Im Wortlaut
in Sanlúcar de Barrameda
20 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Samstag, 11. August 2018
(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)
MP Sánchez : Schönen guten Nachmittag allerseits und vielen Dank, dass Sie zu dieser Pressekonferenz gekommen sind. Zunächst einmal möchte ich mich bei der deutschen Bundeskanzlerin, Frau Merkel, für ihre heutige Anwesenheit hier in Spanien und dafür bedanken, dass sie aus Berlin hierhin gereist ist. Das ist natürlich eine Anstrengung, für die wir dankbar sind. Unsere Regierung misst dem Treffen von heute große Bedeutung bei.
Die spanische Regierung ist eine europäisch orientierte Regierung, und Deutschland gehört eben auch zu Europa. Europa braucht Deutschland, und wir zählen auch auf den Einsatz der deutschen Kanzlerin für Europa. Vielen Dank für Ihr Kommen, Frau Kanzlerin!
Wie sind hier in Andalusien. Wir haben eine lange Geschichte. Wir haben viel Natur. Die spanische Geschichte und die europäische Geschichte lassen sich hier in Sanlúcar de Barrameda ablesen, auch hier in diesem Gebäude, dem Palast der Grafen de Medina Sidona, wo viele Generationen ihre Spuren hinterlassen haben. Später werden wir bei Ihrem Besuch auch noch die Gelegenheit haben, uns die Natur ein bisschen anzusehen. Der Nationalpark Coto de Doñana ist natürlich sehr, sehr schön und von bezaubernder Schönheit. Er ist natürlich auch ein Symbol für das Europa, das wir in den letzten Jahrzehnten errichtet haben, mit Werten wie beispielsweise dem Schutz der Artenvielfalt und auch der Nachhaltigkeit.
Das ist ein Europa der Werte. Vor drei Jahrzehnten ist Spanien diesem Europa beigetreten, also viel später, als es eigentlich aufgrund unserer Geschichte und Überzeugung der Fall hätte sein sollen. Aber wir haben diese Reise zurückgelegt, wir sind jetzt in Europa angekommen und bleiben auch in Europa. Wir sind europäisch orientiert. Die spanische Gesellschaft hat Europa immer mit Fortschritt identifiziert, mit sozialer Gerechtigkeit, mit Demokratie, mit Freiheit und mit Stabilität. Die spanische Demokratie und auch das Spanien der Autonomen Regionen orientieren sich natürlich an der Bundesrepublik Deutschland, und wir alle sind natürlich mit Europa verzahnt. Es hat uns eine lange Zeit und viel Anstrengungen gekostet, nach Europa zu kommen, und deswegen setzt sich Spanien auch für dieses gemeinsame Werk der Europäischen Union so stark ein.
Das ist auch ein bisschen der Sinn unseres Treffens, des Treffens der deutschen Bundeskanzlerin und mir. Wir sind hier, weil wir eine gleiche Vision bezüglich der Kraft des europäischen Projektes haben, um auf die weltweiten Herausforderungen einzugehen, die vor uns liegen. Wir sind der Ansicht, dass das europäische Projekt jetzt, aber auch in Zukunft und für die zukünftigen Generationen Wert hat. Wir sind hier, weil Deutschland und Spanien an den Fortschritt Europas glauben, nicht an einen Rückschritt. Um so einen Fortschritt zu erreichen, brauchen wir einen europäischen Dialog, natürlich unter Einschluss Deutschlands und Spaniens.
Wir haben von der Gegenwart gesprochen, von der Aktualität, was dringliche Fragen angeht, also zum Beispiel die Herausforderung der Migration. Ich denke, das wird sicherlich auch noch in der Pressekonferenz zur Sprache kommen. Wir haben auch von der Zukunft der Europäischen Union gesprochen, davon, wie die Europäische Union morgen aussehen sollte. Deswegen standen auf unserer Tagesordnung auch die Wirtschafts- und Währungsunion, der mehrjährige Finanzrahmen und viele andere Fragen, die sicherlich auch noch in der Pressekonferenz zur Sprache kommen werden.
