Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Manuela Schwesig,

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Bulletin

  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Gäste!

Es ist heute ein guter Tag. Ich freue mich, dass wir den Entwurf eines Gesetzes für mehr Lohngerechtigkeit, für gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit für Frauen und Männer beschließen, den Entwurf des sogenannten Entgelttransparenzgesetzes.

Wir haben lange über diesen Gesetzentwurf diskutiert: in der Koalition, mit Frauenverbänden, mit Vertretern der Wirtschaft, mit Tarifpartnern. Diskussion gehört in der Politik dazu; aber man muss auch zum Abschluss kommen und gemeinsam handeln. Ich bin sehr froh, dass wir gemeinsam zu einem guten Ergebnis gekommen sind. Wir zeigen damit, dass wir den Auftrag aus Artikel drei Absatz zwei unseres Grundgesetzes ernst nehmen. Das Grundgesetz verpflichtet uns, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern durchzusetzen und bestehende Nachteile zu beseitigen: Solange es eine Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in Deutschland von 21 Prozent gibt, besteht Handlungsbedarf. Wir müssen etwas tun. Deshalb brauchen wir dieses Gesetz.

Wie jedes Jahr haben sich auch in diesem Jahr viele an den Demonstrationen anlässlich des Equal Pay Day beteiligt und gegen die Lohnlücke protestiert, weil es eine Frage der Gerechtigkeit ist, dass Frauen in Deutschland genauso fair bezahlt werden wie Männer: Nicht mehr für gleiche und gleichwertige Arbeit, aber eben auch nicht weniger – darum geht es.

In der Diskussion wurden oft solche Fragen gestellt: Gibt es die Lohnlücke überhaupt? Sind die Frauen nicht selbst schuld, wenn sie einen anderen Beruf haben als die Männer, wenn sie in Teilzeit arbeiten, wenn sie nicht gut verhandeln? Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist das Typische in Deutschland. Ich meine, wenn es seit Jahrzehnten eine feste, strukturelle Lohnlücke zum Nachteil von Frauen gibt, die regelrecht manifestiert ist – diese Lohnlücke von 21 Prozent führt, egal wie schön man sie sich rechnet, im Lebensverlauf von Frauen sogar zu einer Einkommensdifferenz von 50 Prozent –, dann kann man nicht sagen: Es ist alles gut.

Ich möchte mich an die wenden, die es immer noch nicht begriffen haben: Wenn es diese Lohnlücke gibt, obwohl Frauen in Deutschland genauso gut ausgebildet sind wie Männer, obwohl Frauen 80 Prozent der Arbeit für Kinder und Pflegebedürftige in unserem Land übernehmen, obwohl viele Frauen Berufe haben, in denen sie eigentlich schon längst besser verdienen müssten, obwohl gerade Frauen soziale Berufe ausüben, dann können wir nicht sagen: "Die Frauen sind schuld an der Lohnlücke", sondern dann müssen wir das Problem ernst nehmen und gemeinsam handeln. Wer das Bestehen dieser Lohnlücke nicht akzeptiert und sie immer wieder kleinreden will, der nimmt die Lebenswirklichkeit von Frauen nicht ernst. Damit muss Schluss sein.

Wir in der Großen Koalition haben es uns deshalb in dieser Legislaturperiode zur Aufgabe gemacht, gegen die verschiedenen Ursachen dieser Lohnlücke vorzugehen. Nur weil man diese Lohnlücke erklären kann, heißt das noch lange nicht, dass die Ursachen dafür gerechtfertigt sind. Zum Beispiel haben viele Frauen weniger Chancen, länger arbeiten zu gehen, weil die entsprechende Infrastruktur – zum Beispiel Kitaplätze oder Ganztagsschulen – fehlt, deshalb haben wir Gelder für den Kitaausbau und die Ganztagsschulen bereitgestellt, deswegen haben wir das Elterngeld Plus auf den Weg gebracht. Damit wollen wir bewirken, dass nicht immer nur die Frauen für die Kinder da sind, auch die Väter, die das wollen, werden dadurch unterstützt.

Wir haben das Gesetz für mehr Frauen in Führungspositionen vorangebracht, damit mehr Frauen in Toppositionen kommen und dort über Arbeits- und Lohnbedingungen von Frauen mitentscheiden.

