Rede der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Dr. Katarina Barley,

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Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Sie wissen es alle: Die letzten Wochen und Monate haben nicht nur bei mir den Eindruck verstärkt, dass wir grundsätzlich über den demokratischen Rechtsstaat reden müssen. Er ist nicht perfekt – das wissen wir –, aber er ist stark, und wir werden international um ihn beneidet. Er wird aber von einigen manchmal missverstanden. Wir erleben das immer wieder: Wenn beispielsweise Gerichtsurteile ergehen, die nicht allen gefallen, auch durchaus politisch nicht allen gefallen, dann wird auf einmal eine Gerichtsschelte betrieben, die ins Grundsätzliche geht. Dann werden rechtsstaatliche Prinzipien wie zum Beispiel der Schutz von Angeklagten in Zweifel gezogen. Das kann so nicht gehen.

Wir sehen generell einen Verfall der bisherigen Autoritäten. Wir erleben, dass die 20 Uhr-Tagesschau nicht mehr das meinungsbildende Medium Nummer eins ist. Wir erleben aber auch, dass Polizei und andere nicht mehr in der Weise Autorität ausstrahlen, dass sie von allen Teilen der Bevölkerung akzeptiert werden. Wir müssen einfach aufpassen, wie wir damit umgehen. Wir müssen klarmachen, dass der Rechtsstaat kein Pizzataxi ist. Es ist nicht so, dass man ein Ergebnis bestellt, und wenn man das Ergebnis nicht bekommt, dann stimmt am Rechtsstaat was nicht. Unsere Aufgabe hier ist es vielmehr, gute Gesetze zu machen, und die Gerichte haben die Aufgabe, sie gut anzuwenden. Die Gerichte in ihrer Unabhängigkeit müssen wir jederzeit schützen. Das ist unsere Aufgabe hier. Wir brauchen weniger Populismus in dem Feld und nicht mehr.

Der Rechtsstaat hat es nicht immer leicht; denn wer mit dem Rechtsstaat in Kontakt kommt, hat manchmal unangenehme Situationen durchzustehen. Wer wird schon gerne verklagt? Wer klagt gerne? Aber gerade deswegen ist es wichtig, dass wir das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken. Wir werden das tun, auch von politischer Seite.

Wir werden das zum einen tun, indem wir das Forum Recht einrichten. Ich bin sehr dankbar für die Initiativen aus dem Parlament, vor allen Dingen aber auch für die aus der Zivilgesellschaft. Das wird kein Museum werden, sondern das wird ein innovatives, ein interaktives Begegnungszentrum werden, wo Rechtsstaat sehr greifbar wird, wo wir Rechtsstaat vermitteln können.

Zum Zweiten wollen wir eine große Informationsoffensive auflegen; dafür haben wir fünf Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Wir müssen nämlich die Grundlagen des Rechtsstaats erläutern – er ist nicht mehr so selbstverständlich, wie das einmal war –: Was ist eigentlich der Rechtsstaat? Warum brauchen wir unabhängige Richterinnen und Richter? Warum geht das mich was an? Weil ich vielleicht auch mal vor Gericht stehe und die Unschuldsvermutung dann mir zugutekommt. Was leisten eigentlich unsere Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und die Justizbediensteten jeden Tag? Wir haben als Demokratinnen und Demokraten jedenfalls die Pflicht, unsere Errungenschaften des Rechtsstaates zu verteidigen.

Das reicht aber nicht, sondern wir müssen ihn auch stärken. Das haben wir ausdrücklich im Koalitionsvertrag vereinbart, und wir tun das von Bundesseite auch. Wir stocken die Stellen für den Generalbundesanwalt noch einmal auf. Das werden insgesamt 20 Prozent mehr Stellen sein. Das ist eine wichtige Stärkung dieser Behörde, die in der letzten Zeit deutlich mehr Aufgaben bekommen hat. Wir werden einen neuen Zivilsenat beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe und einen neuen Strafsenat beim Bundesgerichtshof in Leipzig schaffen, also auch da: Stärkung des Standortes im Osten.

