Krisen im europäischen Geist bewältigen

Regierungserklärung Krisen im europäischen Geist bewältigen

Vor ihrer Abreise zum Europäischen Rat hat die Bundeskanzlerin die Erfolge der europäischen Haushaltspolitik gewürdigt. Strukturreformen seien erfolgreich, erklärte Merkel im Bundestag. Außenpolitisch spreche Europa auch ein Jahr nach der russischen Annexion der Krim mit einer Stimme.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht im Bundestag.

Regierungserklärung zum am Nachmittag beginnenden EU-Rat.

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Bundeskanzlerin Angela Merkel wies vor dem Deutschen Bundestag auf die wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre hin. In Spanien und Irland beispielsweise sei die Arbeitslosigkeit im letzten Jahr um zwei Prozentpunkte gefallen. "Die Erfolge Irlands und Spaniens sind nur zwei Beispiele dafür, was entschlossenes Handeln einzelner Länder und solidarische europäische Unterstützung gemeinsam bewirken können", so Merkel.

Dieser Erfolgskurs müsse fortgesetzt werden mit einer wachstumsfreundlichen Konsolidierung, mit Strukturreformen und mit Investitionen, die Wachstum und Beschäftigung unterstützten. Der Europäische Fonds für Strategische Investitionen leiste hier einen wichtigen Beitrag: "Ich wünsche mir, dass die Verhandlungen zügig abgeschlossen werden, damit der Fonds wie geplant dann auch Mitte des Jahres seine Arbeit aufnehen kann."

Deutschland werde als G7-Vorsitzende auch gegenüber den internationalen außereuropäischen Partnern deutlich machen, wie wichtig nachhaltige Haushaltspolitik, umfassende Strukturreformen und gezielte Investitionen seien, um das globale Wachstum zu stärken.

Video Erklärung vor dem Europäischen Rat

Am 19. und 20. März treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten zum Europäischen Rat in Brüssel. Auf der Tagesordnung stehen die Energieunion und Wirtschaftsfragen. Weitere Themen des Europäischen Rats werden der Konflikt in der Ukraine, der kommende Gipfel zur Östlichen Partnerschaft sowie die Lage in Libyen sein. Am Rande werden die Spitzen der europäischen Institution, die Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsident zusammen mit dem griechischen Ministerpräsidenten über die aktuelle Finanzkrise in Griechenland sprechen.

TTIP entschlossen vorantreiben

Das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der Europäischen Union und den USA müsse entschlossen vorangetrieben werden. Es biete große Chancen und sei notwendig für das Wachstum in Europa und die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Denn, so die Kanzlerin: "Ohne Zölle und unnötige Bürokratie wird es für unsere Unternehmen erheblich leichter, das enorme Potenzial des amerikanischen Marktes zu erschließen."

Deutschlands Wirtschaftsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten seien wichtig und von wachsender Bedeutung für den Wohlstand. Allein im vergangenen Jahr seien die deutschen Exporte in die Vereinigten Staaten um gut sieben Prozent gestiegen.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich im Dezember vergangenen Jahres darauf geeinigt, TTIP in diesem Jahr abzuschließen. "Wir sollten alles daran setzen, dieses Ziel auch zu erreichen", erklärte Merkel.

Sichere Energieversorgung für Europa

Thema des Europäischen Rates wird auch die Schaffung einer europäischen Energieunion sein. Hierzu betonte die Kanzlerin: "Im Zentrum des Konzepts einer Energieunion steht eine sichere, bezahlbare, umweltverträgliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung." Der Schwerpunkt müsse dabei auf der Stärkung des Energiebinnenmarktes und der Umsetzung der Klima- und Energieziele für 2030 liegen.

Ein zentraler Aspekt der Energieunion werde die Energieversorgungssicherheit sein, die durch die Entwicklungen in der Ukraine wieder stärker ins Bewusstsein gerückt sei. In allen Mitgliedstaaten müsste in den kommenden Jahren die Energieversorgung langfristig gesichert werden – dafür seien weitere Anstrengungen notwendig, kündigte Merkel an. Schlüsselelemente hierfür seien der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien, mehr Energieeffizienz, die Diversifizierung der Energiequellen und ein funktionierender Energiebinnenmarkt.

Impulse für den Klimaschutz

"Wichtig ist auch, dass ein glaubwürdiger und verlässlicher Rahmen geschaffen wird, um die Klima- und Energieziele 2030 auch tatsächlich zu erreichen." Dafür bedürfe es eines konkreten Vorschlags der EU-Kommission für eine verlässliche "Governance-Struktur" - also klare Regeln für die Umsetzung der Ziele sowie Sanktionsmechanismen für den Fall, dass diese nicht eingehalten werden. Dies sei vor allem deshalb so wichtig, weil man im Dezember auf der Klimaschutzkonferenz in Paris ein neues, weltweites Klimaabkommen abschließen wolle.