Wir haben viele strukturelle Gesetze auf den Weg gebracht, die sozusagen indirekt eine Verringerung der Lohnlücke bewirken. Aber bisher fehlt Transparenz bei der Lohnfindung. Immer wieder bekommen Frauen den Vorwurf zu hören: Dann müsst ihr besser verhandeln. – Wie kann ich denn gut verhandeln, wenn ich gar keine Vergleichsgröße habe, wenn die Lohnfindung in großen Teilen eine Blackbox ist? Deshalb muss mit dem Tabu "Über Geld spricht man nicht" Schluss sein. Wir brauchen mehr Transparenz bei der Lohnfindung. Frauen und Männer in Unternehmen und im öffentlichen Dienst müssen sich sicher sein, dass sie fair bezahlt werden. Darum geht es in diesem Gesetz.

Wir schreiben den Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit" für alle fest. Wir fordern große Unternehmen auf, sich mit den vielschichtigen Ursachen der Lohnlücke auseinanderzusetzen. Das betrifft auch den öffentlichen Dienst.

Wir wollen, dass in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Auskunftsanspruch eingeführt wird, damit man sich mit einer Gruppe, die den gleichen Job macht, die gleichwertige Arbeit macht, vergleichen kann. So kann man feststellen, ob man fair bezahlt wird. Wenn es Unstimmigkeiten gibt, hat man oder eben auch Frau die Möglichkeit, dies zum Beispiel gemeinsam mit dem Betriebsrat oder mit dem Arbeitgeber zum Thema zu machen und notfalls auch zu klagen. Alle Frauen, die in diesem Land erfolgreich gegen Lohnunterschiede geklagt haben, hatten ihre Info über diese Lohnunterschiede oft nur durch Zufall - damit, dass so etwas nur durch Zufall bekannt wird, muss Schluss sein. Frauen und Männer bekommen mit diesem Gesetz das Recht auf mehr Transparenz. Darum geht es.

Es gab viele Diskussionen und auch den typischen Vorwurf, das sei viel zu viel Bürokratie. Dazu muss ich ganz ehrlich sagen: Es nervt in diesem Land, dass immer dann, wenn Rechte von Frauen durchgesetzt werden sollen, die Leute um die Ecke kommen und sagen, das sei ihnen viel zu viel Bürokratie. Es wird Zeit, dass sich die Gegner ehrlich machen und sagen: Wir wollen das einfach nicht. – Lohntransparenz ist keine Bürokratie, sondern führt auch in den Unternehmen zu mehr Zufriedenheit. Das sagt Christina Boll, die Forschungsdirektorin des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitutes (HWWI). Sie sagte in der Anhörung: Transparenz ist gut für die Gleichstellung in unserer Arbeitswelt, und sie ist ökonomisch sinnvoll.

Ich möchte mich ganz herzlich bei meiner Fraktion bedanken, die dieses Gesetz von Anfang an zu hundert Prozent unterstützt hat. Ich möchte mich aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen in den Reihen des Koalitionspartners bedanken, die gesagt haben: Wir haben diesen Kompromiss in schweren und zähen Verhandlungen gefunden. Diesen ziehen wir heute gemeinsam durch. – Herzlichen Dank an die Frauen und Männer in der Unionsfraktion, die sich dafür eingesetzt haben.

Es ist wichtig, dass die Frauen in unserem Land, die hart arbeiten, oft in Jobs, in denen es zu wenig Geld gibt, zum Beispiel in der Pflege, dass die Frauen, die zum Beispiel in MINT-Berufen und in der IT-Branche arbeiten, die genauso gut sind wie Männer, aber immer noch schlechter bezahlt werden, und dass die Frauen, die ungewollt in Teilzeit sind, von der Politik Rückendeckung und die Botschaft bekommen: Wir nehmen eure Lebenslage ernst - wir wollen, dass ihr Frauen genauso fair bezahlt werdet wie Männer. – Das ist eine Frage, die nicht nur Frauen betrifft, sondern auch Männer, denn kein Mann kann wollen, dass seine Partnerin schlechter bezahlt wird, nur weil sie eine Frau ist. Kein Vater kann wollen, dass seine Tochter schlechter bezahlt wird, nur weil sie ein Mädchen ist.

Deshalb herzlichen Dank an alle Frauen und Männer, die gemeinsam für Gleichberechtigung kämpfen und dafür sorgen, dass wir endlich vorankommen, um die Lohnlücke von 21 Prozent zu verkleinern.