Strom wirtschaftlich transportieren

Hightech-Strategie Strom wirtschaftlich transportieren

Große Strommengen verlustfrei und platzsparend transportieren? Supraleiterkabel machen es möglich, auch wenn die Forschung hier noch viel zu tun hat. Das Thema ist Teil der Zukunftsaufgabe "Nachhaltiges Wirtschaften und Energie" der neuen Hightech-Strategie der Bundesregierung.

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Neuartige Experimentierplattform des ITEP für die Entwicklung supraleitender Kabel

Strom wird schneller

Foto: Markus Breig, KIT

Im Projekt "AmpaCity" in Essen muss das Kabel auf der weltweit längsten Teststrecke zeigen, ob es praxistauglich ist. Fragen an den Projektbegleiter Professor Mathias Noe vom Karlsruher Institut für Technologie.

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA): Was unterscheidet ein supraleitendes Kabel von den gängigen Stromkabeln, die bisher in Deutschland vorrangig zum Einsatz kommen?

Mathias Noe: Supraleiter besitzen ein mehr als 100-fach höheres Stromtragevermögen als konventionelle Leiter. Damit können Leistungskabel deutlich kompakter dimensioniert werden oder die übertragene Leistung kann etwa fünfmal höher sein als bei einem konventionellen Kabel mit gleichem Querschnitt. Dabei ist auch schon die Kühlung für das Supraleiterkabel berücksichtigt, die natürlich Platz benötigt.

Prof. Dr.-Ing. Mathias Noe

Prof. Dr.-Ing. Mathias Noe

Foto: Markus Breig, KIT

BPA: Welchen Sinn hat ein Hochleistungskabel in einer Stadt? Braucht man so etwas nicht vielmehr auf dem Land, damit es als "Stromautobahn" große Strommengen transportiert?

Noe: Man benötigt sowohl Hochleistungskabel für die Stadt als auch neue Stromautobahnen. In der Stadt sind typische Kabellängen von einigen Kilometern bereits heute mit supraleitenden Kabeln realisierbar, was in Essen in "AmpaCity" demonstriert wird. Dort können bisherige Hochspannungskomponenten durch kompakte Mittelspannungskabel schrittweise ersetzt werden und somit unter anderem wertvoller Platz eingespart werden.

Stromautobahnen von zum Beispiel mehr als 100 Kilometern Länge sind mit dem aktuellen Entwicklungsstand der supraleitenden Kabel derzeit zwar grundsätzlich machbar, aufgrund der Materialverfügbarkeit und der derzeitigen Kosten aber noch nicht anwendungsreif. Darüber hinaus müssen die Verluste weiter minimiert und die Kühlung verbessert werden. Wir forschen an dieser Aufgabe – aber eher mit einer langfristigen Anwendungsperspektive. 

BPA: Was hat ein supraleitendes Kabel für Vorteile? Spart es zum Beispiel Leitungslegungen an anderer Stelle und damit Baumaßnahmen, Material, Kosten? Gibt es Nachteile?

Noe: Neben dem offensichtlichen Vorteil des geringeren Trassenbedarfs und dem geringeren Aufwand bei der Kabellegung durch das kompakte Kabeldesign ergeben sich noch weitere Vorteile:

Im innerstädtischen Bereich wird durch den Wegfall einer Spannungsebene die Netzstruktur vereinfacht und durch den Wegfall von Umspannstationen der Flächenverbrauch reduziert. Damit können auch die Investitions- und Betriebskosten gegenüber dem Ausbau mit Hochspannungstechnik reduziert werden.

Weiterhin sind durch den koaxialen Aufbau der supraleitenden Kabel die äußeren Magnetfelder gegenüber konventionellen Kabeln vernachlässigbar. Ein gewisser Aufwand entsteht durch die Kühlung der Kabel mit flüssigem Stickstoff. Flüssiger Stickstoff wird heute bereits an vielen Stellen in der Industrie, in der Medizintechnik und auch im Nahrungsmittelgewerbe eingesetzt. Dass dies zuverlässig, sicher und effizient auch für ein Kabel funktioniert, wird das Projekt in Essen zeigen.

BPA: Ende 2013 wurde das Kabel gelegt, im April dieses Jahres floss der erste Strom. Welche Rolle haben Sie als wissenschaftlicher Experte bei dem Projekt?

Noe: Unser Beitrag fokussiert sich auf die komplexen elektromagnetischen Vorgänge in einem Kabel, zum Beispiel die genaue Bestimmung der Wechselstromverluste und die Charakterisierung der verwendeten Leiter.

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben wir unter anderem ein Kabelmodell aufgebaut, an dem wir die Verluste sehr genau messen können. Dabei entsteht auch ein Simulationstool, um zukünftige supraleitende Kabel weiter zu verbessern. Die Projektergebnisse werden Eingang finden in zukünftige Anwendungsuntersuchungen und somit die Markteinführung supraleitender Kabel beschleunigen.

BPA: Wie viele Haushalte und Betriebe in Essen sind an den Tests mittelbar beteiligt?

Strombegrenzer

Kühlung: lösbares Problem?

Foto: Martin Lober, KIT

Noe: Das Kabel verbindet auf etwa einem Kilometer Länge in der Essener Innenstadt zwei 10 Kilovolt Umspannstationen. Daran angeschlossen ist eine Vielzahl unterschiedlicher Verbraucher.

Das Kabel ist so in das Netz integriert, dass selbst bei einem Ausfall kein Anschluss betroffen sein wird, da alle Netze grundsätzlich nach dem n-1 Prinzip aufgebaut sein müssen. Das bedeutet, dass jedes Betriebsmittel ausfallen darf, ohne die Versorgung zu gefährden. Das gilt natürlich auch für den Einsatz supraleitender Kabel.

BPA: Inwiefern beziehen Sie in Ihre Untersuchungen die Anwohner rund um das AmpaCity-Gebiet ein?

Noe: Die Akzeptanz für supraleitende Kabel ist für alle Projektpartner von höchster Bedeutung. Deshalb wurde von Beginn an die zukünftige Betriebsmannschaft, die Stadt Essen und die Öffentlichkeit mit gezielten Veranstaltungen ausführlich informiert. Sehr positiv zur hohen Akzeptanz hat auch die umfangreiche Information durch die Presse beigetragen, die in zahlreichen Beiträgen vom Fortgang des Projektes berichtet hat.

BPA: Was lässt sich bis jetzt aus den Tests ablesen? 

Noe: Vor der Inbetriebnahme hat das supraleitende Kabel alle technischen Prüfungen erfolgreich bestanden. Damit konnte es vollständig in das öffentliche Netz in Essen integriert werden. Alle Anforderungen des Betriebs wurden seit dem offiziellen Beginn des Feldtests im April 2014 ohne einen Fehler bestanden und besonders die Anforderungen an eine sehr hohe Verfügbarkeit wurden bisher uneingeschränkt erfüllt.