Merkel kündigte an, die französische Regierung nach Kräften dabei zu unterstützen, die Klimaschutzkonferenz in Paris erfolgreich abzuschließen - durch einen starken Impuls beim G7-Gipfel und beim Petersberger Klimadialog. Mit dem geplanten Minderungsbeitrag der EU für das neue Klimaabkommen sende die EU ein kraftvolles Signal an die Staatengemeinschaft: "Wir wollen bis 2030 eine Treibhausgasreduktion um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 erreichen." Dies sei auch ein Anreiz für andere große Volkswirtschaften, ambitionierte Klimaschutzziele vorzulegen.

Europa spricht mit einer Stimme

Der Europäische Rat werde sich auch mit der Ukraine befassen -  fast ein Jahr nach dem "verfassungswidrigen Referendum auf der Krim", so Merkel. Sie verurteilte die Annexion der Krim als "Akt gegen das internationale Recht, gegen die Verträge, in denen sich Russland verpflichtet hatte, die Souveränität und Integrität der Ukraine zu achten." Mit der Annexion habe Russland das Fundament unserer europäischen Friedensordnung in Frage gestellt. "Und ich bin froh, dass Europa darauf von Anfang an, und bis heute, eine klare Antwort gegeben hat", betonte Merkel. Die EU habe sich nicht spalten lassen und mit einer europäischen Stimme gesprochen, gemeinsam mit den transatlantischen Partnern.

Zum Minsker Abkommen sagte Merkel, auch wenn der Waffenstillstand noch zerbrechlich sei und der Waffenabzug noch nicht ausreichend überwacht werde, seien doch "Anfänge gemacht". Alle Konfliktbeteiligten müssten auf diesem Weg weitergehen, bis hin zum letzten Schritt des Maßnahmenpakets von Minsk: "Wenn nämlich die Ukraine wieder die Kontrolle über ihre eigene Grenze zu Russland übernimmt", mahnte die Kanzlerin.

Zu den Sanktionen gegen Russland kündigte die Kanzlerin an, sie werde sich auf dem Europäischen Rat dafür einsetzen, "dass sich die Dauer der Sanktionen an Minsk und seiner Erfüllung orientiert". Die Aufhebung der bis dato verhängten Sanktionen kämen nicht in Betracht, "wenn nur erste Forderungen der Minsker Vereinbarung erfüllt sind".

Östliche Partnerschaft für eine bessere Zukunft

Die Östliche Partnerschaft richte sich nicht gegen Russland, betonte die Bundeskanzlerin. Ziel der Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, Georgien und Moldau sei die europäische Unterstützung beim Aufbau eines funktionierenden Rechtsstaates und einer erfolgreichen Marktwirtschaft, um den Menschen in diesen Ländern eine bessere Zukunft zu ermöglichen: "Ziel ist nicht der Beitritt zur Europäischen Union oder zur NATO." Es gehe nicht um ein "Entweder-oder", sondern um ein "Sowohl-als-auch", von dem alle nur profitieren könnten.

Brennpunkt Nordafrika

Merkel verurteilte den terroristischen Anschlag in Tunis und rief zum Gedenken an die Opfer auf. Deutschland werde alles tun, um das Land zu unterstützen.

Sie machte auch auf die Krise in Libyen aufmerksam. Das Land taumele am Rande eines Bürgerkrieges. Die kritische Lage ziehe massive Auswirkungen auf die Region und auf Europa nach sich. Libyen, das auch eines der wichtigsten Transitländer für Flüchtlinge aus Afrika und Nahost sei, bedürfe der Unterstützung. Nur unter einer Regierung der nationalen Einheit sei ein Weg des Landes in eine gute Zukunft möglich. Deutschland unterstütze diese Bemühungen.

Der Euro ist mehr als nur eine Währung

Die Bundeskanzlerin verwies darauf, dass die Europäische Union eine Gemeinschaft des Friedens, der Stabilität und der Freiheit sei. Mit Blick auf die Lage in Griechenland sagte sie, die Welt schaue gegenwärtig auf Europa, "wie wir in der Eurozone mit Problemen und Krisen in einzelnen Mitgliedsstaaten umgehen. Die Welt misst uns daran, und sie wird Europa umso mehr respektieren, wenn wir zeigen, dass wir gemeinsam handeln und gemeinsam die Probleme lösen können.“

In der gegenwärtigen Staatsschuldenkrise in Griechenland erinnerte die Bundeskanzlerin daran, dass die Solidarität der EU und die notwendigen Reformanstrengungen durch Griechenland zwei Seiten einer Medaille seien: "Dabei ist heute so klar wie 2010, als die europäischen Partner Griechenlands in einem erheblichen politischen wie finanziellen Kraftakt das erste europäische Hilfsprogramm auflegten: Nur mit einem solchen Kraftakt wird es gehen. Nur in diesem Zusammenspiel von Solidarität und griechischer Eigenanstrengung. Nur, indem die einen helfen und die anderen die Hilfe als Verpflichtung verstehen."

Jedoch könne niemand eine Lösung für Griechenlands Probleme schon heute Abend oder am Montag nach dem Besuch des griechischen Ministerpräsidenten in Berlin erwarten.

Aber sie machte auch deutlich: "Scheitert der Euro, scheitert Europa." Denn der Euro sei weit mehr als eine Währung. Er sei neben den europäischen Institutionen "der stärkste Ausdruck unseres Willens, die Völker Europas wirklich im Guten und Friedlichen zu vereinen."