Gerichte sprechen nicht mehr nur durch ihre Urteile, das hat sich geändert, die Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte wird immer wichtiger. Wir haben jetzt vorgesehen, dass alle obersten Bundesgerichte professionelle Pressesprecher bekommen. Ich finde, das ist längst überfällig gewesen. Auch das ist in diesem Haushalt verankert.

Wir brauchen eine Stärkung der Justiz auf allen Ebenen. Auch die Länder werden ihren Teil dazu beitragen. Wir gehen davon aus, dass wir den Pakt für den Rechtsstaat im Dezember abschließen können.

Ein weiteres Ziel, das wir haben, ist, die Digitalisierung im Bereich der Justiz weiter voranzutreiben. Da gibt es – das muss man durchaus realistisch betrachten – noch einiges zu tun. Das ist natürlich auch Sache der Länder. Aber da, wo wir etwas tun können, da werden wir es tun. Wir haben durch den Föderalismus unterschiedliche Systeme, die zum Teil nicht miteinander kompatibel sind. Wir werden das besser koordinieren, und wir werden auch dafür sorgen, dass Schnittstellen hergestellt werden. Das schwebt mir vor allen Dingen im Bereich des Strafrechts vor, wo wir die Möglichkeit haben, den Datenaustausch zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwaltschaft und Gerichten deutlich zu verbessern und damit auch das Leben der Bediensteten in der Justiz deutlich zu erleichtern, die zum Teil immer noch händisch jedes Mal alle Daten eingeben müssen.

Ich will noch auf einen anderen Bereich eingehen, ganz kurz in der knappen Zeit, die man in den Haushaltsdebatten immer nur hat. Wir haben alle – fast alle – die Rehabilitierung der Menschen begrüßt, die nach § 175 StGB verurteilt wurden, weil sie homosexuell waren im Wesentlichen. Wir wollten sie nicht nur rehabilitieren, wir wollten sie auch entschädigen. Wir haben gesehen, dass diese Entschädigung relativ wenig in Anspruch genommen worden ist. Das hat viele Gründe. Das mag an Retraumatisierung liegen, das mag aber auch daran liegen, dass der Kreis der Begünstigten sehr eng gehalten war, nämlich nur die, die tatsächlich verurteilt wurden.

Jetzt, mit diesem Haushalt, werden wir diesen Personenkreis ausweiten, wir werden die Möglichkeit schaffen, dass auch Menschen, die nicht nach § 175 letztendlich verurteilt worden sind, aber aufgrund der Verfolgung nach dieser unmenschlichen Norm Schäden erlitten haben, eine Entschädigung bekommen. Ich glaube, das ist am Ende wahrscheinlich nicht viel Geld, was die Einzelnen bekommen; aber es ist ein wichtiges Signal der Rehabilitierung, dass der Staat anerkennt, dass er dort grobes Unrecht ausgeübt hat.

Auch zum Thema Verbraucherschutz findet sich einiges in diesem Haushalt. Ich will nur einen Bereich dort nennen; das ist der Bereich der Forschung, natürlich insbesondere, auch dort, im Bereich der Digitalisierung. Wenn es etwa um Algorithmen, um Scoring geht, hilft uns das gesunde Bauchgefühl nicht weiter, da müssen wir uns viel externen Sachverstand holen. Unser Ziel ist es, diese komplexen verbraucherpolitischen Fragen dort analytisch und faktenorientiert zu beantworten. Deswegen ist es gut, dass wir dort mehr Mittel eingestellt haben.

Ich möchte mich ganz zum Schluss bedanken. Es ist tatsächlich ein sehr gutes Miteinander in dieser Gruppe. Ich möchte mich bedanken bei allen Berichterstatterinnen und Berichterstattern – natürlich vor allen Dingen bei der Hauptberichterstatterin, Esther Dilcher, aber ausdrücklich auch bei allen anderen – für die sehr konstruktive Zusammenarbeit und auch bei den Kollegen Johannes Kahrs und Eckhardt Rehberg, die ihren Teil dazu beigetragen haben, dass wir in diesem kleinen, aber feinen Haushalt gut aufgestellt sind.