Im Wesentlichen haben wir davon gesprochen, wie Deutschland und Spanien Beiträge zur Stärkung der Fundamente der Europäischen Union leisten können. Alle europäischen Mitgliedstaaten brauchen die Europäische Union, und Europa braucht die Führung Deutschlands. Wir brauchen keine taktischen Rückzüge. Wir müssen auch den Opportunismus derjenigen abweisen, die in die Vergangenheit zurückkehren wollen. Das ist eigentlich die Herausforderung, die wir in den europäischen Gesellschaften zu meistern haben, nicht die Herausforderung der Migration.
Wir brauchen eine gemeinsame europäische Sichtweise bezüglich dieses Phänomens, vor dem Spanien natürlich aus geografischen Gründen in erster Linie steht. Das ist aber natürlich ein Phänomen, das den gesamten europäischen Kontinent betrifft. 14 Kilometer sind es, die die spanischen Küsten, also die europäischen Küsten, von Nordafrika trennen. Aber es gibt eine sehr viel größere Distanz zwischen beiden Erdteilen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung, der sozialen Entwicklung, des Schutzes der Menschenrechte und der wirtschaftlichen Stabilität. Je größer dieser Abgrund ist, desto größer wird die Tragödie im Mittelmeer sein. Wir müssen diesen Abgrund irgendwie zuschütten, ihn verringern. Das ist, glaube ich, eine der größten Aufgaben der Europäischen Union, kurz- und mittelfristig gesehen. Das ist etwas, das wir nur schaffen können, wenn wir eine gemeinsame Vision haben, nicht im Alleingang der einzelnen Mitgliedstaaten der EU.
Spanien und Deutschland eint diese gemeinsame Vision, und das ist etwas, das ich heute noch einmal bekräftigen möchte, weil das die Grundlage ist, auf der wir die gemeinsame Migrationspolitik betrachten. Wir möchten mehr Dialog und mehr Kooperation mit den Herkunfts- und Transitländern, natürlich insbesondere mit Marokko; das ist hierbei ein wichtiger Bündnispartner. Spanien stützt sich dabei auch auf die deutsche Unterstützung und den deutschen Willen diesbezüglich. Deswegen möchte ich mich auch bei der deutschen Bundeskanzlerin, Frau Merkel, dafür bedanken, dass sie dieses Thema so stark verfolgt. Das ist also ein Thema höchster Aktualität und betrifft natürlich auch die europäische Solidarität. Auf diese Weise ist Europa aufgebaut: auf Solidarität und Verantwortlichkeit.
Natürlich geht es auch darum, die Wirtschaftsunion zu vervollständigen und die Sozialunion herbeizuführen. Das sind auch Themen gewesen, die wir besprochen haben.
Zum Abschluss darf ich noch sagen, dass unsere Regierung aktiv an der Debatte bezüglich der Zukunft der Europäischen Union teilnehmen will. Das ist auch ein Wunsch, den die Bürgerschaft Spaniens mitträgt. Wir sind auch überzeugt, dass ein stärkeres Europa natürlich auch die einzelnen Gesellschaften, die Teile davon sind, stärkt. Eingangs sagte ich ja, dass Spanien einige Zeit gebraucht hat, in Europa anzukommen. Aber es ist jetzt angekommen und möchte in Europa bleiben - nicht nur, um da zu sein, sondern auch, um etwas zu tun, um Fortschritte für ein vereintes und starkes Europa zu erreichen. Ich denke, Deutschland und Spanien haben viel zu sagen und viel zu tun, und das machen wir mit einem wirklich hieb- und stichfesten Europäismus.
Nach diesen einführenden Worten darf ich noch einmal die Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel hier in Andalusien begrüßen. Es ist eine Ehre, Sie hier begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, Sie fühlen sich bei uns wie zu Hause. Bitte schön!
