„Diese Freiheit wurde errungen“

Tag der Deutschen Einheit 2021 „Diese Freiheit wurde errungen“

Deutschland feierte den 3. Oktober dieses Jahr in Halle (Saale). In ihrer Rede beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit betonte Kanzlerin Merkel, dass die Demokratie gelebt, ausgefüllt, geschützt werden müsse. Die Lehre aus 31 Jahren Deutscher Einheit sei, dass es Respekt vor den jeweiligen Biografien und Erfahrungen und auch vor der Demokratie brauche.

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Kanzlerin Merkel während ihrer Rede beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit 2021.

"Demokratie ist nicht einfach da, sondern wir müssen immer wieder für sie miteinander arbeiten, jeden Tag“, so die Bundeskanzlerin in ihrer Festrede.

Foto: Staatskanzlei Sachsen-Anhalt/Schlüter

„Gemeinsam Zukunft formen“ – unter diesem Motto hat Sachsen-Anhalt als Gastgeberland die diesjährigen Feiern zum Tag der Deutschen Einheit ausgerichtet. Am Festakt in der Georg-Friedrich-Händel-Halle nahmen die Spitzen der Verfassungsorgane und zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Staat und Zivilgesellschaft teil.

Freiheit „brach nicht einfach über uns herein“ 

Der 3. Oktober stehe für die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit, unterstrich Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Festrede. Doch diese Freiheit „brach nicht einfach über uns herein, diese Freiheit wurde errungen“, so Merkel. Von Menschen in der DDR, die für ihre Rechte, für ihre Freiheit und für eine andere Gesellschaft „alles riskiert haben“. Es hätte auch anders ausgehen können, betonte Merkel. Wer damals auf die Straße gegangen sei, um für demokratische Rechte zu demonstrieren, konnte nicht wissen, ob dies „nicht bitter bestraft würde“, so Merkel. „Das ist wahrhaftiger Mut“. 

Nie dürfe vergessen werden, dass die Einheit nicht möglich geworden wäre „ohne das Engagement unserer Nachbarn in Mittel- und Osteuropa“ und „die Unterstützung unserer Partner im Westen“, die einem wiedervereinigten Deutschland „ein keineswegs selbstverständliches Vertrauen“ entgegenbrachten.

Gesellschaftlicher Zusammenhalt steht auf dem Prüfstand

Da sie persönlich die Mauer, die SED-Diktatur, die Angst vor der Stasi-Bespitzelung und die Unfreiheit noch selbst erlebt habe, wisse sie: Die Demokratie musste errungen werden – und sie muss gelebt, ausgefüllt und geschützt werden. „Sie braucht uns so, wie wir sie brauchen. Demokratie ist nicht einfach da, sondern wir müssen immer wieder für sie miteinander arbeiten, jeden Tag“. 

Merkel sprach ihre Befürchtung aus, dass mit den demokratischen Errungenschaften manchmal zu leichtfertig umgegangen werde. Angriffe auf die Pressefreiheit, das Schüren von Hass und Ressentiments durch Lügen und Desinformation, Angriffe auf Menschen und Gruppen aufgrund von Aussehen, Herkunft oder ihrem Glauben, ja Angriffe auf die Demokratie: „Nicht weniger als unser gesellschaftlicher Zusammenhalt steht deshalb auf dem Prüfstand“, so die Bundeskanzlerin. 

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Video 31 Jahre Deutsche Einheit

„Vielfalt und Unterschiede sind Ausdruck gelebter Freiheit“

Die Anfeindungen von Menschen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, mit einer „verbalen Verrohung und Radikalisierung“, dies müsse von allen zurückgewiesen werden, nicht nur von den Opfern. Ereignisse wie die Ermordung von Walter Lübcke, der Anschlag auf die Synagoge in Halle, das Attentat von Hanau oder die Ermordung eines Tankstellenmitarbeiters in Idar-Oberstein zeigten: „Allzu schnell münden verbale Attacken in Gewalt“, so Merkel.

Demokratie aber schütze individuelle Überzeugungen und Lebensentwürfe: „Vielfalt und Unterschiede sind Ausdruck gelebter Freiheit“, betonte die Kanzlerin. Daher müsse man sich fragen, „wie wir die Demokratie vor denen schützen, die sie missachten, die sich verachten“. 

