Wie entsteht ein EU-Gesetz?

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Wissen vertiefen zur EU Wie entsteht ein EU-Gesetz?

Die Gestaltung europäischer Gesetze ist eine der wichtigsten Aufgaben des Europaparlaments. Auf europäischer Ebene unterscheidet sich das Gesetzgebungsverfahren jedoch grundlegend von dem in den Mitgliedstaaten.

4 Min. Lesedauer

Ein Richterhammer aus Holz vor der Flagge der Europäischen Union.

Nur die Europäische Kommission kann Gesetzesvorschläge einbringen, über die der Ministerrat und das Europäische Parlament dann verhandeln. 

Foto: Colourbox

Eine der wichtigsten Aufgaben des Europäischen Parlaments (EP) ist die europäische Gesetzgebung. Die Abgeordneten achten darauf, dass die europaweit geltenden Regeln den Bedürfnissen der Wählerinnen und Wähler entsprechen. Auf EU-Ebene unterscheidet sich das Gesetzgebungsverfahren grundlegend von dem in den 27 Mitgliedstaaten. 

Wer darf Gesetze vorschlagen?

Grundsätzlich hat nur die Europäische Kommission das Recht, Gesetzentwürfe vorzulegen. Allerdings können das Europäische Parlament , der Ministerrat und der Europäische Rat die Kommission auffordern, tätig zu werden.

Das können auch die Bürgerinnen und Bürger der EU: In einem Volksbegehren können eine Millionen Wählerinnen und Wähler sie auffordern, sich eines bestimmten Themas anzunehmen.

Wer entscheidet darüber?

Seit dem Vertrag von Lissabon sind das EP und der EU-Ministerrat gleichberechtigte Gesetzgeber der Europäischen Union. Beide Gremien müssen einem Entwurf zustimmen, damit das Gesetz verabschiedet werden kann. Dieser Prozess heißt ordentliches Gesetzgebungsverfahren.

Ministerrat und EP werden beim Gesetzgebungsverfahren vom Ausschuss der Regionen und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss beraten. Beide Ausschüsse müssen gehört werden und geben Stellungnahmen ab.

Wie ist der Ablauf eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens?

Die Europäische Kommission legt einen Vorschlag für ein EU-Gesetz vor. Nicht selten basiert dieser auf einer Aufforderung des Europäischen Parlaments, tätig zu werden. Der Gesetzesvorschlag geht an das EP und den Rat. Dann beginnen die sogenannten Lesungen. 

Erste Lesung

Zuerst wird der Vorschlag im Europäischen Parlament in den zuständigen Fachausschüssen beraten und bei Bedarf verändert. Im Plenum des EP wird dann dieser geänderte Gesetzesvorschlag besprochen und es wird über ihn abgestimmt. Nun gibt es zwei Optionen:

1. Entweder das Parlament beschließt keine Änderungen und der Rat akzeptiert den Vorschlag ebenfalls ohne Einwände. Dann ist das EU-Gesetz so angenommen. Das ist bei der großen Mehrheit der Vorschläge der Fall. 

2. Das Parlament verlangt Änderungen. Dann wird dem Rat der geänderte Vorschlag vorgelegt. Auch hier gibt es zwei Optionen:

a) Billigt der Rat alle Änderungsvorschläge des EP und ändert den Kommissionsvorschlag darüber hinaus nicht ab, ist der Rechtsakt angenommen. 

b) Akzeptiert der Rat nicht alle Änderungen des Parlaments, muss er mit qualifizierter Mehrheit einen Standpunkt beschließen, der dem Parlament übermittelt wird und der die Begründung für die Ablehnung enthält. Die Kommission nimmt gegenüber dem Parlament ebenso Stellung. In diesem Fall ist eine zweite Lesung notwendig.