BK'in Merkel: Sehr geehrter Ministerpräsidenten, lieber Pedro Sánchez, ich freue mich natürlich, dass ich so kurz nach dem Antrittsbesuch, den Du in Berlin gemacht hast, jetzt diese Einladung bekommen habe, hier ein Stück spanischer Kultur und Geschichte kennenzulernen. Denn hier, in Sanlúcar de Barrameda, diesem historischen Ort, sind wir wirklich an einem wunderschönen Teil europäischer Geschichte angelangt. Auch dass ich im Zusammenhang mit dem Nationalpark Doñana etwas von den Schönheiten Spaniens sehen kann, ist natürlich sehr gut.
Aber unser Treffen findet auch in einer Phase statt, in der wir in Europa miteinander viel zu besprechen haben. Es ist sehr gut, zu wissen, dass wir nicht nur exzellente bilaterale Beziehungen haben, sondern dass die deutsche Regierung und die spanische Regierung auch den gleichen Ansatz bezüglich der Lösung der großen Fragen für Europa teilen. Wir glauben, dass wir als europäische Mitgliedstaaten nur gemeinsam stark sind und die Herausforderungen bewältigen können. Das betrifft die Frage unserer wirtschaftlichen Zukunft, auch getrieben durch die Digitalisierung. Das betrifft den multilateralen Ansatz zur Lösung von Themen wie dem Klimawandel oder auch gegenseitiger Handelsfragen. Wir verstehen, dass wir als Europäer gemeinsam stärker sind, als wenn jedes Mitgliedsland alleine versucht, diese Probleme zu lösen und dabei keinen Erfolg haben kann.
Wir haben natürlich in ganz besonderer Weise auch das Thema der Migration besprochen, weil es sozusagen auch so etwas wie der Nukleus der Frage ist, ob wir als Europäische Union auch mit großen Herausforderungen fertigwerden. Mich freut sehr, dass Deutschland und Spanien hier einen gemeinsamen Ansatz haben. Hier an diesem Ort sind wir, wie du schon gesagt hast, wenige Kilometer von der afrikanischen Küste entfernt. Ähnliches kann man in Malta sehen, Ähnliches kann man in Sizilien sehen. Insofern ist das eine Herausforderung, die wir gemeinsam zu bewältigen haben, und kein Land kann sich vor dieser Aufgabe drücken. Kein Land kann dieser Aufgabe ausweichen, egal, ob es jetzt Spanien ist, das Primärankunftsland mit einer Route der Migration, die im Augenblick zahlenmäßig zunimmt, oder ob es Deutschland mit der Sekundärmigration ist, mit der wir uns natürlich auch zu beschäftigen haben.
Deshalb möchte ich als Erstes ein herzliches Dankeschön dafür sagen, dass Spanien mit Deutschland ein Abkommen abgeschlossen hat, sodass wir mehr Ordnung auch in die Sekundärmigration bringen können. Das zeigt, dass wir der Überzeugung sind, nur gemeinsam die Probleme lösen zu können. Genauso wollen wir euch in den Verhandlungen mit Marokko unterstützen. Genauso haben wir unseren Beitrag in den europäischen Trust-Fonds für Afrika eingezahlt, gerade für die Länder Tunesien und Marokko, weil sie Unterstützung bei der Grenzsicherung brauchen, weil sie Unterstützung im Know-how brauchen, aber auch weil sie Entwicklungszusammenarbeit brauchen. Denn wenn die Differenz zwischen den Perspektiven Afrikas und den Perspektiven Europas zu groß ist, dann werden die Ursachen von Migration und Flucht nicht zu bewältigen sein.
