Fluglärm
Die Bundesregierung hat im ersten Bericht zur Evaluierung des Fluglärmgesetzes Empfehlungen für besseren Lärmschutz rund um Flughäfen beschlossen. Der Bericht empfiehlt unter anderem, den Lärmschutz für Grundschulen und Kitas in Flughafennähe zu verbessern.
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Das Kabinett hat den ersten Bericht der Bundesregierung zur Evaluierung des Fluglärmgesetzes beschlossen. Mit dem Bericht spricht sie dem Bundestag Empfehlungen aus für besseren Lärmschutz von betroffenen Gebiete rund um Flughäfen. Auch im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, die Lärmgrenzwerte in Flughafennähe weiterzuentwickeln
Das 2007 novellierte Fluglärmgesetz selber erfordert Berichte zu Lärmgrenzwerten im Zehn-Jahres-Turnus. Die Werte sollen regelmäßig überprüft werden mit Blick darauf, ob sie noch geeignet und angemessen sind. Maßstab dafür bilden der neuste Stand der Luftfahrttechnik und die jüngsten Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung.
Gleichzeitig geht es in dem Bericht darum, darzustellen, inwieweit das Gesetz bereits umgesetzt wurde. Fachliche Grundlagen für den vorliegenden Bericht hat zudem ein breit angelegtes mehrstufiges Beteiligungsverfahren der betroffenen Akteure geliefert.
Verschärfte Grenzwerte, bessere Kostenerstattung
Der aktuelle Bericht enthält 13 Empfehlungen für einen noch besseren Schutz durch das Gesetz und höhere Akzeptanz bei den Betroffenen. Die vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen sollen im Rahmen eines Gesamtpakets umgesetzt werden.
Unter anderem empfiehlt der Bericht:
- Vorschläge für verschärfte Lärmgrenzwerte zu erarbeiten anhand neuer schalltechnischer Daten von Verkehrsflugzeugen. Dabei sollen die Lärmschutzgebiete mindestens die aktuelle Größe behalten.
- Damit Wohngebäude und andere Einrichtungen schneller mit Schallschutzmaßnahmen ausgestattet werden, sollen die Kosten dafür zukünftig nicht mehr zeitlich gestaffelt erstattet werden.
- Es soll bessere Regelungen für den Schallschutz für Grundschulen, Kindertagesstätten und Krankenhäuser geben. Diese Empfehlung geht unter anderem auf Studien zurück, die zeigen, dass Grundschulkinder langsamer lesen lernen, wenn sie erhöhten Fluglärmbelastungen ausgesetzt sind.
Was regelt das Fluglärmgesetz?
Das Fluglärmgesetz von 2007 zielt auf einen verbesserten Schutz der Anwohner von Flugplätzen. Gegenüber dem Gesetz von 1971 wurden Grenzwerte für den passiven Lärmschutz deutlich verbessert: Zehn bis 15 Dezibel weniger dürfen es sein.
Das Gesetz hat 2007 eine Nacht-Schutzzone eingeführt mit speziellen Anforderungen, die einzuhalten sind. Außerdem sorgt es für eine vorausschauende Siedlungsplanung rund um Flughäfen.
Schallschutz durch Baumaßnahmen wurden durch das Gesetz gestärkt: Die Flugplatzbetreiber tragen die Kosten dafür bei bestehenden Wohngebäuden und schutzbedürftigen Einrichtungen in der sogenannten Tag-Schutzzone eins und in der Nacht-Schutzzone.
Drei Rechtsverordnungen konkretisieren die Vorschriften des Fluglärmgesetzes: Die erste Fluglärmschutzverordnung von 2008 regelt, wie Daten über den Flugbetrieb erfasst werden sowie das Berechnungsverfahren, das Lärmschutzbereiche definiert. Die zweite Fluglärmschutzverordnung von 2009 bestimmt, welche Qualität baulicher Schallschutz aufweisen muss. Die dritte Fluglärmschutzverordnung von 2013 regelt Einzelheiten zur Entschädigung für fluglärmbedingte Beeinträchtigungen Anwohnern beim Neu- und Ausbau von Flughäfen.
