Laser-Sinter-Anlagen für die additive Fertigung sind eine revolutionäre Entwicklung in der Produktion. Damit kann man ebenso Prototypen wie Kleinserien fertigen; vor allem Bauteile, die sich anders nicht produzieren lassen. Die Technik ist eine Entwicklung der Photonik - einer Schlüsseltechnologie, der die Bundesregierung in der Hightech-Strategie besondere Aufmerksamkeit schenkt.
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Wir drucken uns unseren Schmuck, unsere Kaffeebecher oder unsere Blumenvase selbst. Der so genannte 3-D-Druck ist inzwischen mit Geräten möglich, die weniger als 2.000 Euro kosten. Eine Spielerei, ein kurzlebiger Trend? Im Privatbereich vielleicht. Allerdings hielten wir vor zwanzig Jahren das Internet ebenfalls für eine Spielerei, und heute bestimmt es bei vielen Menschen den Alltag und ist aus Arbeit und Freizeit nicht mehr wegzudenken.
Dreidimensionale Objekte nach einer Zeichnung herzustellen – der Begriff Drucken ist hier irreführend – klingt spannend und ist vielleicht für den Modellbau nutzbar. Dass die Anwendungsmöglichkeiten weit darüber hinaus gehen, zeigt der Physiker Dr. Hans J. Langer. Er begann bereits vor über zwanzig Jahren Laser-Sinter-Anlagen zu bauen. In seiner Firma EOS spricht man eher von additiver Fertigung.
Die Idee klingt einfach: Ein feiner Laserstrahl trifft auf eine Pulverschicht und schmilzt am Auftreffpunkt das Pulver auf. Der Laser wandert programmgesteuert über das Pulver und kann so komplizierteste Strukturen herstellen. Nachdem eine Schicht abgeschlossen ist, senkt sich die Bauplattform. Dann wird eine neue hauchdünne Pulverschicht aufgetragen und der Laser setzt seine Arbeit fort.
Auf diese Art lassen sich Gegenstände produzieren, die mit anderen Methoden nicht oder nur sehr schwer herstellbar sind. So müssen komplizierte Bauteile nicht aus vielen Einzelteilen hergestellt und dann montiert werden, sondern lassen sich in einem Arbeitsgang produzieren. Eine Demonstrationsobjekt ist ein Ball in einem größeren Ball. Wie kommt der kleine in den großen Ball? Gar nicht! Beides wurde zusammen aus dem Pulver hergestellt.
Die neue Technik ist in der Produktion von nur einmal benötigten Teilen oder für Kleinserien besonders attraktiv. Denn der Ingenieur konzipiert lediglich ein Teil in einer CAD-Zeichnung. Das Teil wird dann unmittelbar als Ganzes gefertigt. Das heißt: die Zeichnung muss nicht mehr in Detailzeichnungen der Einzelteile umgewandelt werden, um dann in Dreh- oder Fräsmaschinen produziert und zuletzt montiert zu werden.
Das Besondere an den von EOS hergestellten Maschinen ist, dass diese mit ganz unterschiedlichen Werkstoffen arbeiten können. Möglich sind verschiedene Metalle oder Kunststoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften. Seit neuestem bietet die Firma zusammen mit ihrem Partner CPM in England ein System zur Verarbeitung von 18 Karat Gold an. Wegen des hohen Werts des Werkstoffs ist es besonders wichtig, dass kein Stäubchen verlorengeht.
Ein ganz wesentlicher Aspekt ist das Gewicht der mit dieser Technologie hergestellten Teile. Hier macht man sich die Bionik zunutze. Die Bionik überträgt Eigenschaften aus der Biologie auf technische Anwendungen. So ist beispielsweise der Vogelknochen eine ganz einmalige "Erfindung" der Natur. Er ist sehr stabil, trotzdem aber sehr leicht. Das geringe Gewicht ergibt sich aus der Tatsache, dass er weitgehend hohl ist. Die große Stabilität zu erklären ist schwieriger. Sie ergibt sich aus feinen Verstrebungen im Inneren. Inzwischen versucht man, diese komplexen Verstrebungen in Bauteilen nachzumachen. Das wiederum gelingt nur mit additiven Fertigungsverfahren wie Laser-Sintern.
Ein ganz konkretes Beispiel und für ein uns alle von Interesse sind künstliche Hüftgelenke. Derzeit bestehen sie aus einem massivem metallischen Gussteil und wiegen zweieinhalb Kilogramm. Nach dem Prinzip des Vogelknochens hergestellt, wiegt ein nicht minder stabiles Gelenk nur einige hundert Gramm. Der Nutzen liegt auf der Hand: Das hohe Gewicht des Kunstgelenks schädigt den Knochen, weshalb es nach zehn bis zwanzig Jahren ausgetauscht werden muss. Wird das Teil leichter, könnte das Gelenk viele Jahre länger seine Arbeit tun. Die Lebensqualität des betroffenen Patienten steigt an: kürzere Operation, kürzerer Krankenhausaufenthalt, weniger Operationen.
Die Forscher im Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen gehen aber noch einen wesentlichen Schritt weiter: Sie entwickeln Kunststoff-Werkstoffe, die vom Körper abgebaut und dabei gleichzeitig durch Knochensubstanz ersetzt werden. Entsprechende Knochenimplantate wären somit keine Fremdkörper mehr, und damit ein echter Ersatz für die geschädigten Knochen.
Ein geringeres Gewicht spielt auch eine große Rolle im Flugzeugbau. Leichtere Flugzeuge sparen Treibstoff und Kosten. Es kommt also auf jedes Kilo an. Deshalb hat die neue Technik hier bereits Einzug gehalten.
Ganz spannend ist die Möglichkeit zur automatisierten Produktion von patientenindividuellen Zahnkronen und Brücken in der Zahnmedizin. Viele Zahnärzte verzichten heute auf die unangenehme Knetmasse, mit der Abdrücke der zu ersetzenden Zähne gemacht werden. Statt dessen arbeiten sie mit so genannten Intraoralscannern. Aus den gewonnenen Daten lassen sich problemlos die Informationen generieren, die eine Laser-Sinter-Anlage braucht. Auf einer Platte von etwa 25 x 25 cm wachsen dann gleichzeitig weit über 100 Zahnkronen heran. Zahntechniker müssen dann nur noch die Kronen von den Platten abtrennen, polieren und mit Keramik verblenden.
Die Geschichte des Unternehmens EOS ist dabei ein Paradebeispiel für den Erfindungsgeist des deutschen Mittelstands. Langer gründete die Firma 1989, da er erkannte, dass die additive Fertigung einen neuen Markt darstellt. Inzwischen zählt das Unternehmen in Krailing bei München 480 Mitarbeiter - davon 390 in Deutschland - und hat im letzten Jahr einen Umsatz von 113 Millionen Euro erwirtschaftet.
Die Bundesregierung hat in den vergangenen 10 Jahren über 21 Millionen Euro Fördermittel für Forschungsprojekte im Bereich des "3D-Drucks" vergeben.
Mit der neuen Technik verfügen übrigens auch Designer und Künstler über ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten. Eine neue Methode, um ungewöhnliche Objekte herzustellen. So nutzt der Schuhdesigner Kerrie Luft das Verfahren, um ganz ausgefallene Schuhabsätze aus Titan zu fertigen. Auch eine Kunststoffgeige, deren Korpus aus einem einzigen Teil besteht, konnte gefertigt werden - und sie ist spielbar.