Insofern sind wir dafür, dass wir auch hier eine ganz enge Kooperation mit den Ländern Afrikas haben, die natürlich ehrlich sein muss, aber die auch davon ausgehen muss, dass beide Seiten gewinnen und dass beide Seiten etwas davon haben, dass Schleppern und Schleusern das Handwerk gelegt wird und dass wir zu legaler Kooperation unserer Regierungen kommen. Deshalb reicht es nicht aus, wenn wir über Afrika sprechen, sondern wir müssen mit Afrika sprechen. Das war heute auch die Tendenz, die wir in unseren Gesprächen gemeinsam hatten und mit der wir auch zu dem informellen Rat, der im September in Salzburg unter der österreichischen Präsidentschaft stattfinden wird, fahren werden. Wir werden das auch gemeinsam mit anderen Ländern vorbereiten.
Wir haben uns natürlich genauso mit den Handelsfragen gerade mit Blick auf die USA befasst. Wir sind beide der Meinung, dass es eine sehr wichtige Reise von Jean-Claude Juncker war und dass es sehr wichtig war, dass zwischen Präsident Donald Trump, der amerikanischen Administration und der Europäischen Kommission jetzt doch Verhandlungen stattfinden. Wir haben uns über die Zukunft der Eurozone, die Wirtschafts- und Währungsunion und auch die Notwendigkeit einer mittelfristigen finanziellen Vorausschau unterhalten.
Insgesamt war es also ein sehr wichtiges Gespräch im Geiste der gemeinsamen Einstellung, dass Europa Teil der Lösung sein muss, dass Europa lösungsorientiert arbeiten muss und dass unser Schicksal für die Menschen in Spanien genauso wie für die Menschen in Deutschland nur dann auf Dauer gut gestaltet werden kann, wenn wir zusammenarbeiten und nicht gegeneinander arbeiten.
Deshalb danke ich für diese Einladung, und natürlich freue ich mich nachher auch auf den Teil, der mir die Natur etwas stärker nahebringen wird; denn das die Erhaltung der Natur, die Erhaltung unseres Klimas ist auch etwas, das uns natürlich sehr beschäftigt. Auch hierbei müssen wir zusammenarbeiten.
Frage: Ich möchte die Frage beiden stellen. Deutschland, Spanien, Frankreich und Portugal sind wohl die Länder, die gegen die Fremdenfeindlichkeit in Europa vorgehen wollen, eine Achse bilden wollen. Was, glauben Sie, können Sie bezüglich dieses Themas machen, auch angesichts der steigenden Fremdenfeindlichkeit in Italien?
Eine weitere Frage: Was geschieht mit Marokko? Was verlangt Marokko denn? Wie sind denn die Wünsche Marokkos?
MP Sánchez: Vielen Dank, Carlos! - Zu der Frage nach Marokko: Da haben wir, die deutsche Bundeskanzlerin und ich, beim Arbeitsessen zusammen festgestellt, dass Marokko ein wichtiger Bündnispartner der EU ist. Zweitens unterliegt natürlich auch Marokko dem Flüchtlingsdruck der Migranten aus der Subsahara. Insofern geht es um eine verstärkte Zusammenarbeit mit Herkunftsländern und auch mit Transitländern. Marokko ist ja beispielsweise ein Transitland. In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates ist ja auch festgestellt worden, dass sich alle Mitgliedstaaten für eine verstärkte Zusammenarbeit mit Marokko engagieren, weil Marokko eben eine zentrale Rolle bei dem Ordnen der Flüchtlingsströme spielt.
Zur zweiten Frage: Die deutsche Bundeskanzlerin hat ja klar gesagt, welche Vision unsere beiden Regierungen in die Europäische Union tragen wollen. Es muss eine disziplinübergreifende Vision sein, transversal und holistisch. Natürlich müssen wir von Grenzkontrollen und vom Aufnehmen der Migranten, die über das Meer kommen, sprechen. Darüber müssen wir sprechen. Aber wir müssen auch über die Sekundärmigration sprechen. Da brauchen wir eine verstärkte Zusammenarbeit der Europäischen Union mit den afrikanischen Staaten, insbesondere auch mit den nordafrikanischen Staaten, in Bezug auf die Entwicklungspolitik und auf die Schaffung von Stabilität, um dort Chancen für die Jugendlichen dieser Länder zu schaffen.
