Rede des Bundesministers des Auswärtigen, Heiko Maas,

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Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine Damen und Herren Abgeordnete!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Syrien-Konflikt geht mittlerweile in sein achtes Jahr. Weit über 400.000 Menschen sind ums Leben gekommen. Millionen Syrer mussten ihre Heimat verlassen; ein nicht unerheblicher Teil dieser Menschen ist zu uns gekommen.

Aus zunächst friedlichen Demonstrationen im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings wurde ein Bürgerkrieg und schließlich ein Konflikt mit mittlerweile internationaler Dimension. Dieser Konflikt und das unermessliche Leiden der davon betroffenen Menschen sind eine Bewährungsprobe für die internationale Gemeinschaft. Bisher haben die internationalen Mechanismen zur Konfliktlösung versagt – nicht anders kann man das bezeichnen. Ansonsten wäre auch das militärische Eingreifen Frankreichs, der USA und Großbritanniens nicht erforderlich gewesen.

Das Assad-Regime hat in der Vergangenheit nachweislich und wiederholt Chemiewaffen gegen die eigene Zivilbevölkerung eingesetzt. Mit Chlorgas und Sarin sind unschuldige Frauen, Männer und Kinder auf unerträglichste Weise ermordet worden. Im Verhältnis dazu ist die Zerstörung von Gebäuden, in denen dieser chemische Dreck erforscht, gelagert und produziert wird, als angemessen zu bezeichnen. Wir dürfen uns nie achselzuckend daran gewöhnen, dass mit Chemiewaffen Kriegsverbrechen begangen werden.

Natürlich ist es jetzt von größter Wichtigkeit, dafür zu sorgen, dass die Lage nicht weiter eskaliert, und – so schlimm es sich auch anhören mag – die Dynamik der Lage für eine Wiederaufnahme des festgefahrenen politischen Prozesses zu nutzen. Weder Genf noch Astana haben den politischen Prozess bisher nachhaltig nach vorne bringen können. Die Vereinten Nationen sind die einzige Institution und Organisation, die einen solchen Prozess dauerhaft tragen kann. Aber nach den letzten Jahren wissen wir: Es bedarf einer Hilfe beim Einstieg in die Wiederaufnahme dieses Prozesses. Deshalb arbeiten wir zurzeit mit Hochdruck daran, die bestehenden Blockaden aufzulösen.

Erstens: Wir haben am Sonntag in der Nato und am Montag in der Europäischen Union auf neue politische Gespräche gedrängt.

Zweitens: Wir werden das Thema nächste Woche in die G7 tragen. Mit meiner kanadischen Kollegin habe ich gestern vereinbart, das Thema Syrien auf die Agenda des G7-Außenministertreffens in Kanada am Wochenende zu setzen.

Drittens: Wir halten engsten Kontakt zu Staffan de Mistura. Wir beraten bilateral mit unseren Partnern, wie neue Bewegung in eine sehr verfahrene Lage zu bekommen sein wird. Schritt für Schritt müssen wir die internationalen Partner erst wieder an Bord holen, die dann gemeinsam den Prozess der Vereinten Nationen wieder in Gang bringen müssen. Frankreich, die USA, Großbritannien, die Partner aus der Region, die Türkei und Russland werden für diesen Prozess unverzichtbar sein. Auf jeden Fall: Wegsehen darf für uns keine Option mehr sein. Es ist bei diesem Konflikt schon viel zu lange weggesehen worden.

Dringlichstes Ziel des politischen Prozesses muss zunächst sein, dass endlich dauerhaft und landesweit die Waffen schweigen und dass humanitärer Zugang eröffnet wird, so wie das in der Resolution 2401 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen schon längst eingefordert ist. In einem zweiten Schritt muss unter der Ägide der Vereinten Nationen eine dauerhafte Lösung ausgehandelt werden, die die legitimen Interessen aller Bevölkerungsgruppen in Syrien berücksichtigt. Das wird nach den letzten Jahren ganz besonders schwer sein.

All das soll im Einklang mit den Resolutionen stehen, die die Vereinten Nationen im Sicherheitsrat bereits beschlossen haben. Sie beinhalten Bildung einer Übergangsregierung, Verfassungsreform und am Schluss auch Wahlen. Das werden die entscheidenden Momente des kommenden Prozesses sein.

Ich kann Ihnen versichern: Die Bundesregierung wird alle zur Verfügung stehenden diplomatischen Mittel nutzen, um einen solchen politischen Prozess mit zu befördern. Dazu wird auch gehören, dass wir natürlich unsere Kanäle nach Moskau nutzen, um gegenüber Russland auf eine konstruktive Haltung zu drängen. Ohne Russland wird der politische Prozess nicht gelingen. Russland, das die Hand über Assad hält, muss den Druck auf das Assad-Regime erhöhen, damit es überhaupt Verhandlungsergebnisse geben kann.

Wir wollen die Vereinten Nationen dabei unterstützen, wieder eine aktive und gestaltende Rolle zu übernehmen, denn unter deren Dach gehört jede Maßnahme der Konfliktlösung. Insbesondere stärken wir ihren Sondergesandten, Staffan de Mistura, darin, die zügige Wiederaufnahme der Verhandlungen und die Gründung eines Verfassungskomitees – darüber war man sich im Rahmen des Genfer Prozesses schon einig – wieder auf die Agenda zu setzen und nach vorne zu bringen.

Wir werden unser massives Engagement in der humanitären Hilfe für Syrien fortsetzen. Mehr als zwei Milliarden Euro haben wir bisher ausgegeben. Wir werden noch mehr leisten müssen; das werden wir nächste Woche bei der Brüsseler Syrien-Konferenz bekräftigen. Ich würde mich freuen, wenn dies bei den anstehenden Haushaltsberatungen auch die Unterstützung des ganzen Hauses findet.

Ich bin aber genauso fest davon überzeugt, dass ein dauerhafter Frieden in Syrien nur möglich ist, wenn diejenigen, die schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen oder befohlen haben, zur Verantwortung gezogen werden. Deshalb unterstützt Deutschland die vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen geschaffene unabhängige Untersuchungskommission für Syrien. Ihre Aufgabe ist es jetzt, Kriegsverbrechen in Syrien zu dokumentieren und diese Dokumentation für spätere Gerichtsverfahren nutzbar zu machen. Wir wollen, dass die Kriegsverbrecher nicht ungeschoren davonkommen.

Schließlich sind wir bereit – das haben wir unseren Partnern bereits mitgeteilt –, die Vernichtung syrischer Chemiewaffen ganz praktisch, also finanziell und logistisch, zu unterstützen, so wie wir das in der Vergangenheit bereits getan haben.

Die Ereignisse der letzten Tage haben uns mit aller Härte vor Augen geführt, wie brandgefährlich die Lage in Syrien ist – und bei weitem nicht nur für die Region selbst. Deshalb arbeiten wir mit aller Kraft für eine diplomatische Lösung. Nur so wird das Leid der Menschen ein Ende finden und dauerhafter Frieden in Syrien geschaffen.