Rede des Bundesministers für Gesundheit, Hermann Gröhe,

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Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen!

Unser Präsident hat in gewohnt heiterer Weise einen sehr ernsten Hinweis, nämlich dass wir dankbar dafür sein können, uns in Freiheit zu streiten, aufgenommen. Ich finde, es sollte immer wieder daran erinnert werden: Wir streiten uns – manches eint uns –, aber das tun wir immer mit der Kraft des Arguments und aufgrund der Mehrheit, mit der uns die Wählerinnen und Wähler ausgestattet haben, und wir brauchen keine Sorge vor Repressalien haben, die in anderen Ländern der Welt notwendige Debatten erst gar nicht möglich machen.

Im Beitrag der Kollegin Scharfenberg ist eines deutlich geworden: Das Fundament, auf dem wir streiten, ist, dass wir gemeinsam den Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen und den Pflegekräften den Rücken stärken wollen. Es ist Aufgabe der Opposition, zu mahnen und zu drängen. Unsere Aufgabe ist es, zu handeln. Ich sage sehr selbstbewusst: In dieser Legislaturperiode ist so viel wie in keiner zuvor für die Pflege getan worden.

Ab 1. Januar dieses Jahres wurde der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff umgesetzt. Endlich gibt es gleichberechtigten Zugang zu allen Leistungen der Pflegeversicherung auch für demenziell Erkrankte. Zehn Jahre lang wurde darüber gestritten. Noch in dieser Legislaturperiode hat die Opposition im Zusammenhang mit dem Pflegestärkungsgesetz I behauptet: "Das Pflegestärkungsgesetz II wird nie kommen." Am 1. Januar 2017 ist es Realität geworden.

Auch über die Pflegeberufereform diskutieren wir seit zehn Jahren. Deswegen ist es originell, dass mancher zwischen den Argumenten "zu viel Zeit gelassen" und "übers Knie gebrochen" pendelt. Seit zehn Jahren diskutieren wir über die Frage, ob es nicht angemessen ist – und ich bejahe dies eindeutig –, die Pflegeberufe in einem einheitlichen Berufsbild – bei Vertiefung in speziellen Bereichen in konkreten Tätigkeitsfeldern – zusammenzuführen, weil es die Berufe aufwertet und weil es die Einsatz- und Aufstiegsmöglichkeiten unserer Pflegekräfte erhöht. Darin weiß ich mich von vielen aus der Pflegebranche unterstützt.

Die Kollegin von der Linken spricht von einem Koalitionsstreit. Sie fordern eine zweite Anhörung. Mit Verlaub: Hätten Sie doch bei der ersten schon zugehört, dann wüssten Sie, dass es nicht um ein Hakeln in der Koalition geht, sondern dass diese umfassende Ausbildungsreform mit ganz vielen Hoffnungen und auch mit Sorgen verbunden ist, Sorgen zum Beispiel der privaten Arbeitgeber – das haben Sie eindrucksvoll unterstrichen – und Hoffnungen zum Beispiel der Wohlfahrtsverbände, des Pflegetags und des Pflegerats. Jeder artikuliert hier die Sorgen und zitiert die Verbände, denen er sich besonders nahe fühlt. Ich habe beim Pflegetag einen großen Rückenwind, übrigens nicht nur in Bezug auf die Generalistik, sondern ausdrücklich auch für den Kompromiss erfahren.

Ich will mit Dank an die Kollegen Nüßlein und Lauterbach auch sagen, dass ich es für richtig halte, dass in dieser Weise nach einem Kompromiss gesucht, ja gerungen wurde, der das Ziel hat, die Hoffnungen wie die Sorgen ernst zu nehmen. Wir wollten nicht rechthaberisch fragen, wer denn nun mit seinen Hoffnungen recht hat, sondern haben gesagt: Die jungen Leute, die eine Ausbildung beginnen, sind Expertinnen und Experten für ihren eigenen Lebensweg. Sie werden – da bitte ich Sie, sich die Regelungen zum Wahlrecht noch einmal anzusehen – beginnen mit einer gemeinsamen Ausbildung und werden dann nach einer Vertiefung in Alten- und Kinderkrankenpflege nach zwei Jahren die Möglichkeit haben, selbst zu entscheiden, ob sie den Abschluss in der Kinderkranken- und Altenpflege oder den generalistischen Abschluss mit einem Vertiefungsschwerpunkt wählen. Wir legen dies in die Hand der jungen Leute. Wir werden uns nach einigen Jahren ansehen, wie die Erfahrungen damit sind, dann wird der Bundestag erneut entscheiden. Ich glaube, das ist eine gute Lösung, eine Lösung, die Vertrauen zu denjenigen aufbaut, die wir für einen Pflegeberuf gewinnen wollen.

