Ferngesteuerte Fischfarmen

Nachhaltige Nahrungsmittelproduktion Ferngesteuerte Fischfarmen

Fischfarmen sollen künftig mitten in den Ozeanen entstehen. So die Idee eines Kieler Forschungsteams. Das Konzept könnte nachhaltig zum Schutz der durch Überfischung und Umweltgifte gefährdeten Fischbestände beitragen. Um die Farmen vor Stürmen und weiteren Umwelteinflüssen zu schützen, gibt es ein besonderes System.

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Auf dem Bild sind Menschen zu sehen, die auf mehrere Bildschirme mit Ozeandaten blicken.

Wie können Aquakulturen nachhaltiger werden? Computersoftware kann helfen, optimale Standorte für Fischzucht im Ozean zu finden. 

Foto: FTZ Kiel

Es mutet an wie eine kühne Zukunftsvision: Im offenen Meer werden riesige Aquakulturen betrieben, die aus der Ferne kontrolliert und gesteuert werden. Bei schweren Stürmen werden die Anlagen automatisch abgesenkt, um einer Zerstörung durch Seegang zu entgehen, und tauchen nach Abzug der Gefahr wieder auf.

Schon heute gilt ein Drittel aller Fischbestände als überfischt. Dabei ist Fisch der wichtigste Proteinlieferant – noch vor Geflügel und Schweinefleisch. 17 Prozent der Menschen decken ihren Eiweißbedarf hauptsächlich über Nahrungsmittel aus dem Meer. Diese Nachfrage soll sich laut Prognosen bis 2040 mehr als verdoppeln.

Computer berechnen ideale Standorte im Ozean

Die wissenschaftlichen Grundlagen zu einem solchen Konzept wurden von Professor Roberto Mayerle in dem 2010 beendeten Forschungsprojekt SYSMAR gelegt. Im Mittelpunkt des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts standen ökologisch nachhaltige Lösungen für Aquakulturen in Indonesien. Mayerle ist Leiter des Forschungs- und Technologiezentrums Westküste (FTZ). 

Die Forscher entwickelten eine Computersoftware, die globale Modelle und Satellitendaten nutzt, um daraus Meeresströmungen und Seegang auch in entlegenen Regionen zu berechnen. Dadurch werden geeignete Areale für Aquakulturen eingegrenzt.     

Vor allem beim Bau großer Fischzuchtanlagen müssen laut Mayerle viele Faktoren wie Strömung, Salzgehalt, Temperatur und Seegang berücksichtigt werden. "In Indonesien wurden diese Faktoren in der Planung eher wenig beachtet", sagt Mayerle, der von einem Aquakulturboom in dem Inselstaat berichtet. "In manchen Meeresregionen sind die Grenzen der nachhaltigen Fischproduktion aber schon erreicht."

Elf Millionen Quadratkilometer Meeresfläche geeignet

Eine intensive Fischzucht in Küstennähe birgt aus seiner Sicht das Risiko, dass empfindliche Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten und die Lebensgrundlage der Küstenbewohner gefährdet wird. Allein im Nordwesten der Urlaubsinsel Bali existieren laut Mayerle 30 große Fischfarmen. Rund 1.200 Tonnen Fisch werden dort jährlich produziert.

Mayerle will Fischfarmen dorthin verlegen, wo sie empfindliche Küsten-Ökosysteme kaum beeinträchtigen: auf die hohe See. Rund elf Millionen Quadratkilometer Meeresfläche sind für Offshore-Farmen geeignet, in denen theoretisch 15 Milliarden Tonnen Fisch pro Jahr gezüchtet werden könnten.

Auch die Lachszuchtfirmen in Norwegen planen zunehmend die Verlagerung der Farmen aus Fjorden und Buchten auf den offenen Atlantik. Wesentliche Gründe dafür sind der Platzmangel und die Ausbreitung von Parasiten. Ein erstes großes Pilotprojekt, die "Ocean Farm 1", ging bereits in Betrieb.

Aquakulturen haben eine zentrale Bedeutung, um die wachsende Weltbevölkerung mit Fisch zu versorgen. Laut einem Bericht der Welternährungsorganisation FAO kam im Jahr 2016 fast jeder zweite weltweit verarbeitete Fisch aus einer Zuchtfarm – 80 von insgesamt 171 Millionen Tonnen. Vor allem in Afrika und Asien entstehen vielfach Aquakulturen.

"Wie ein Fahrstuhl"

Das Team von Mayerle will die genannte Computersoftware auch unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz und moderner Messtechnik weiter optimieren, um den Schutz der Offshore-Farmen vor extremen Wetterlagen zu verbessern. "Unsere Modelle können mehrere Tage im Voraus berechnen, wann und wie hoch sich Wellen auftürmen", sagt der aus Brasilien stammende Forscher.

Über hydraulische Systeme können die am Meeresboden verankerten Zuchtanlagen nach unten gefahren werden. "Das funktioniert im Prinzip wie ein Fahrstuhl", sagt der Forscher. Mit diesem System, so glaubt Mayerle, könnte das Zerstörungsrisiko für Offshore-Fischzuchtanlagen erheblich gesenkt werden. Im nächsten Jahr soll ein Prototyp vor Bali installiert werden, ausgerüstet mit Messinstrumenten der Kieler Forscher.

Auch andere Länder zeigen großes Interesse an der innovativen Software. Diese sei erst durch die Förderung des Bundesforschungsministeriums möglich gewesen, betont Mayerle.