Was möchte ich damit sagen? Die Sichtweise der deutschen und der spanischen Regierung bezüglich der Migration beschränkt sich nicht auf eine einzige Politik. Es geht um einen holistischen, transversalen Ansatz hierzu. Es geht darum, wie die Flüchtlingsströme geordnet werden können und wie man diese weltweite Herausforderung meistern kann - gemeinsam als Europa, aufgrund von gemeinsamen Visionen und aufgrund von gemeinsamen Ansätzen. Das muss eben auch transversal angegangen werden, transversaler, als es bisher geschehen ist. Das ist der Ansatz, den die spanische Regierung verfolgt, und die deutsche Regierung trägt das ja auch mit. Ähnliches ist auch von europäischen Institutionen zu hören.
Manche Medien haben sich überrascht davon gezeigt, dass Spanien ein Abkommen mit Deutschland bezüglich der Sekundärmigration unterzeichnet hat. Spanien möchte nicht nur Solidarität einfordern, sondern bietet sie bezüglich der Lösung des Migrationsthemas auch an. Wir fordern Solidarität bezüglich der Herausforderungen, die wir als Ankunftsland für viele Migranten zu meistern haben, aber wir sind auch bereit, Solidarität bezüglich des Themas der Sekundärmigration zu begründen, das ja hauptsächlich Deutschland betrifft. Ich habe selbst schon gesagt, und die Kanzlerin hat es ja auch bekräftigt, dass wir dieses bilaterale Abkommen mit Deutschland gutheißen. Wir wollen natürlich auch Verantwortung hinsichtlich der Sekundärmigration übernehmen; das ist ja auch eine deutsche Forderung gewesen.
BK'in Merkel: Die Europäische Union ist ja nicht irgendeine Assoziation, sondern die Europäische Union ist auf gemeinsamen Werte gegründet worden. Dazu gehört die Achtung der Menschenwürde, und das muss sich auch in all unseren Taten egal, ob nach innen oder nach außen immer wieder zeigen. Der Einsatz für Menschenrechte, aber auch die Würde jedes einzelnen Menschen sind ernst zu nehmen. Das heißt natürlich auch, dass wir legale Strukturen dafür brauchen. Rassismus steht den Grundwerten der Europäischen Union einfach entgegen und ist mit ihnen nicht vereinbar. Deshalb heißt es, rassistischen Tendenzen, die wir leider in allen Mitgliedstaaten haben, entschieden entgegenzutreten. Ich glaube, für Deutschland und Spanien sagen zu können, dass wir das auch tun. Ich versuche das jedenfalls in meiner Politik, und die Bundesregierung tut das auch im täglichen Eintreten für die grundlegenden Menschenrechte.
Was Marokko anbelangt, so ist Marokko ein Land, das im Zusammenhang der Migration eine wichtige Rolle spielt, aber auch ein Partner, mit dem wir wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben. Deutschland pflegt eine lange Entwicklungszusammenarbeit mit Marokko; wir haben enge Kontakte. Wir wissen, dass Spanien durch die regionale Nähe und durch die Geschichte einfach noch sehr viel engere Beziehungen hat. So haben wir heute auch verabredet, koordiniert, aber durchaus auch unter spanischer Führung mit Marokko zusammenzuarbeiten. Deutschland wird seinen Beitrag leisten, wo immer Marokko Unterstützung braucht. Denn Marokko hat wiederum auch die Aufgabe, mit den Herkunftsländern zusammenzuarbeiten, die ja oft jenseits der marokkanischen Grenzen liegen. Deutschland hat in den letzten Jahren schon damit begonnen, sich viel intensiver auch mit afrikanischen Ländern zu befassen und auch eine Partnerschaft zu bilden. Wir haben heute über die Partnerschaft mit Niger gesprochen, die auch von Spanien unterstützt wird.
