zweiter und dritter Lesung beschlossen; es tritt am 1. Januar 2019 in Kraft. So machen wir Gesundheits- und Pflegepolitik.

Digitalisierung: Die elektronische Patientenakte ist in der Beratung und wird spätestens ab 2021 für alle verfügbar sein.

Telemedizin: Ich war gestern im ländlichen Raum in Thüringen. Gerade auch im ländlichen Raum beschäftigt es wahnsinnig viele Menschen, wie sie in Zukunft an der Versorgung teilhaben können, und die Telemedizin kann einen enormen Beitrag dazu leisten. Darauf legen wir insgesamt einen großen Fokus – auch im Haushalt. Ich bin den Haushältern sehr dankbar für diese zusätzlichen Mittel, die es zum Ende der Beratungen im Haushalt gab.

Wissen Sie, warum? Weil wir erstens Digitalweltmeister werden müssen, um Wirtschaftswachstum zu haben und unseren Wohlstand zu erhalten. Es geht aber um mehr als nur um das Bruttoinlandsprodukt. Es geht zweitens darum, dass Innovationen, Forschung und Digitales im Gesundheitswesen Leiden mindern helfen. Soll ich Ihnen sagen, wie? Indem wir zum Beispiel – das wollen wir mit dem Geld – Daten in der Krebsforschung besser auswerten und die Versorgungsdaten nutzen, um Krebsbehandlungen besser zu machen, Krebs zu besiegen, HIV und Polio auf der Welt auszurotten und die Versorgung der Diabetes-Patienten zu verbessern. Das wollen wir mit dem Digitalen erreichen. Wir wollen Fortschritt, um das Leben besser zu machen. Diese Geschichte sollten wir öfter erzählen. Darum geht es, wenn wir so mutig und schnell an das Thema Digitales herangehen.

Wir haben einen Gesetzentwurf für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung vorgelegt. Ich erwähne nur Valsartan und den Skandal in Bottrop rund um eine Apotheke. Oder was war mit Lunapharm in Brandenburg? Viele fragen sich zu Recht: Wie reagiert die Politik darauf? Wir reagieren, indem wir sagen: Wir stärken die Aufsichtsbehörden, wir kommen zu mehr Kontrollen, wir schützen die Patienten. Die Versicherten, die Patienten in Deutschland müssen sich darauf verlassen können, dass Medikamente ihnen helfen und nicht schaden. Dafür ist dieser Gesetzentwurf da, und wir sind sehr konkret in der Beratung.

Und wissen Sie was? Auch die 10.000 Menschen, die jeden Tag auf ein Organ warten – eine Niere, ein Herz, eine Leber – und voller Hoffnung und voller Verzweiflung sind, hätten es verdient, dass Sie zumindest mit einem Satz einmal erwähnen, wie wichtig es ist, dass wir aktuell über einen Gesetzentwurf beraten, bei dem es um die Verbesserung der Abläufe in den Kliniken geht, um eine bessere Organisation und Finanzierung. Wie wäre es, wenn Sie einmal über diese 10.000 Menschen statt immer nur über das eine Thema reden würden? Die hätten es auch verdient.

So gehen wir daran, Thema für Thema. Wenn wir nach den ersten acht Monaten eine Bilanz ziehen, dann können wir sagen: Wir haben schon viel erreicht. Aber es ist ja nicht vorbei. Wir haben tatsächlich noch Weiteres vor. Dabei geht es auch um eine Grundsatzdebatte über die Frage – da bin ich ja bei Frau Klein-Schmeink – dass wir nämlich wahrnehmen, dass wir gerade in guten Zeiten sind. Wissen Sie, ich bin als Gesundheitsminister ein großer Freund guter Wirtschaftspolitik. Soll ich Ihnen sagen, warum? Weil all das, was wir in der Gesundheits- und der Pflegepolitik an Spielräumen haben, all das, was wir gerade an Verbesserungen machen, erst einmal erwirtschaftet werden muss.

Deswegen ist mir eines ganz wichtig: dass wir in der Gesundheits- und Pflegepolitik immer auch im Blick haben, wie wir mithelfen können, dass es beim Wirtschaftswachstum bleibt. Deswegen haben wir auch die Lohnnebenkosten im Blick und senken die Beiträge da, wo es nötig ist. Wir wollen Wettbewerbsfähigkeit erhalten, um Spielräume für gute Gesundheits- und Finanzpolitik zu haben.

Zu Ihren Fragen, Frau Kollegin Klein-Schmeink: Erster Punkt, ist – ja, da bin ich bei Ihnen, um das noch einmal ausdrücklich zu sagen, weil das ein ganz wichtiger Punkt ist – die Bezahlung. In der Pflege war das erst der erste Schritt. Wir müssen bei der Verbesserung weitere Schritte gehen. Eines ist mir echt wichtig: dass wir in der Altenpflege regelhaft zu einer besseren Bezahlung kommen. Es kann nicht richtig sein, dass ein Altenpfleger, eine Altenpflegerin in zu vielen Regionen in Deutschland 500, 600, 800 Euro weniger als ein Krankenpfleger, eine Krankenpflegerin verdient. Deswegen werden wir dieses Thema angehen. Danke, dass Sie mir die Gelegenheit geben, das noch einmal klarzustellen.

Zweitens: die Frage der Finanzen. Uns unterscheidet da eines. Ich schaue nicht darauf, wie die Situation nächstes Jahr ist. Nächstes Jahr bekommen wir das hin. Ich möchte, dass wir eine Debatte darüber führen, wie das Ganze in den nächsten zehn oder 20 Jahren sein soll, damit für die jüngere Generation die Sozialversicherung nicht zu sozialer Verunsicherung führt. Die Frage ist: Können wir uns das in den 30er Jahren überhaupt noch leisten, wenn jedes Jahr – jedes Jahr! – doppelt so viele Menschen in Rente gehen, wie junge Menschen aus den Schulklassen in das Arbeitsleben nachkommen? Deswegen braucht es eine Debatte, in der man es wagt, diese Fragen zu stellen.

Wissen Sie, was Sie von den Linken ständig machen und Sie von den Grünen im Übrigen auch? Sie machen: Im Himmel ist Jahrmarkt. Sie versprechen ständig allen alles und wollen keine schwierigen Debatten führen. Sie wollen in der Rente nicht über das Renteneintrittsalter reden. Sie wollen nicht darüber reden, wie wir bei den sozialen Sicherungssystemen zu einer besseren Vorsorge kommen. Sie wollen nicht darüber reden, wie wir bei den sozialen Sicherungssystemen Familien entlasten, um zu einem fairen Ausgleich zu kommen. Ich stelle mich diesen Debatten, auch wenn es Kritik gibt, weil ich glaube, dass wir Lösungen nur finden werden, wenn wir debattieren, und nicht, wenn wir allen alles versprechen. Das unterscheidet uns eben im Konzept und im Ansatz.

Deswegen geht es kurzum darum, dass wir wertschätzen, was wir mit diesem Gesundheitswesen haben, das jeden Tag viel leistet. Es geht darum, dass wir Probleme im Alltag konkret lösen und das Leben Schritt für Schritt besser machen. Es geht darum, dass wir auch bei den grundsätzlichen Fragen und Herausforderungen, vor denen wir stehen, größer denken.

Wenn wir das alles machen – davon bin ich fest überzeugt –, dann wird es uns auch gelingen, Vertrauen zurückzugewinnen.