Bedingt durch die Dauer der Regierungsbildung haben sich die Abstimmungsprozesse und die Vorlage des Berichts verzögert. Er wird nun dem Bundestag und dem Bundesrat vorgelegt.
Die Lärmschutzvorschriften im Fluglärmgesetz haben sich grundsätzlich bewährt. Die Bundesregierung spricht sich daher für aus, die bestehenden Lärmschutzzonen beizubehalten. Auch dann, wenn die Geräuschimmissionen durch Flugzeuge aufgrund technischer Fortschritte voraussichtlich zurückgehen werden, sollen diese Schutzzonen für die Bevölkerung in der Umgebung von Flughäfen nicht verkleinert werden. Zusätzlich schlägt die Bundesregierung im Interesse der von Fluglärm betroffenen Menschen vor, die Wirksamkeit der Lärmschutzmaßnahmen weiter zu verbessern. Dafür hat sie 13 Empfehlungen erarbeitet.
So soll der bauliche Schallschutz für Kindertageseinrichtungen, Grundschulen und Krankenhäuser verbessert werden. Der Anspruch auf eine Kostenerstattung für Schallschutzmaßnahmen soll bei diesen Einrichtungen ausgeweitet werden. Weitere Beispiele: Die bisherige Wartefrist von fünf Jahren für Schallschutzmaßnahmen an Wohngebäuden in Teilen der Schutzzonen sollen (mit Ausnahme von Berlin-Tegel) entfallen. Damit werden bauliche Schallschutzmaßnahmen schneller umgesetzt. Innovative Schallschutzmaßnahmen, zum Beispiel zeitgesteuerte Fensterschließeinrichtungen, sollen zugelassen werden. Das schafft Entlastung vor allem für Bürgerinnen und Bürger, die in der Nähe von Flugplätzen mit regelmäßigem Flugbetrieb in den Randstunden der Nacht leben. Die Anforderungen an den baulichen Schallschutz sollen stärker flexibilisiert werden, um die Akzeptanz der Schutzmaßnahmen bei den Anspruchsberechtigten zu erhöhen. Betroffene können sich dann für Schallschutzmaßnahmen entscheiden, die besser auf die jeweiligen Wohn- und Lebensverhältnisse zugeschnitten sind. Schließlich betont der Bericht die Bedeutung des sogenannten aktiven Schallschutzes durch leisere Triebwerke oder auch lärmärmere An- und Abflugverfahren. Neue Potenziale des im Luftverkehrsgesetz geregelten aktiven Lärmschutzes sollen erschlossen werden.
Der Bericht legt das Ziel der Bundesregierung fest, den Umfang der heutigen Lärmschutzbereiche auch bei künftigen Überprüfungen zu sichern und zu erhalten. Auch wenn die Flugzeuge lärmärmer werden, sollen die Lärmschutzbereiche nicht verkleinert werden. Deshalb plant die Bundesregierung, die Lärmschutzwerte in dem erforderlichen Maß abzusenken und damit zu verschärfen, sobald die Lärmdaten der neuen, lärmärmeren Flugzeuge vorliegen und in die Berechnungsvorschriften eingefügt werden können. Derzeit enthält der Bericht noch keinen konkreten Vorschlag für die Absenkung der im Fluglärmgesetz festgelegten Werte, er benennt jedoch einen von Expertenseite angenommenen Bereich für eine Verschärfung der Werte des Fluglärmgesetzes von einem bis drei Dezibel. Die Absenkung der Werte des Fluglärmgesetzes soll möglichst genau die Lärmminderung der Flugzeuge „kompensieren“. Zudem plädiert die Bundesregierung dafür, die Schallschutzmaßnahmen zu erleichtert und zu verbessern. Dazu hat sie mehrere Empfehlungen ausgesprochen (siehe unten).
Wie die Grenzwertverschärfung erfolgen soll, wird in einem mehrstufigen Verfahren erarbeitet werden. Im Rahmen von zwei Forschungsvorhaben, die das Umweltbundesamt betreut, sollen die schalltechnischen Daten neuer Flugzeuge messtechnisch ermittelt und anschließend in die Vorschrift für die Berechnung der Lärmschutzbereiche aufgenommen werden. Diese Vorhaben laufen bis 2021. Erst dann liegen die erforderlichen Daten für die Festlegung der Grenzwertverschärfung im Fluglärmgesetz vor. Vorstellbar ist natürlich auch, dass der Bundestag eine Grenzwertverschärfung für so dringlich hält, dass er eine sofortige Verschärfung vorsieht.
