Galeristin im Interview
Vor 16 Jahren gründete Arne Linde die Galerie ASPN in Leipzig. Dort beherbergt die ehemalige Baumwollspinnerei viele Galerien und Ateliers – sie ist ein Zentrum für zeitgenössische Kunst. Im Bürgerdialog mit Kanzlerin Merkel will Linde über die Lage der Kreativwirtschaft sprechen – und von Ihren Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie berichten.
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Was erwarten Sie vom Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel?
Arne Linde: Ich freue mich sehr eingeladen zu sein. Als Galeristin vertrete ich die Perspektive von Künstlerinnen und Künstlern und zugleich habe ich die Rolle, die bildende Kunst zugänglich zu machen für ihr Publikum und die Öffentlichkeit. Auf die Schwierigkeiten der vergangenen Monate aufmerksam zu machen und vielleicht Impulse für eine Verbesserung geben zu können, liegt mir sehr am Herzen.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Ihr Berufsleben ausgewirkt?
Linde: In den vergangenen zwölf Monaten konnte die Galerie nur teilweise geöffnet sein. Unter normalen Umständen planen wir Ausstellungen und Messen viele Monate, manchmal ein Jahr im Voraus. Insbesondere seit Herbst 2020 habe ich Ausstellungen mehrfach umplanen, verschieben und auch absagen müssen, Messen fielen komplett flach. Das hat alles einen immensen organisatorischen Mehraufwand bedeutet und natürlich auch Ressourcen und Nerven gekostet.
Die Zusammenarbeit hinter den Kulissen hat weiter stattgefunden, mit vielen meiner Künstlerinnen und Künstlern war und bin ich in regem Austausch und bin oft auch Ansprechpartnerin etwa für Fragen der Existenzsicherung, aber auch was die vielfältigen Umplanungen angeht. Es war ein intensives und kräftezehrendes Jahr, auch wenn der sichtbare Output und natürlich auch die wirtschaftlichen Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprachen.
Arne Linde in ihrer Galerie ASPN in Leipzig zeitgenössische Kunst aus und vermittelt diese an Interessierte. Neben einem festen Repertoire an Künstlerinnen und Künstlern organisiert sie thematisch kuratierte Ausstellungen.
Konnten Sie vom Maßnahmenpaket des Bundes oder Ihres Bundeslandes profitieren?
Linde: Ja, ich habe im Frühjahr 2020 einen Soforthilfe-Zuschuss bekommen und konnte im Herbst ein Projekt bei „Neustart Kultur“ einreichen, welches jetzt bald abgerechnet wird. Beide Zuwendungen haben in meinen Augen symbolisch eine positive Wirkung gehabt, jedoch auch ihre Tücken. Bei den Zuschüssen für Solo-Selbständige etwa war es in den meisten Bundesländern nicht möglich, einen sogenannten „Unternehmerlohn“ geltend zu machen, sondern lediglich Ausgaben für Miete, Personalkosten und so weiter.
Ich als Selbständige konnte meinen eigenen Lebensunterhalt entsprechend nur über Rücklagen sichern. Die Handhabe von Solo-Selbständigen und Kleinstunternehmerinnen und -unternehmern, die in der Kunst- und Kulturwirtschaft ja einen erheblichen Anteil ausmachen, hat mir verdeutlicht, wie stiefmütterlich dieser Bereich behandelt wird. Hier hoffe ich, dass ein Lernprozess in Gang kommt.
Wie sehen Sie die Zukunft Ihrer Arbeit?
Linde: Die Kunst hat in den Monaten der Krise gelitten und viel Stillstand ertragen, und ich erwarte, dass sich die aufgestaute Energie ihren Weg bahnen wird und aus den Ateliers, den Werkstätten und Kollektiven wichtige Impulse kommen werden für die Gestaltung einer Gesellschaft, die im vergangenen Jahr in so vieler Hinsicht auf die Probe gestellt wurde. Ich erwarte, dass die Kunst sich Gehör verschafft und wünsche mir von ganzem Herzen, dass nicht zu viele Kunstschaffende, Galerien und auch Institutionen auf der Strecke bleiben. Meine persönliche galeristische Arbeit wird wohl in den nächsten ein, zwei Jahren davon geprägt sein, die Lücke aufzuarbeiten, die die Corona-Zeit gerissen hat.
Wie viel Digitalisierung verträgt die Kulturbranche?
Linde: Kunst ist extrem physisch und öffnet immer auch einen sozialen Raum. Ein Kunstwerk auf einer Postkarte oder einem Handydisplay wird das Erleben des Originals nie wirklich ersetzen können. Ich habe in den vergangenen Monaten erfahren, dass die Sehnsucht nach der Begegnung mit der Wirklichkeit immens groß ist. Es geht da auch um Austausch, Gemeinschaftsgefühl und darum, voneinander und von der Kunst zu lernen. Das gelingt am besten, wenn wir uns wirklich begegnen. Einige Prozesse lassen sich mit Sicherheit digital sogar besser organisieren als analog – da unterscheidet sich die Büroarbeit der Galerien nicht von derjenigen der Gesundheitsämter. Aber ein Galeriebesuch ist wie ein Stück Torte: Ein Foto davon ist schön, am Bildschirm lecken bringt aber nichts.
Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft in der virtuellen Dialogreihe „Die Bundeskanzlerin im Gespräch“ am Dienstag, 27. April, Kunst- und Kulturschaffende. Dabei soll es auch um deren Erfahrungen aus der Corona-Pandemie und Erwartungen an die nächsten Monate gehen.