Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen,

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Bulletin

  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Herr Präsident!

Herr Hampel, wenn man Ihnen zuhört, wird zweierlei deutlich. Erstens: Sie ignorieren, dass nicht nur Soldaten, sondern auch Soldatinnen einen hervorragenden Einsatz am Hindukusch leisten.

Zweitens: Wenn Ihre sonderbare Anekdote aus dem Jahr 2003 alles ist, was Ihre Argumentation unterfüttert, dann kann ich nur sagen: Das ist dürftig. Ihr düsterer Blick auf Afghanistan, der diesem Land auch jegliche Form von Entwicklung abspricht, trieft nur so von Unwissenheit und Vorurteilen, und es gibt null Lösungsvorschläge. Die Afghanen haben mehr verdient als diesen düsteren Blick.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen im Hause, die bereit sind, über eine Lösung und einen Fortschritt in Afghanistan zu sprechen: Wir haben letzte Woche beim Nato-Verteidigungsministertreffen in Brüssel dieses Thema ausführlich und intensiv besprochen – die Lage in Afghanistan, aber natürlich auch die Weiterentwicklung des Mandates Resolute Support Mission.

Es war gut, sich noch einmal zu vergewissern, dass die schaurigen Anschläge von 9/11 der Auslöser dafür waren, dass das erste und einzige Mal Artikel 5 des Nato-Vertrages gezogen worden ist, und wir alle unseren amerikanischen Freunden zur Seite standen und heute noch zur Seite stehen. Damals haben wir diesen Einsatz unter dem Grundsatz – Sie kennen ihn alle – "Gemeinsam rein, gemeinsam raus" begonnen. Deshalb haben wir mit unseren amerikanischen Freunden in Brüssel sehr intensiv darüber gesprochen, dass dies auch beinhaltet: gemeinsam analysieren, gemeinsam die Mission weiterentwickeln und somit auch gemeinsam entscheiden.

Wir alle sind der Meinung gewesen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte noch nicht in der Lage sind, ganz alleine Sicherheit für ihre Bevölkerung herzustellen. Das heißt, die Lage in Afghanistan bleibt weiter schwierig, und unsere Hilfe ist weiter vonnöten. Wir sehen das am zähen Ringen in vielen Provinzen, vor allem auch im Norden. Zwei Drittel der Bevölkerung sind durch die afghanischen Sicherheitskräfte geschützt; aber sie zahlen einen hohen Zoll dafür, ganz ohne Zweifel, und wir sind noch lange nicht am Ziel.

Es gibt aber auch die lange Linie. Die Zahlen, die Heiko Maas eben genannt hat, zeigen, dass sich die Dinge langsam, aber sicher in die richtige Richtung entwickeln. In der Spitze war die internationale Gemeinschaft im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe mit 150.000 Soldatinnen und Soldaten dort im Einsatz. Heute sind es nur noch 15.000. Wir sind immer noch nicht am Ziel; aber wir gehen in die richtige Richtung: Die afghanischen Sicherheitskräfte sind immer mehr in der Lage beziehungsweise werden immer mehr in die Lage versetzt, die Sicherheit des Landes selbstständig aufrechtzuerhalten.

Auf der langen Linie zählen für die Bevölkerung im Alltag noch ganz andere Dinge – das sollten wir nicht vergessen –: Die Wirtschaft hat sich in den letzten 18 Jahren deutlich besser entwickelt. Ich bin dankbar für die Beispiele, die Heiko Maas eben angebracht hat. Ich will einige ergänzen, die zeigen, was sich im Leben der Menschen verbessert hat:

Die Kinder- und Säuglingssterblichkeit ist deutlich gesunken. Das ist ein Indikator für bessere Lebensbedingungen und ein Indikator für eine bessere Gesundheitsversorgung im Land.

Das Thema Bildung darf nicht unterschätzt werden. Es hat eine große Bedeutung für dieses Land. Ein Großteil der älteren Generation in Afghanistan zählt zu den Analphabeten; diese Menschen haben keine Chance, sich selber zu informieren. Die junge Generation, diejenigen, die heute 18 Jahre und jünger sind, geht zur Schule. Ganz viele Mädchen sind dabei; undenkbar vor 18 Jahren. Diese jungen Menschen können lesen und schreiben. Das heißt, sie können sich Informationen besorgen, und sie können sich eine Meinung bilden. Das nimmt ihnen in ihrem Leben niemand mehr, und das ist ein ganz großer Fortschritt, den wir gemeinsam erreicht haben. Dementsprechend haben wir jetzt auch eine vielfältigere Medienlandschaft im Land. Es passt uns nicht alles, was berichtet wird; aber diese vielfältige Medienlandschaft trägt zu einer positiven Entwicklung bei.

In der Tat haben die Afghanen ihre Parlamentswahlen selbstständig organisiert und abgesichert. Es hat eine dreitägige Waffenruhe gegeben. Das alles zeigt, wie sehr die Menschen in Afghanistan den Wunsch nach Frieden und Fortschritt in ihrem Herzen tragen. Die Tatsache, dass im März eine Loya Jirga einberufen wird, um die Fortschritte im Friedensprozess breit zu diskutieren, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Afghanistan sich in die richtige Richtung entwickelt. Ich weiß, dass die Ebene der Gespräche – nämlich mit den USA und den Taliban – noch nicht die Ebene ist, die wir erreichen müssen. Wir haben in Brüssel sehr klar besprochen, dass ein echter Friede nur ein afghanischer Friede sein kann, das heißt, dass die afghanische Regierung und die Taliban, die bereit sind, zu sprechen, an einen Tisch gehören und dass das Ergebnis von der gesamten Gesellschaft getragen werden muss.

In der vergangenen Woche haben wir in der Nato auch über das Engagement im Rahmen von Resolute Support Mission gesprochen. Wir Deutsche tragen als zweitgrößter Truppensteller eine breite Verantwortung für den Norden, mit 20 anderen Nationen zusammen. Wir haben viel erreicht, nicht nur im Bereich der Ausbildung, sondern wir haben zum Beispiel auch ein digitales Besoldungssystem für die Sicherheitskräfte eingeführt; das ist ein Schritt im Kampf gegen die Korruption. Wir haben Fortschritte erreicht bei der Qualität der militärischen Führung, der Spezialkräfte und der afghanischen Luftwaffe. Bei all diesen Themen wäre es vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen, dass die Afghanen in wenigen Jahren solche Fortschritte in diesen Bereichen machen.

Unsere Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr haben sehr stark dazu beigetragen. Ich glaube, das ist der richtige Augenblick, ihnen gemeinsam Dank und Respekt zu zollen. Was sie in diesem Einsatz leisten, das ist außergewöhnlich, das ist hochprofessionell, und das zeigt die Treue zur Aufgabe, wofür wir von ganzem Herzen danken.

Ich möchte noch einen Punkt anbringen, der mir wichtig ist. Das deutsche Engagement zeigt vor allen Dingen immer wieder die Breite des vernetzten Ansatzes, für den wir aus tiefer Überzeugung stehen. Heiko Maas hat eben die Vielfältigkeit dieses vernetzten Ansatzes geschildert. Man kann das in eine beeindruckende Zahl fassen: Seit 2001 hat Deutschland für humanitäre Hilfe, für wirtschaftliche Entwicklung und für den Wiederaufbau dieses Landes über vier Milliarden Euro eingesetzt. Wir sind der festen Überzeugung, das ist gut eingesetztes Geld. Wir bitten heute um die Fortsetzung dieses Mandates.