So ist meine Vorstellung, dass wir nicht alle das Gleiche tun müssen, sondern ein Land wie Spanien kann sich sehr intensiv mit Marokko beschäftigen wir unterstützen das , und ein Land wie Deutschland kann dann vielleicht mit Ghana oder einem anderen Land zusammenarbeiten. Wir brauchen nicht alle das Gleiche zu tun, aber es sollte immer in dem gleichen europäischen Interesse geschehen - nicht Deutschland nur für sich und Spanien für sich, sondern wir alle für Europa und für die Bewältigung der Herausforderungen.
MP Sánchez: Es geht nicht um die Menge des Geldes; das hat auch die Bundeskanzlerin gesagt. Es geht um die lange Erfahrung der Zusammenarbeit hinsichtlich der Entwicklungshilfe seitens Spaniens gegenüber Marokko und seitens der Europäischen Union. Wir stellen viele Ressourcen für das Königreich Marokko bereit, auch bezüglich der Grenzkontrolle. Darüber führen wir auch Gespräche mit der Europäischen Kommission, um Wirtschaftsressourcen freizumachen, die Marokko in die Lage versetzen, Material zu kaufen, um effizienter bei der Grenzkontrolle vorgehen zu können, also beispielsweise auch beim Ablegen der Flüchtlingsboote an den marokkanischen Küsten in Richtung Spanien.
Aber das zu beziffern, wäre nicht angemessen. Wenn wir von Wirtschaftsressourcen sprechen, die nach Marokko und nach Tunesien gehen, dann ist es wirklich so, dass das beträchtliche Beträge sind. Es geht also nicht nur um die Migrationspolitik, sondern auch um die Entwicklungspolitik und andere politische Bereiche, die mit der Entwicklung dieser Gesellschaften zu tun haben.
Frage: Ich habe eine Frage an die Bundeskanzlerin. Spanien nimmt immer mehr Migranten auf, die hier direkt in der Nähe über die Straße von Gibraltar nach Spanien kommen. Viele ziehen dann in Richtung Frankreich bzw. Deutschland weiter. Erwartet Deutschland von Spanien, dass man die Migranten hier aufhält bzw. sie in ihre Herkunftsländer zurückschicken wird?
BK'in Merkel: Wir alle erleben doch, dass das bisherige Dublin-System, das im Zusammenhang mit der Freizügigkeit im Rahmen des Schengen-Abkommens besteht, nicht funktionsfähig ist. Nach der Theorie dürfte nie ein Migrant oder Flüchtling in Deutschland ankommen. Das entspricht aber nicht der Realität. Deshalb müssen wir doch als Mitgliedstaaten der Europäischen Union zumindest die, die im Schengen-Raum zusammen sind daran arbeiten, ein faires Verteilsystem zu finden und gemeinsam die Rückführung zu organisieren, die für Menschen notwendig ist, die kein Recht auf einen dauerhaften Aufenthalt in unseren Mitgliedstaaten brauchen. Das bedeutet, dass wir mit den Herkunftsländern sprechen und mit ihnen Partnerschaften aufbauen, wie wir das zum Beispiel mit der Türkei gemacht haben, wie wir es mit Libyen tun, wie es jetzt mit Marokko verhandelt wird, wie wir es mit Tunesien tun und wie wir es sicherlich auch mit Algerien, aber dann auch mit den Herkunftsländern tun müssen, also Senegal, Côte d‘Ivoire und wie sie alle heißen. Jedes Land hat andere Erwartungen, und nur dann, wenn daraus eine Win-win-Situation wird, wird man die Rückführung überhaupt schaffen können.