Der Mittelungspegel des Fluglärms hat sich an den meisten zivilen Flughäfen seit 2007 tendenziell vermindert. Allerdings zeigen Daten zum Nachtflugbetrieb in den vergangenen zwei bis drei Jahren eine Zunahme. Ansonsten haben sich die Flugbewegungszahlen in den vergangenen Jahren an vielen Standorten eher vermindert, außerdem sind die Lärmemissionen der Verkehrsflugzeuge zurückgegangen. Genaue Daten lassen sich nur aus Statistiken ermitteln. Aktuelle Befragungen zeigen allerdings einheitlich, dass sich die Belästigungswirkung des Fluglärms in diesem Zeitraum erhöht hat. Das heißt: Bei gleichem oder vermindertem Fluglärm fühlen sich heute deutlich mehr Menschen durch Fluglärm belästigt als vor zehn Jahren.
Das Bundesumweltministerium hat die Evaluation des Fluglärmgesetzes zum Anlass genommen, um in einem breit angelegten Beteiligungsverfahren mit Bürgerinitiativen, Flughäfen und Behörden weitere geeignete Maßnahmen für einen besseren Lärmschutz zu entwickeln. Im Ergebnis wurden 13 Empfehlungen formuliert, die in den Bericht eingeflossen sind. Über diese kann jetzt der Bundestag diskutieren und entscheiden. Bei der Evaluation ist die Bundesregierung der Frage nachgegangen, wie die Umsetzung des Gesetzes grundsätzlich bewertet wird und welche Herausforderungen sich in Zukunft mit Blick auf den Vollzug des Gesetzes und die Entwicklung im Luftverkehr ergeben werden. Im Mittelpunkt steht unter anderem dabei die Akzeptanz von Entschädigungen und baulicher Schallschutzmaßnahmen in den Lärmschutzbereichen und die Verfahren zur Kostenerstattung für die Lärmschutzmaßnahmen.
Der Bericht zur Evaluation des Fluglärmgesetzes wird dem Deutschen Bundestag zugeleitet. Über die im Bericht gemachten Verbesserungevorschläge wird dann dort diskutiert und entschieden. Die vorgeschlagenen gesetzlichen Maßnahmen könnten im Rahmen eines Gesamtpakets umgesetzt werden, sobald die Lärmdaten der neuen Flugzeugmuster vorliegen, auf Grundlage derer die Lärmschutzvorschriften angepasst werden könnten. Dies ist für 2021 vorgesehen. Dem Bundestag steht es natürlich frei, von diesem Zeitplan abzuweichen.
Die Bundesregierung hat folgende 13 Empfehlungen ausgesprochen, die dafür sorgen sollen, den Lärmschutz zu verbessern und die Akzeptanz baulicher Schutzmaßnahmen zu vergrößern:
1. Derzeit werden schalltechnische Daten neuer ziviler Verkehrs- und militärischer Transportflugzeuge zusammengetragen. Sobald die neuen Daten vorliegen, soll eine Überprüfung der Lärmwerte des Gesetzes (§ 2 Absatz 2 FluLärmG) erfolgen. Die Daten werden bis 2021 verfügbar sein. Diese neuen technischen Grundlagen speisen die Vorschrift, mit der neue Lärmschutzbereiche errechnet werden. Ziel der künftigen Anpassung der Werte des Fluglärmgesetzes ist es, den Umfang der heutigen Lärmschutzbereiche zu sichern und zu erhalten.
2. Seit der Gesetzesnovelle 2007 gibt es verschiedene Kriterien, um in der Nähe von Flughäfen sogenannte Nacht-Schutzzonen festzulegen. Dort gelten bestimmte Schallschutzanforderungen für Schlafräume. Die Kriterien, vor alle das neue Maximalpegelkriterium, haben sich bewährt. Es bedarf keiner weiteren Kriterien zur Abgrenzung der Nacht-Schutzzonen.
