Der Bundespräsident hat das Team der Technischen Universität Dresden für ihr Projekt "Das faszinierende Material Carbonbeton – sparsam, schonend, schön" mit dem Deutschen Zukunftspreis 2016 ausgezeichnet.
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Die Wohn-, Büro- und Geschäftshäuser, Brücken und Hochtrassen - bisher wurden die meisten großen Bauwerke aus Stahlbeton gebaut. Dieser Baustoff weist starke Vorzüge auf. Stahl und Beton harmonieren hervorragend miteinander. Beton kann hohem Druck trotzen. Zugkräfte setzen ihm dagegen bald zu. Daher wird Beton durch ein Stahlgeflecht im Inneren gestärkt. Dieses nennt man Stahlbewehrung.
Doch dieser Symbiose aus Beton und Stahl sind Grenzen gesetzt. Beton wird im Laufe seines Alterungsprozesses rissig. Dadurch kann Luft und Feuchtigkeit ins Innere des Baustoffs gelangen und den Stahlkern angreifen. Oft haben Stahlbetonbauten daher nur eine Lebensdauer von 40 bis 80 Jahren.
Da die Stahlbewehrung an der Luft rostet und folglich mit der Zeit an Festigkeit verliert, muss der Stahl ausreichend von Beton überdeckt werden. In der Regel werden je nach Umgebungsbedingungen zwei bis drei Zentimeter Betonüberdeckung benötigt. Bauteile aus Beton erreichen somit mindestens eine Dicke von sechs bis acht Zentimetern. Das macht Bauten aus Stahlbeton schwer und treibt den Ressourcenverbrauch und die Energiekosten für die Herstellung in die Höhe.
Zudem ist die architektonische Gestaltungsmöglichkeit durch diese Eigenschaft des Baustoffs eingeschränkt. Filigrane Bauwerke aus herkömmlichem Stahlbeton sind kaum möglich. Doch es gibt einen neuen Baustoff, der nachhaltiger und langlebiger ist und zugleich eine elegantere Bauweise ermöglicht: Carbonbeton, bestehend aus Kohlenstofffasern und Beton.
Anstelle der üblichen Stahlbewehrung haben die Forscher im vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt C³-Carbon Concrete Composite dem Beton ein Textilgewebe aus Kohlenstofffasern eingepflanzt. Hochfeste Carbonfasern ersetzen den Stahl. Diese Fasern werden bislang etwa für Flugzeugbauteile wie Höhen- und Seitenruder genutzt.
50.000 Filamente bilden das praktisch unzerstörbare Garn, aus dem das Gewebe besteht. Ein Filament ist dabei dünner als ein menschliches Haar. Wie ein Gardinenstoff sieht die Gitterstruktur des Textils aus. Damit dieses in Beton verlegt werden kann, haben die Wissenschaftler das Carbonfasergewebe zuvor besonders beschichtet.
Die Ingenieure stellen Carbonbeton auf verschiedenen Wegen her. Im Laminierverfahren wird eine Schicht Beton aufgebracht, darauf eine Lage Carbontextil, die nächste Lage Beton, erneut Carbontextil - bis die gewünschte Lagenanzahl erreicht ist. Alternativ wird die Carbonbewehrung in der Schalung für den Betonguss angeordnet und der Beton anschließend ergänzt.
Die sehr viel dünneren und trotzdem stabilen Betonwände eröffnen Architekten völlig neue Möglichkeiten. Erste Entwürfe zeigen, was beispielsweise für elegante Brückenkonstruktionen entstehen könnten.
Aber nicht nur für neue Bauten ist der neue Baustoff geeignet. Auch altersschwache Brücken lassen sich damit sehr viel leichter sanieren. Vorhandene alte Bauwerke, die sonst abgerissen werden müssten, können durch "Carbonbetonpflaster" verstärkt werden. Rostige Stellen im Brückenbauwerk lassen sich so durch korrosionsfreie Materialien behandeln, ohne dass dazu der Verkehr gesperrt werden muss.
Auch für den Wohnungsbau zeichnen sich neue Chancen ab. Die Zukunft könnte multifunktionale Betonwände bringen. Bereits jetzt zeigen laufende Forschungsprojekte, dass die elektrische und thermische Leitfähigkeit von Carbon vielseitig eingesetzt werden kann. Das direkte Beheizen der Wände ohne Anbringen weiterer Heizkörper ist möglich. Oder es kann Sensorik direkt in die Wand eingebaut werden.
Aus dem Forschungsprojekt ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe mit derzeit 140 Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verbänden und Vereinen entstanden. Ziel ist es, innerhalb einer Dekade 20 Prozent des deutschen Betonbedarfs durch nachhaltigen Carbonbeton zu decken.
Das Projekt C³- Carbon Concrete Composite wurde 2015 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis und dem Deutschen Rohstoffeffizienz-Preis ausgezeichnet als herausragendes Beispiel für eine intelligente Verwendung von Materialien im Städtebau der Zukunft. Jetzt haben die Forscher für diese Arbeit den mit 250.000 Euro dotierten Zukunftspreis aus den Händen von Bundespräsident Joachim Gauck erhalten.