Für die Ostdeutschen verändert sich fast alles

Die Kanzlerin fragte, ob nicht auch drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung Menschen mit Herkunft aus der DDR ihre Zugehörigkeit zum wiedervereinten Deutschland „gleichsam immer wieder neu beweisen“ müssten – „als sei die Vorgeschichte, also das Leben in der DDR, irgendwie eine Art Zumutung“. So sei auch ihre DDR-Biographie vor kurzem in einem Buch als „Ballast“ bezeichnet worden. Merkel zeigte sich überzeugt: „Bis heute wird zu wenig gesehen, dass die Wiedervereinigung für die allermeisten Menschen im Westen im Wesentlichen bedeutete, dass es weiterging wie zuvor, während sich für uns Ostdeutsche fast alles veränderte: Politik, Arbeitswelt, Gesellschaft“.

„Gibt es zwei Sorten von Bundesdeutschen und Europäern?“

Auch „deprimierende Erfahrungen“ seien Teil der Geschichte, die nicht ignoriert werden dürften – „schon allein aus Respekt vor persönlichen Biografien“, aber auch, weil die Gestaltung der Einheit kein abgeschlossener Prozess sei und darauf geachtet werden müsse, dass nicht plötzlich bei manchen „ihre Herkunft gegen sie veranschlagt wird“. Auch aus eigener Erfahrung müsse sie fragen: „Gibt es zwei Sorten von Bundesdeutschen und Europäern – das Original und die Angelernten, die ihre Zugehörigkeit jeden Tag aufs Neue beweisen müssen?“ Gebe es „hier die einen, die seit jeher Bundesdeutsche sind, dort die anderen, die Hinzugekommen, die sich durch Übung etwas aneignen müssen?“

Veränderungsbereitschaft und Solidarität

Merkel betonte, Deutschland sei ein Land, „in dem alle miteinander immer neu lernen“. In dem Umbrüche und Neuanfänge als Erfahrungen anerkannt werden, „die uns gemeinsam Zuversicht und Stärke“ geben. Ein Land, dessen Erfahrungen aus der Wiedervereinigung auch für die Bewältigung heutiger Transformationsprozesse helfen können – etwa beim Klimaschutz oder dem digitalen Fortschritt. Ein Land, dass um die Verantwortung wisse, „dass jeder Mensch Chancen braucht, dass jede und jeder Einzelne sich gehört und zugehörig fühlen können muss". Aus einem solchen Zusammengehörigkeitsgefühl würden Veränderungsbereitschaft und Solidarität erwachsen. 

"Wir brauchen Respekt vor den jeweiligen Biografien“

Deutschland müsse weiter gestaltet werden – und über diese Gestaltung „lässt sich auch künftig trefflich streiten“. Doch die Antwort darauf liegt „in unseren eigenen Händen“. Durch gegenseitiges zuhören und miteinander sprechen werden Unterschiede, „aber vor allem auch Gemeinsames entdecken werden“. Die Lehre aus 31 Jahren Deutsche Einheit sei: "Wir brauchen Respekt vor den jeweiligen Biografien und Erfahrungen und auch vor der Demokratie.“

EinheitsEXPO auf dem Hallmarkt in Halle (Saale)
Auf dem Hallmarkt in der Innenstadt von Halle (Saale) hatte vom 18. September bis zum 3. Oktober die EinheitsExpo ihre Tore geöffnet. Neben den 16 Bundesländern präsentierten sich dort auch die Verfassungsorgane Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht in unmittelbarer Nachbarschaft.
Die Bundesregierung war mit einer Medieninstallation auf dem Hallmarkt dabei. Insbesondere junge Menschen aus ganz Deutschland gaben dort in Videos Antworten auf die Frage: Was eint uns heute? Zudem wurden Demokratieprojekte vorgestellt, die sich drängenden Fragen unserer Gesellschaft stellen und in denen Menschen sich für ein lebenswertes Deutschland engagieren.
Die auf der Installation der Bundesregierung gezeigten Videos können Sie zudem in unserem Bericht über die EinheitsEXPO anklicken.