Zweite Lesung

Im Plenum des Europäischen Parlaments wird der Gesetzesvorschlag mit dem Standpunkt des Rates beraten. Hier gibt es drei Optionen:

1. Wenn das Parlament den Standpunkt des Rates billigt, gilt der Rechtsakt als angenommen. 

2. Wenn das Parlament den Standpunkt des Rates mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder ablehnt, gilt der Rechtsakt als nicht angenommen und das Verfahren ist beendet. Es gibt dann kein Gesetz.

3. Beschließt das Parlament Änderungen zum Standpunkt des Rates, übersendet es diese dem Rat und der Kommission. Hier gibt es wiederum zwei Optionen:

a) Falls der Rat die Änderungen, die das Parlament beschlossen hat, annimmt, ist der Rechtsakt angenommen. 

b) Wenn man sich nicht einigt, geht das Verfahren in die dritte Lesung. 

Dritte Lesung

Hier wird der Vermittlungsausschuss tätig, dem die Mitglieder des Rates und eine gleiche Anzahl von Europaabgeordneten angehören. Innerhalb von sechs Wochen soll dieses Gremium sich einigen und einen gemeinsamen Entwurf erarbeiten. Dabei gibt es zwei Optionen:

1. Wenn der Vermittlungsausschuss den gemeinsamen Entwurf nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist billigt, gilt der Rechtsakt als nicht angenommen. Dann ist das Gesetzesvorhaben gescheitert.

2. Einigt sich der Vermittlungsausschuss auf einen gemeinsamen Entwurf, wird dieser dem Rat und dem EP mit der Bitte um Zustimmung zugeleitet. Wenn beide innerhalb von sechs Wochen ihre Zustimmung geben, ist das Gesetz angenommen. Andernfalls ist es gescheitert.

In einer Infografik zeigt das Europäische Parlament übersichtlich, wie das ordentliche Gesetzgebungsverfahren in der EU funktioniert.

Wie lange dauert das Verfahren?

Für die erste Lesung des Entwurfs gibt es keine zeitliche Beschränkung. Für die zweite Lesung haben die Organe drei Monate Zeit. Gegebenenfalls können sie eine Verlängerung um einen Monat beantragen.

Welchen Einfluss haben die nationalen Parlamente?

Die nationalen Parlamente müssen zeitgleich mit dem Europäischen Parlament von der EU-Kommission über Gesetzesinitiativen informiert werden. Sie können gegen die Gesetzesinitiative Stellung beziehen. Lehnen mindestens ein Drittel der Mitgliedstaaten den Gesetzesentwurf ab, muss dieser erneut überprüft werden. Das ermöglicht den nationalen Parlamenten, die Gesetzgebung auf EU-Ebene zu kontrollieren und zu beeinflussen.

Was ist ein Trilog?

Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gibt es die Möglichkeit, Verhandlungen in einem informellen Trilog zu führen. Dazu kommen Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission, des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments zusammen – den drei am EU-Gesetzgebungsprozess beteiligten Organen. Wenn sie eine vorläufige Einigung zu einem Gesetzesvorschlag erzielen, können sie das Verfahren erheblich verkürzen. Diese vorläufige Vereinbarung muss im nächsten Schritt von jedem der drei Organe in förmlichen Verfahren angenommen werden.

Welche Rechtsakte kennt die EU?

Rechtsakte sind juristische Handlungen: Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen. Beschließen EP und Rat eine Verordnung, so gilt diese unmittelbar und verbindlich. In den nationalen Parlamenten müssen keine eigenen Gesetzesbeschlüsse dazu gefasst werden.

Handelt es sich dabei um eine Richtlinie, so haben die nationalen Parlamente diesen gesetzlichen Rahmen durch ein eigenes innerstaatliches Gesetz umzusetzen.

Auch Beschlüsse sind verbindliche Rechtsakte. Sie betreffen aber nur einen Adressaten. Außerdem können die EU-Organe noch Empfehlungen aussprechen und Stellungnahmen veröffentlichen. Diese sind allerdings nicht verbindlich für die Mitgliedstaaten.

Weitere Informationen rund um die Europapolitik der Bundesregierung finden Sie auf unserer Schwerpunktseite Europa .