Diejenigen, die ein Recht auf Bleiben haben, müssen dann aber auch innerhalb Europas fair verteilt werden, und mit dieser Frage beschäftigen wir uns ja unentwegt. Da haben wir noch keine Lösung gefunden. Aber je mehr Länder der Meinung sind, dass man eine faire Lastenteilung auch für diejenigen braucht, die dauerhaft bei uns bleiben können, weil sie eben ein Anrecht auf Asyl oder auf den Status als Bürgerkriegsflüchtlinge haben Das muss die Europäische Union erreichen, da mit Recht von den Ankunftsstaaten gesagt wird: Schaut einmal, das ist doch eine Herausforderung für uns alle. Es kann doch nicht die geografische Lage innerhalb Europas diese Aufgabe nur einem Land, zwei oder drei Ländern zuweisen; denn profitieren tun wir ja auch alle von der Freizügigkeit.
Das ist offensichtlich das dickste Brett. Es wird sich auch besser lösen lassen, wenn alle wissen, dass wir die, die kein Bleiberecht haben, auch wieder zurückführen können. Wir sehen ja auch, dass wir sowohl bei der Türkei als auch bei Libyen schon Erfolge erreicht haben, nämlich dass sich Menschen gar nicht auf den unsicheren Weg machen. Denn für die Flüchtlinge und Migranten ist es ja auch eine sehr unsichere Sache, wenn man sich die Tausenden Toten im Mittelmeer anschaut, die es immer wieder gibt, wenn sich Menschen in riesige finanzielle Abhängigkeiten und in Lebensgefahr begeben.
Wir glauben, dass diese Aufgabe für Europa lösbar ist, und in dem Geist der Partnerschaft wollen wir sie lösen. Deshalb ist die Herausforderung der Primärmigration, wie man sagt, also der Ankunftsstaaten, eine, die genauso ernst wie die Herausforderung der Sekundärmigration genommen werden muss. Beides muss dann zu einer fairen Aufgabenteilung zwischen allen Mitgliedstaaten führen.
Frage: (auf Spanisch; wurde nicht gedolmetscht)
MP Sánchez: Zunächst einmal darf ich sagen, dass sich die spanische Regierung voll und ganz bewusst ist, dass die nicht begleiteten Minderjährigen eine große Herausforderung darstellen. Migration ist ja nicht etwas, das mit dieser neuen Regierung auf den Plan getreten ist, sondern die Migrationspolitik ist jetzt das Neue. Dabei geht es auch um die unbegleiteten Minderjährigen. Da wird es eine Einigung geben. Irgendwann wird es so etwas geben. Etwas anderes können wir uns gar nicht vorstellen. Wir hoffen, dass wir eine gemeinsame Vision bezüglich dieses gemeinsamen Phänomens der unbegleiteten Minderjährigen entwickeln können. Das ist etwas, das hauptsächlich die Region Andalusien betrifft, aber natürlich auch andere Regionen. Es wird eine Einigung geben. Etwas anderes kann sich die Regierung gar nicht vorstellen. (Es geht um) ein Abkommen aller Autonomen Regionen Spaniens unter Führung der spanischen Regierung.
Ich darf es noch einmal bekräftigen: In den letzten zwei Monaten hat die spanische Regierung einen Sofortplan in Höhe von mehr als 30 Millionen Euro bis zum Ende dieses Jahres aufgelegt, um die menschliche Aufnahme der Migranten, die hier an unseren Küsten ankommen, besser zu gestalten. Wir haben einen einheitlichen Generalstab eingerichtet, um alle Maßnahmen zu koordinieren, um die Ankunft zu koordinieren und den Menschenschmuggel zu bekämpfen.
Darüber hinaus gibt es ein Engagement gegenüber allen Autonomen Regionen, 2019 einen Integrationsfonds für die Migration einzurichten. Die vorherige Regierung hat diesen Fonds mit null Euro ausgestattet. Es gab also keine Migrationspolitik. Jetzt gibt es Migrationspolitik, und es wird eine Einigung bezüglich der nicht begleiteten Minderjährigen mit den spanischen Autonomen Regionen geben. Etwas anderes ist für uns nicht vorstellbar. Ich darf das noch bekräftigen: Es wird Anfang September diesbezüglich eine Sektorenkonferenz geben, und wir möchten vonseiten der spanischen Regierung auch eine Einigung mit allen Autonomen Regionen erzielen.
