Für die Kanzlerin ist es ein "Meilenstein", für den Bundeswirtschaftsminister ein "Einwanderungsgesetz 1.0": Zum Abschluss seiner Klausur hat das Kabinett das Integrationsgesetz und die "Meseberger Erklärung zur Integration" beschlossen. Zudem will die Regierung die Digitalisierung forcieren.
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"Das ist ein Meilenstein, dass der Bund das Integrationsgesetz verabschiedet", betonte Kanzlerin Angela Merkel am Mittwochvormittag zum Abschluss der zweitägigen Klausurtagung des Kabinetts in Meseberg. Kurz vor ihrer Pressekonferenz mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte das Kabinett das Integrationsgesetz beschlossen. Die Maßgabe des Gesetzes laute "fördern und fordern", betonte Merkel.
Deutschland mache Schutzsuchenden gute Angebote zur Integration und verbessere insbesondere den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Integrationskursen. Hier sei es wichtig, dass sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Bundesagentur für Arbeit eng abstimmten. "Aber wir erwarten auch, dass Menschen diese Angebote annehmen und damit die Integration besser gelingen kann", erklärte die Kanzlerin. Hier habe man aus der Vergangenheit, wo die Integrationsangebote nicht wahrgenommen worden seien, gelernt.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sprach von einem "echten Paradigmenwechsel in Deutschland". Er bezeichnete das Integrationsgesetz als "Einwanderungsgesetz 1.0". Der Staat gehe offensiv auf jede zu, die nach Deutschland kämen. Die Botschaft an Flüchtlinge sei: "Wenn du dich reinhängst, wenn wird hier was aus dir." Der verbesserte Zugang zum Job- und Ausbildungsmarkt für Flüchtlinge sei auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein großer Schritt." Merkel und Gabriel würdigten beide die "Meseberger Erklärung zur Integration" (siehe Textende).
Sprache, Arbeit und ein Ja zur Werteordnung, das seien die drei entscheidenden Bausteine für gelungene Integration, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Mittwochmittag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Alle diese Punkte fänden sich in dem Integrationsgesetz wieder.
Aus den Fehlern der Vergangenheit habe man gelernt. Menschen sollten nicht einfach nebeneinanderher leben. "Wir wollen keine Parallelgesellschaften und keine Ghettos", sagte de Maizière.
Laut Nahles macht das Integrationsgesetz Flüchtlingen gute und vielfältige Angebote auf dem Arbeitsmarkt. "Es lassen sich auch viele Unternehmen auf diese Sache ein, obwohl es mit Sicherheit weder besonders unbürokratisch im Detail noch ganz leicht ist", sagte die Arbeitsministerin.
In Meseberg sagte die Kanzlerin, auf der Klausurtagung seien die "klassischen Zukunftsthemen" Zuwanderung und Digitalisierung besprochen worden. Zum Thema Digitalisierung hat das Kabinett laut Merkel eine Bestandsaufnahme durchgeführt, "wo wir bei der Umsetzung der Digitalen Agenda stehen". So sei zu überprüfen, wie weit die Infrastruktur vorangekommen sei. Zudem müsse geklärt werden, was die Digitalisierung beispielsweise für die Industrie bedeute. Konkret ging Merkel auf das Thema "Autonomes Fahren" ein. Dies werde "sehr schnell zu Rechtsveränderungen führen".
Das Kabinett habe auch über die Veränderungen in der Arbeitswelt durch die Digitalisierung beraten. Nach Angaben Merkels stehen hierbei die Fragen "Lebenslanges Lernen" und "Qualifizierung" im Mittelpunkt, neben den Themen soziale Absicherung und Arbeitszeitgestaltung. Die Kanzlerin hob hervor, dass die Digitalisierung "alle Lebensbereiche durchdringt", sei es Familie und Beruf, Gesundheit oder die Landwirtschaft.