Ich bin in der Tat davon überzeugt, dass wir die Attraktivität der Berufe umfassend stärken, und zwar nicht nur durch die Generalistik, den erweiterten Einsatz und die Aufstiegsmöglichkeiten. Ich nenne beispielhaft, weil gerade von Wertschätzung für die Pflege die Rede war, § 4, in dem es um vorbehaltene Tätigkeiten geht. Erstmalig entsprechen wir mit diesem Gesetz dem klaren Grundsatz: Pflegen kann nicht jeder. Es wird klar, dass bestimmte Tätigkeiten nur ausgebildeten Fachkräften vorbehalten sind. Das ist ein deutliches Zeichen der Wertschätzung und steht in dieser Klarheit erstmalig in diesem Gesetz.

Ein weiterer Punkt: Wir wollen die praktische Ausbildung stärken. Deswegen gibt es erstmalig eine klare Regelung zur Praxisanleitung. Das heißt, der Auszubildende wird eben nicht allein in der Arbeit eingesetzt und soll sich dort bewähren, sondern er erhält durch Fachkräfte eine Praxisanleitung. Das ist ein großer Fortschritt hin zu einer besseren Berufsausbildung.

Es ist ein Aberwitz – das ist schon angesprochen worden –, dass wir uns angesichts des Mangels von Arbeitskräften in der Altenpflege in einigen Bundesländern noch Schulgeld leisten. Das gehört dann endlich der Vergangenheit an. Das ist ein wichtiger Schritt.

Ich sage sehr deutlich: Die Debatte muss weitergehen. Wir haben im Gesundheitswesen auch andere Mangelberufe; ich denke an Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden. Wir haben gestern im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz mit den Ländern darüber gesprochen. Es bleibt wahrlich genug Arbeit zu tun. Wie gesagt: In Mangelberufen des Gesundheitswesens sollte Schulgeld endlich der Vergangenheit angehören.

Schließlich ergänzen wir die starke Berufsausbildung, die wir mit diesem Gesetz schaffen, um eine aus der Pilotphase in den Regelbetrieb überführte hochschulische Pflegeausbildung, die an die Seite der Berufsausbildung tritt und deren Ziel es ist, die Erkenntnisse der Pflegewissenschaften in den Pflegealltag hineinzutragen und so zu einer guten Verbindung nicht zuletzt für hochkomplexe Pflegebedarfe, für Leitungsaufgaben und so weiter zu kommen. Auch das ist ein starkes Signal, dass wir in der Pflege die Berufs- und Betätigungsfelder deutlich ausweiten.

Wir haben natürlich nie behauptet – Kollegin Scharfenberg, da muss ich Ihnen widersprechen –: Das ist der eine Weg, der den Fachkräftemangel behebt. Aber erstens haben wir heute einen Ausbildungsrekord in der Alten- und Krankenpflege. Das ist eine gute Nachricht. Das zeigt, wie viel Solidarität in dieser Gesellschaft steckt, wie viele Menschen in diesem Bereich tätig werden wollen. Zweitens ist diese Ausbildungsreform eingebettet in eine umfassende Politik: Wir haben in dieser Legislaturperiode die Zahlung von Tariflöhnen gestärkt; zusätzliche Betreuungskräfte werden eingesetzt; am 1. Januar dieses Jahres wurden in elf Bundesländern bessere Personalschlüssel eingeführt; wir bringen Personalbemessungsverfahren in Kranken- und Altenpflege und Mindestpersonalvorgaben auf den Weg. Im nächsten Jahr soll die Einigung in der Krankenpflege erfolgt sein. Die Schlüsselverbesserungen in der Altenpflege sind zum Jahresbeginn in Kraft getreten. Also: Dieses Konzept ist ein Baustein, eingebettet in eine Politik, die sich fest dem Ziel verschrieben hat, die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte in unserem Land nachdrücklich zu stärken.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu diesem guten Gesetz.