Expedition der Superlative
Nach einem Jahr in der Arktis ist das Forschungsschiff "Polarstern" wieder in seinen Heimathafen eingelaufen. In Bremerhaven wurde die Besatzung und die Wissenschaftler von Bundesforschungsministerin Karliczek und der Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts Boetius erwartet.
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Die "Polarstern" ist wieder in ihrem Heimathafen Bremerhaven angekommen. Vor 389 Tagen, am 20. September 2019, war der Forschungseisbrecher zu einer bislang noch nicht dagewesenen Expedition aufgebrochen. Ein Jahr lang war das Schiff eingefroren im ewigen Eis des Nordpolarmeeres.
Die Besatzung und die Forscher an Bord trotzten dabei extremer Kälte, arktischen Stürmen und sich immer wieder veränderten Bedingungen an der Eisscholle, an der das Schiff verankert und in dessen Umfeld eine kleine Forschungsstadt errichtet wurde. Ziel war es, den Einfluss der Arktis auf das globale Klima besser zu verstehen.
Die MOSAiC-Expedition war mit einem Budget von gut 140 Millionen Euro die bisher teuerste und logistisch aufwendigste im Nordpolarmeer. Beteiligt waren unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) rund 70 wissenschaftliche Institute aus fast 20 Ländern mit mehr als 300 Forschern.
Datenschatz für den Klimaschutz
"MOSAiC, die größte Arktisexpedition aller Zeiten, ist ein historischer Meilenstein für die Klimaforschung", betonte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek zum Ende der Mission. "Während ihrer langen Zeit im arktischen Eis haben die Forscherinnen und Forscher einen einmaligen Datenschatz gehoben, von dem noch Generationen nach uns profitieren werden."
Die gewonnenen Daten werden dazu beitragen, entscheidende Wissenslücken aus dieser Region zu schließen. "Dadurch können wir Klimamodelle präzisieren und neu bewerten", so Karliczek weiter. "Nur, wenn wir wissen, wie sich das Klima in der Arktis entwickelt, sind wir in der Lage, auch bei uns in Deutschland Vorsorge gegen Klimaveränderungen zu treffen und effektiv dem Klimawandel entgegenzuwirken."
Die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Professorin Antje Boetius, freute sich über die Rückkehr der "Polarstern" und das erfolgreiche Ende der Mission. "Mit der Expedition haben wir uns auf die Spuren des norwegischen Polarforschers Fridtjof Nansens begeben, der vor gut 125 Jahren die erste Eisdrift durch den Arktischen Ozean wagte." Doch selbst mit den Möglichkeiten der modernen Polarforschung habe "die aufregende Expedition, die uns weit über unsere Grenzen des Wissens hinaus gebracht hat, den Teilnehmenden auch viel abgefordert".
Allen Widrigkeiten getrotzt
Mit an Bord war auch der Expeditionsleiter Markus Rex. Der Atmosphärenphysiker des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung hat drei der fünf Etappen der MOSAiC-Expedition begleitet. Hinter ihm und seinem Team liegt eine der abenteuerlichsten Fahrten in der Geschichte der Arktis-Forschung, die am 20. September 2019 in Norwegen begann - und die wegen der Corona-Pandemie zeitweise auf der Kippe stand.
Zehn Monate lang driftete die "Polarstern" – angedockt an eine 2,5 mal 3,5 Kilometer großen Eisscholle – durch die Arktis. Den gesamten Eiszyklus vom Gefrieren bis zur Schmelze zu beobachten, zu messen und zu dokumentieren – das konnten die Wissenschaftler so zum ersten Mal. Sie versprechen sich von den gewonnenen Daten wichtige Erkenntnisse über das Nordpolarmeer - und über den Klimawandel.
Nach dem Zerbrechen der Scholle Ende Juli in der sommerlichen Arktis führte die abschließende Etappe die "Polarstern" unter Motor noch einmal Richtung Nordpol. Was Rex da gesehen hat, hat ihn entsetzt: "Das Eis am Nordpol war völlig aufgeschmolzen, bis kurz vor dem Pol gab es Bereiche offenen Wassers." Dort, wo normalerweise dichtes, mehrjähriges Eis war, sei die "Polarstern" in Rekordzeit durchgefahren. "Wir haben dem Eis beim Sterben zugeschaut", sagt Rex.
Es ist eines der Erlebnisse, die ihm und seinem Team in Erinnerung bleiben werden von einer Fahrt der Superlative. Mit 140 Millionen Euro Budget war es die bisher teuerste und logistisch aufwendigste Expedition in die zentrale Arktis. Fast 500 Menschen aus allen Ecken der Welt waren etappenweise an Bord. Der Expeditionsleiter fühlte sich für das Wohlergehen aller verantwortlich. Er ist nun froh, dass die Reise ohne größere Blessuren zu Ende geht. Das Schlimmste sei ein Beinbruch eines Kollegen gleich am Anfang an Bord gewesen. Dazu kamen kleinere Erfrierungen im Gesicht bei einigen Teilnehmern - bei bis zu minus 42 Grad nichts Ungewöhnliches. "Die verheilten aber problemlos", sagt Rex.
Der Expeditionsleiter ist mehr als zufrieden mit dem Verlauf der Forschungsgreise. "Nicht mal Corona hat uns aus der Bahn geworfen", betont er. "Ich bin sehr glücklich über den Erfolg der MOSAiC-Expedition. Wir liefern mit ihr die so dringend benötigten Klimadaten und Beobachtungen, die die Menschheit für drängende tiefgreifende politische Entscheidungen zum Klimaschutz benötigt." In dem gesamten Jahr wurden unzählige Proben und Daten von Eis, Schnee, Wasser und Luft gesammelt. "Die werden noch künftige Generationen von Wissenschaftlern beschäftigen", ist sich Rex sicher.