Frage: Seit Mitte Juni ist kein einziger Asylbewerber aus Spanien über die deutsch-österreichische Grenze gekommen. Ist der Wert dieses Abkommens ein symbolischer?
BK'in Merkel: Der Wert des Abkommens ist erst einmal einer, der deutlich macht, dass Deutschland und Spanien auf europäische Lösungen setzen. Deshalb schätze ich dieses Abkommen sehr, sehr hoch. Spanien ist nicht das einzige Land, mit dem wir solche Abkommen abschließen werden. Wir führen zum Beispiel auch sehr intensive Verhandlungen mit Griechenland. Aber es ist die Aussage und das klare Bekenntnis: Wenn ein Land mit einem Thema Probleme hat, helfen wir diesem Land. Genauso macht Deutschland die klare Aussage, dass, wenn Spanien zum Beispiel bei der Unterstützung von Marokko Probleme hat, wir dann dort helfen werden. Das ist die Art von Miteinander, die ich richtig, gut und wichtig finde.
Frage: (auf Spanisch; wurde nicht gedolmetscht)
MP Sánchez: Zu dieser letzten Frage, um mit dem Ende zu beginnen: Zunächst einmal möchte ich mich für den Ton bedanken, der hinsichtlich der Begehung dieses Jahrestages der Attentate in Barcelona und Cambrils am 17. August angeschlagen wird. Da wurden nicht nur Barcelona, Cambrils und Katalonien getroffen, sondern die gesamte spanische Gesellschaft. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier alle gemeinsam gegen den Terrorismus auftreten und den Opfern und ihren Angehörigen eine Solidaritätsbotschaft mitgeben. Das ist das, was wir zum 17. August sagen können. An diesem Strang sollten wir alle ziehen: der Staatschef, der Regierungschef, alle Mitglieder der spanischen Gesellschaft und alle, die sich an dieser Demonstration beteiligen wollen.
Zu Ihrer ersten Frage: Natürlich ist es vernünftig, dass die Opposition ihre Arbeit macht. Die Opposition muss in einer demokratischen Gesellschaft gegen die Regierung opponieren. Aber sie sollte keine Opposition gegenüber dem Staat betreiben. Auf diese Weise opponiert sie ja gegen sich selbst, und das führt zu Widersprüchen, beispielsweise bei der Anti-Terror-Politik, der Annäherung von Gefängnisinsassen in baskischen Gefängnisse oder auch in Bezug auf die Migrationspolitik. Ich denke, wir sollten in einem Jahr, in dem die ETA ihre Auflösung erklärt hat, als Demokraten einheitlich auftreten. Die Demokratie hat die ETA besiegt, und insofern sollten wir als Demokraten diese gemeinsame Solidarität nicht aufbrechen.
Bezüglich des Themas der Migration ist es etwas Ähnliches: Ciudadanos nicht, aber die Partido Popular regiert ja Autonome Regionen und große Städte. Sie hat Spanien bis vor kurzem regiert und weiß genau Bescheid über die Herausforderungen der Migration. Deswegen habe ich einen Staatspakt angeboten. Der Partido Popular und allen demokratischen Kräften biete ich diesen Pakt an, weil das natürlich eine Herausforderung ist, die über die Tätigkeit einer Regierung hinausgeht. Nicht nur die spanische Regierung ist davon überwältigt, sondern es geht auch um lokale Regierungen und um Regionalregierungen.
Ich denke, wenn wir die Oppositionsarbeit so sehen, dass sie gegenüber der Regierung und nicht gegenüber dem Staat opponieren sollte, dann hätten wir eine gute Grundlage für vernünftige Debatten, die von der gesamten Gesellschaft in Spanien verstanden werden könnten.