Humboldt-Professor für Künstliche Intelligenz
Peter Dayan, Humboldt-Professor für Künstliche Intelligenz, ist überzeugt, dass Maschinen schon bald in fast allen Bereichen dem Menschen überlegen sein werden. Angst vor der KI muss dennoch niemand haben. Ein Gespräch über neue Möglichkeiten der Medizin, die Chancen für den deutschen Maschinenbau und seine persönliche Lieblings-KI.
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Herr Dayan, Sie beschäftigen sich sehr viel mit Künstlicher Intelligenz. Wie nutzen Sie in Ihrem Alltag KI persönlich am liebsten?
Peter Dayan: Übersetzungsanwendungen gehören zu meinen liebsten KI-Anwendungen für den täglichen Gebrauch. KI und Maschinelles Lernen - die beiden Felder sind mittlerweile kaum mehr zu trennen - durchdringen jedoch viele Bereiche des Lebens - von der Akku-Lebensdauer meines Mobiltelefons bis zur mehr oder weniger personalisierten Suche.
In welchen Bereichen ist die KI Ihrer Meinung nach der menschlichen Intelligenz überlegen? Und in welchen nicht?
Dayan: Es gibt keinen Bereich, in dem der Mensch das natürliche Maximum an Intelligenz erreicht. Ich gehe davon aus, dass Computer und Roboter uns bald in fast allen Aufgabenbereichen, bei denen es um Intelligenz geht, überlegen sein werden. Allerdings zeigen Computer momentan noch Schwächen bei vielen Aufgaben, die ein fundiertes Verständnis erfordern, zum Beispiel Textverständnis. Sie sind nicht sehr gut darin, wirklich interessante Literatur oder Musikstücke zu kreieren. Zudem sind Roboter nicht sehr gut für Aufgaben geeignet, die zum einen kontextbezogen sind und zum anderen flüssige motorische Abläufe erfordern - wie etwa das Fußballspielen.
Welche Rolle spielt Deutschland in der KI-Forschung?
Dayan: Deutschland kann auf seine bereits erzielten Ergebnisse im Bereich KI stolz sein: mit zum einen Arbeitsgruppen wie die meiner Kollegen von der Max-Planck-Gesellschaft Bernhard Schölkopf und Michael Black und zum anderen mit seiner langjährigen und sehr großzügigen staatlichen Unterstützung für angrenzende Forschungsbereiche wie Computational Neuroscience. Außerdem wichtig sind die Bernstein-Programme des BMBF sowie die kürzlich gezeigte Bereitschaft, die Forschungskapazitäten im Bereich KI dramatisch hochzufahren.
Und welche Rolle spielt Europa bei der Forschung und Entwicklung von KI?
Dayan: Europa als Forschungsregion, zu der wir jetzt mal die Schweiz, Israel, Norwegen und Großbritannien hinzuzählen, leistet einen sehr großen Beitrag zur weltweiten KI-Forschung. Allerdings wird ein hoher Anteil der in Europa betriebenen Forschung von Unternehmen betrieben, die ihren Sitz außerhalb von Europa haben.
In Deutschland gibt es viele innovative Maschinenbauer. Anlagen werden immer intelligenter. Wie stark ist die deutsche Wirtschaft bei KI aufgestellt?
Dayan: Deutschland ist für seine Expertise im Maschinenbau bekannt. Diesen Wettbewerbsvorteil zu behalten, während die Kapazitäten sich zunehmend auf Software statt Hardware stützen, gehört hierbei zu den wesentlichen Herausforderungen.
Betrachten wir die globale Landschaft, so wird deutlich, dass unser lokales Umfeld von KI-basierten Produkten und Dienstleistungen von US-amerikanischen Unternehmen dominiert wird, bei denen auch ein großer Teil des geistigen Eigentums in der Forschung angesiedelt ist. Die chinesische Regierung investiert hohe Summen in KI. Und beide Länder haben Zugriff auf sehr viel größere Datenvolumen als deutsche Unternehmen. Hier sehe ich zwei wesentliche Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft.
Es gibt Menschen, die befürchten, dass ihr Job durch den Einsatz von KI wegfallen könnte. Müssen sich die Menschen vor KI fürchten?
Dayan: Es gibt heute viele Berufe, die es eventuell in Zukunft nicht mehr geben wird. So ist es immer gewesen, wenn es um technischen Fortschritt geht. Es werden allerdings auch neue Berufsfelder entstehen, die vorher nie für möglich gehalten wurden oder vorstellbar waren. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit lehren uns, dass es wahrscheinlich mehr neue Jobs geben wird, als alte wegfallen.
Viele Ihrer Forschungen beschäftigen sich mit Entscheidungsprozessen im Gehirn und die Rolle von neuronalen Störungen bei psychiatrischen Erkrankungen. Welche Rolle sehen Sie für KI zukünftig im Bereich der Medizin?
Dayan: KI wird eine enorm große Rolle bei der intelligenten Sammlung und Integration neuer Arten von medizinisch relevanten Daten spielen, für Diagnosen und Prognosen und das Angebot bestimmter Therapieformen. Ebenfalls von hoher Bedeutung sind die Möglichkeiten, eine viel größere Anzahl von Menschen mit hochwertigen medizinischen Leistungen zu versorgen, da diese kostengünstiger werden.
Der persönliche und unmittelbare Kontakt zwischen Arzt und Patient ist in der Medizin sehr wichtig. Kann KI den Menschen in der Medizin ersetzen?
Dayan: Nehmen wir mal ELIZA, ein frühes KI-Programm, das 1960 entwickelt wurde. Es simulierte eine Psychotherapeutin, die eine Gesprächstherapie durchführte. Trotz der unübersehbaren Schwächen der Maschine, deren Antworten oft jeden Sinn entbehrten, wurde berichtet, dass die Teilnehmer gerne mit ELIZA interagierten und erhebliche Erkenntnisse über ihre psychische Verfassung aus den Gesprächen gewinnen konnten.
Obwohl also die Beziehung zwischen Arzt und Patient selbstverständlich eine große Rolle spielt, halte ich es durchaus für möglich, dass Patienten ihr Gegenüber, auch wenn es eine Maschine ist, ausreichend vermenschlichen, und so eine funktionierende Beziehung zum KI-System aufbauen.
Welche KI-Anwendung würden Sie sich ganz persönlich für den täglichen Gebrauch wünschen?
Dayan: Ich hätte gerne einen wissenschaftlichen Assistenten, dem das gesamte bestehende Wissen zur Verfügung steht und der mir dies perfekt vermitteln könnte, einen kompetenten, personalisierten, intelligenten Lehrer, Tutor und Mentor, der uns unser Leben lang begleitet. Wäre das nicht eine fantastische Hilfe? Allerdings sehe ich nicht, dass dieser Traum in absehbarer Zukunft realisierbar sein könnte - schließlich wäre hierfür ein fundiertes Verständnis notwendig, das die KI bisher noch nicht erreicht.
Der Brite Peter Dayan (54) ist Preisträger der neuen Alexander von Humboldt-Professur für Künstliche Intelligenz. Mit dem höchstdotierten deutschen Forschungspreis sollen die Preisträgerinnen und Preisträger langfristig in Deutschland forschen und erhalten dafür bis zu fünf Millionen Euro, die sie flexibel nutzen können. Jedes Jahr werden sechs neue Alexander von Humboldt-Professuren für Künstliche Intelligenz vergeben.