3. Behörden sollen mehr Spielräume erhalten, um bei einer kleineren Veränderung des Fluglärms keine neuen Lärmschutzbereiche festlegen zu müssen. Damit wird der Vollzugsaufwand vermindert und die Planungssicherheit in den von Fluglärm betroffenen Gemeinden erhöht.
4. DasFluglärmgesetz sieht vor, dass Schallschutzmaßnahmen an Wohngebäuden und schutzbedürftigen Einrichtungen zum Teil erst fünf Jahre nach der Festlegung der Lärmschutzbereiche umgesetzt werden (sogenannte zeitliche Staffelung). Mit Ausnahme von Berlin-Tegel soll diese zeitliche Aufteilung entfallen. Damit werden bauliche Schallschutzmaßnahmen schneller umgesetzt.
5. Der bauliche Schallschutz für Kindertageseinrichtungen, Grundschulen und Krankenhäuser soll verbessert werden. Der Anspruch auf eine Kostenerstattung für Schallschutzmaßnahmen soll bei diesen Einrichtungen ausgeweitet werden.
6. Damit in der Vergangenheit durchgeführte passive Schallschutzmaßnahmen in bestehenden Wohnungen und schutzbedürftigen Einrichtungen gegebenenfalls auf Kosten des Flughafenbetreibers nachgebessert werden können, soll die sogenannte Toleranzmarge überprüft und mit Übergangsfristen abgebaut werden. Nach dieser dürfen bereits früher erfolgte Schallschutzmaßnahmen fünf Dezibel schlechter sein als aktuelle Schallschutzmaßnahmen, die an Gebäuden in der Tag-Schutzzone 1 und in der Nacht-Schutzzone neu durchgeführt werden.
7. Innovative Schallschutzmaßnahmen, zum Beispiel zeitgesteuerte Fensterschließeinrichtungen, sollen zugelassen werden. Das schafft Entlastung vor allem für Bürgerinnen und Bürger, die vom Lärm in der Nähe von Flugplätzen mit regelmäßigem Flugbetrieb in den Randstunden der Nacht betroffen sind.
8. Die Anforderungen an den baulichen Schallschutz sollen stärker flexibilisiert werden. Das erhöht die Akzeptanz bei den Anspruchsberechtigten. Betroffene können sich gegebenenfalls für Schallschutzmaßnahmen entscheiden, die besser auf die jeweiligen Wohn- und Lebensverhältnisse zugeschnitten sind.
9. Aktiver Schallschutz reduziert den Lärm durch Maßnahmen, die direkt an der Lärmquelle ansetzen. Dazu zählen leisere Triebwerke oder auch lärmärmere An- und Abflugverfahren. Neue Potenziale des im Luftverkehrsgesetz geregelten aktiven Lärmschutzes sollen erschlossen werden.
10. Die Forschung zur technischen Lärmminderung und die Lärmwirkungsforschung soll intensiviert werden.
11. Die Bau- und Planungsbeschränkungen sollen durch ergänzende Regelungen auf Länderebene gestärkt werden. Damit soll im Interesse des Lärmschutzes die Siedlungsentwicklung im Umland von Flugplätzen besser gesteuert werden.
12. Das Fluglärmgesetz regelt detailliert, wie die Lärmentwicklung im Umland der Flughäfen erhoben und prognostiziert werden kann. Die Berechnungsgrundlagen haben sich bewährt. Allerdings sollen die schalltechnischen Daten neuer Luftfahrzeuge in die zukünftige Datenerhebung und Berechnung mit aufgenommen werden. Das garantiert, dass die Berechnung des Fluglärms nach dem neuesten Stand der Technik erfolgen.
13. Im Fluglärmgesetz gibt es einheitliche Regelungen zur Außenwohnbereichsentschädigung beim Neu- und Ausbau von Flugplätzen. Der Flughafen muss eine Entschädigung dafür zahlen, dass Terrassen, Balkone oder Gärten wegen des Fluglärms nur noch eingeschränkt nutzbar sind. Diese Regelungen haben sich bewährt. Eine Anpassung ist nicht erforderlich.