Wissenschaftler liefern Daten für optimierte Schiffsrouten 

Meeresforschung für den Klimaschutz Wissenschaftler liefern Daten für optimierte Schiffsrouten 

Die Schifffahrt ist weltweit für den Ausstoß von knapp einer Milliarde Tonnen CO2 verantwortlich. Wie die mit Förderung des Bundesforschungsministeriums entwickelten Ozeanmodelle zur Optimierung von Schiffsrouten und somit zur Reduktion von Emissionen beitragen können, erklärt Professor Arne Biastoch vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung.

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Porträtfoto von Professor Arne Biastoch

Professor Arne Biastoch ist Experte für Ozeandynamik am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

Foto: GEOMAR

Herr Professor, Meeresströmungen beeinflussen nicht nur unser Klima und die Ökosysteme im Ozean, sondern seit Jahrtausenden auch die Schifffahrt. Welche Rolle spielen diese Strömungen heute im globalen Warenverkehr auf der See?

Die großen Oberflächenströmungen, wie zum Beispiel der Golfstrom, sind den Nautikern und Kapitänen schon lange bekannt und in Seekarten vermerkt. Diese Strömungen sind aber hochvariabel und müssen daher tagesaktuell in Betracht gezogen werden. Leistungsstarke Ozeanmodelle, die auf physikalischen Gleichungen beruhen, geben uns – in Kombination mit Satellitenmessungen und autonomen Messsystemen – eine gute flächendeckende Kenntnis von Strömungen und Wellen.

Mit welchen Geschwindigkeiten bewegen sich große Meeresströmungen?

Selbst prominente Oberflächenströmungen sind meist nicht stärker als fünf bis zehn Kilometer pro Stunde. Das erscheint nicht viel, bewegt aber, über mehrere hundert Kilometer Breite und über einen Kilometer Tiefe betrachtet, enorme Mengen an Wasser und Wärme. Meeresströmungen spielen somit eine wichtige Rolle im Klimageschehen. Wichtig für die Schifffahrt ist dann weiterhin, dass alle Ozeane stark von Wirbeln dominiert sind. Strömungen ändern somit Stärke und Richtung auf Zeitskalen von wenigen Wochen, teilweise Tagen.     

Kommt es durch den Klimawandel und der prognostizierten Zunahme der Windgeschwindigkeiten auch zu einer Beschleunigung der Strömungen?

In Folge des Klimawandels ist mit einer Abschwächung des Golfstromsystems zu rechnen, und damit einem geringeren Wärmetransport nach Norden. Bei den für die Schifffahrt wichtigen Oberflächenströmungen wird man das allerdings kaum feststellen können, da die lokalen Änderungen gering sind und der direkte Windeinfluss entscheidend ist.

Welche Hilfsmittel stehen heute für die Berechnung der Meeresströmungen zur Verfügung?

Ozeanmodelle simulieren Meeresströmungen auf Computern. Die Grundlagen dafür basieren auf den Gesetzen der Physik und sind gut bekannt. Für die genaue Berechnung mit entsprechender Auflösung sind allerdings leistungsstarke Supercomputer erforderlich. Zur Überprüfung und Korrektur von Ozeanmodellen verwenden wir Oberflächenströmungen und – temperaturen von Satelliten und Tiefeninformationen von Schiffsmessungen und autonomen Messsystemen. 

Auch wenn diese Technologien viel über die Dynamik des Ozeans verraten – gibt es weiterhin überraschende Erkenntnisse, durch die bisherige Annahmen und Modelle revidiert werden müssen?

Insbesondere die kleinen Skalen unterhalb von einem Kilometer bieten Überraschungen, da sie oftmals durch die Raster von Beobachtungen und Modellen fallen. Wir stellen bereits fest, dass kleinräumige Bewegungen durchaus wichtig für die großräumige Dynamik sind. Auch die Tiefen der Ozeane können noch Überraschungen bereithalten, da Messungen hier nur begrenzt möglich sind und wir weniger Daten für die Überprüfung von Modellen haben. 

Darstellung von Oberflächenströmungen in einem hochauflösenden Modell des Atlantiks

Durch die Darstellung von Oberflächenströmungen des Atlantiks können Schiffsrouten optimiert werden.

Foto: GEOMAR

Wie können diese Forschungsergebnisse für die Schifffahrt genutzt werden? Ist es künftig möglich, die Routen der Frachtschiffe an Wind, Wellen und Strömungen anzupassen?

Mit Partnern aus der Industrie arbeiten wir an der Möglichkeit, Wind, Wellen und Strömungen in Echtzeit verfügbar zu machen, damit diese Daten in die Routenplanung großer Schiffe einfließen. In Gesprächen zeigen Reedereien hier großes Interesse. Die benötigten Daten sind eigentlich schon heute verfügbar; Sie müssen aber sinnvoll zusammengefügt werden. Die dann folgende Routenoptimierung ist komplex, da der Ozean keine festen Straßen hat und die Schiffsführung auch noch von weiteren Faktoren, wie festgelegten Hafenzeiten, bestimmt wird.

Wie viel Treibhausgas-Emissionen lassen sich durch eine optimierte Routenplanung in der Handelsschifffahrt einsparen?

Die Seeschifffahrt trägt heute zu mehr als 2,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen bei, das entspricht ungefähr dem Anteil Deutschlands. Die Emissionsziele der IMO (International Maritime Organization) geben bis 2030 eine Reduktion um 40 Prozent, bezogen auf die Transportleistung gegenüber 2008, bis 2050 sogar mindesten 50 Prozent vor. Wir hoffen, dass die Berücksichtigung von Wind, Wellen und Strömungen hierzu einen Beitrag leisten kann. Wie hoch dieser Beitrag sein wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen.

Aufgrund der herausragenden Bedeutung des Atlantischen Ozeans im Klimasystem fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Erforschung der regionalen Atlantikzirkulation seit 2006 in verschiedenen Projekten. So haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehrerer deutscher Meeresforschungsinstitute in den Vorhaben RACE und RACE Synthese den Zustand der Atlantikzirkulation, die künftig zu erwartenden Änderungen der Strömungen sowie die Auswirkungen auf das Klima und den Küstenschutz untersucht. Die Daten fließen in hochauflösende ozeanographische Strömungsmodelle ein, die wiederum eine Grundlage für die Optimierung von Schiffsrouten bilden.