Bundeswirtschaftsminister Gabriel warb eindringlich für "europäische Lösungen" bei den Grundsatzfragen der Digitalisierung. Er bewertete die neuen Technologien als große Chance für Deutschland. Als "Industrialisierer der Welt" müsse man sich gegen die Konkurrenz aus den USA und China durchsetzen. Es sei eine der größten Herausforderungen, dem immensen Tempo der Digitalisierung in allen Bereichen gerecht zu werden.
Meseberger Erklärung zur Integration (in Auszügen):
- Das schnelle Erlernen der deutschen Sprache, die zügige Integration in Ausbildung, Studium und den Arbeitsmarkt, das Verständnis für und die Beachtung der Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens sowie die Einhaltung unserer Gesetze sind unabdingbar für eine erfolgreiche Integration.
- Bei der Bewältigung dieser Aufgabe starten wir nicht bei null. Kern unserer integrationspolitischen Maßnahmen ist das Prinzip des Förderns und Forderns. Integration ist ein Angebot, aber auch eine Verpflichtung zu eigener Anstrengung. Integration kann nur als wechselseitiger Prozess gelingen.
- Ein wesentlicher Leitgedanke unserer Integrationspolitik ist die Gerechtigkeit sowohl gegenüber denjenigen, die als Flüchtlinge bei uns anerkannt wurden, als auch gegenüber der einheimischen Bevölkerung.
- Sprach- und Wertevermittlung sind zentrales Fundament für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft sowie in Bildung, Ausbildung, Studium und Arbeitsmarkt. Daher werden wir die Zugangsmöglichkeiten für die Teilnahme an Integrationskursen verbessern. Der Spracherwerb soll so früh wie möglich erfolgen.
- Mit der Wohnsitzzuweisung wird eine gleichmäßigere Verteilung der Schutzberechtigten ermöglicht. Sie verfolgt gleichermaßen die Ziele der Sicherstellung der Integration, der Vermeidung von integrationshemmender Segregation und der Vermeidung von sozialen Brennpunkten.
- Integrationsmaßnahmen sollen frühzeitig ansetzen. Mit dem Arbeitsmarktprogramm "Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen" werden für Leistungsberechtige nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 100.0000 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten aus Bundesmitteln geschaffen.
- Wir schaffen zudem mehr Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe. Künftig erhält der Auszubildende eine Duldung für die Gesamtdauer der Ausbildung.
- Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird weiter erleichtert. Für einen Zeitraum von drei Jahren wird bei Asylbewerbern und Geduldeten in Abhängigkeit von der regionalen Arbeitslosigkeit und unter Beteiligung der Länder gänzlich auf die Vorrangprüfung verzichtet. Dies ermöglicht zugleich die Zulassung für eine Tätigkeit in der Leiharbeit.
- Wir haben außerdem Mitwirkungspflichten bei Integrationsmaßnahmen festgelegt. Ablehnung und Abbruch von Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen und Integrationskursen ohne wichtigen Grund haben Leistungseinschränkungen im Asylbewerberleistungsgesetz zur Folge.
- Auch das Leistungssystem des Asylbewerberleistungsgesetzes haben wir angepasst. Bestimmtes Fehlverhalten ist künftig mit Leistungskürzungen verbunden. Die Verschleierung von einzusetzendem Vermögen wird künftig weiter erschwert.
- Künftig wird die Aufenthaltsgestattung mit dem Erhalt des Ankunftsnachweises entstehen, um bisher bestehende Unsicherheiten in der Praxis zu beseitigen. Damit stellen wir sicher, dass Asylsuchende rechtssicher und frühzeitig unter anderem Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsleistungen bekommen.
- Übergriffe auf Frauen, Kinder und andere Schutzbedürftige werden wir nicht akzeptieren, ganz gleich ob sie gegen Bürger unseres Landes oder gegen Flüchtlinge gerichtet sind.
- Auch die Asylsuchenden ohne eine gute Bleibeperspektive sollen während ihres Aufenthalts in unserem Land Orientierung erhalten.
- Die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in den öffentlichen Verwaltungen bleibt ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung.
Die komplette "Meseberger Erklärung zur Integration" erhalten Sie hier.