Teilhabe durch Sport
"Wie soll ich da nur hochkommen?" Das fragt sich vermutlich jeder, der zum ersten Mal vor einer Kletterwand steht. Wie muss das erst für eine Person sein, die im Rollstuhl sitzt? Doch beim Münchner Kletterverein "Ich will da rauf!" ist selbst das kein Hindernis.
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"Beim Klettern rückt die Behinderung in den Hintergrund", sagt Katrin Eisenhofer. Weil alle ihr Tempo und ihren Schwierigkeitsgrad selbst bestimmen könnten, eigne sich Klettern besonders gut als inklusive Sportart. So klettern dann Menschen mit Epilepsie, Trisomie 21 oder Querschnittslähmung gemeinsam mit anderen, die keine Beeinträchtigung haben.
Durch das gegenseitige Sichern wird aus dem vermeintlichen Einzelsport ein Teamsport. Mit Unterstützung der Trainerinnen und Trainer dürfe prinzipiell jeder sichern, sagt Katrin Eisenhofer. "Menschen mit einer Behinderung merken dabei, dass ihnen etwas zugetraut wird und das ist ein unbeschreibliches Gefühl", erklärt Lena Frank.
Der Verein "Ich will da rauf!" wurde 2008 in München gegründet und setzt sich seither für das Thema Inklusion ein. Katrin Eisenhofer leitet die Geschäftsstelle, Lena Frank koordiniert das Projekt "Seilschafft Inklusion!". Erst kürzlich wurde der Verein von der Europäischen Kommission mit dem #BeInclusive EU-Sportpreis ausgezeichnet. Bundeskanzlerin Angela Merkel ehrte "Ich will da rauf!" 2017 im Rahmen des "startsocial"-Bundespreises.
Manche Rollstuhlfahrer können hervorragend klettern
Und wie klappt das mit dem Rollstuhl? Die meisten Rollstuhlfahrer könnten ihre Beine noch ein bisschen bewegen, hätten aber Probleme mit dem Gleichgewicht, schildert Katrin Eisenhofer: "Die können dann nicht richtig laufen, aber hervorragend klettern, weil sie durch das Seil abgesichert sind". Querschnittsgelähmte Kletterinnen und Kletterer würden beim Setzen der Füße von Trainern und Ehrenamtlichen unterstützt. "Die sind wahnsinnig trainiert und machen dann alles aus dem Oberkörper heraus", ergänzt Lena Frank.
Verein profitiert von europäischem Austausch
Frank reiste im November 2019 als Vertreterin des Vereins zur Verleihung des #BeInclusive Sportpreises der EU nach Brüssel. Gemeinsam mit "Ich will da rauf!" wurden ein österreichisches und ein portugiesisches Projekt mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Neben dem Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro profitierten die Münchner vor allem vom Austausch mit den anderen europäischen Projekten: "Es war sehr spannend zu sehen, dass verschiedene Organisationen einen ähnlichen Ansatz haben wie wir. Das hat uns noch einmal einen richtigen Schub nach vorn gegeben", berichtet Lena Frank.
Das Preisgeld aus Brüssel nutzen die Münchner derzeit, um ein weiteres Projekt ins Rollen zu bringen: Mit "Seilschafft Inklusion!" unterstützen sie andere Vereine und Privatpersonen mit einjährigen Weiterbildungsstipendien dabei, selbst inklusive Klettergruppen aufzubauen. Inklusion sei schließlich in der Gesellschaft noch immer nicht richtig etabliert, gibt Katrin Eisenhofer zu bedenken.
Was tut die Bundesregierung im Bereich Inklusion?
Dass Deutschland im Bereich Teilhabe noch ein Stück Weg vor sich hat, sagte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel beim 70. Jahrestag des Sozialverbands VdK. Doch mit dem Bundesteilhabegesetz sei bereits ein wichtiger Schritt getan worden. So soll beispielsweise das "Budget für Arbeit" Menschen mit Behinderung bessere Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen.
Damit dies auch für den Bereich der beruflichen Ausbildung gilt, enthält das Angehörigenentlastungsgesetz ein Budget für Ausbildung. Außerdem wird mit dem Gesetz aus dem Jahr 2019 die finanzielle Ausstattung der unabhängigen Teilhabeberatung verbessert und längerfristig gesichert. Mit diesen und weiteren Maßnahmen will die Bundesregierung für Gleichbehandlung sorgen und Chancengleichheit fördern.