Forschung löst Probleme der Energiewende

Windpark Alpha-Ventus vor Borkum

Windpark Alpha-Ventus vor Borkum

Foto: alpha-ventus Bildarchiv Matthias Ibeler

Professor Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg, spricht lieber von der "Transformation des Energiesystems hin zu einer effizienten Nutzung von 100 Prozent erneuerbarer Energien". Dies sei "eine globale Menschheitsaufgabe".

Tatsächlich müssen alle Länder der Welt diesen Schritt gehen, denn die fossilen Brennstoffe Erdöl, Kohle und Erdgas sind nur begrenzt verfügbar. Eigentlich sind sie zu wertvoll, um sie zu verbrennen. Hinzu wächst die Gefahr für unser Klima durch CO2, das bei jeder Form der Verbrennung entsteht. Schließlich zeigen die Katastrophe in Fukushima und die noch ungelöste Endlagerfrage für abgebrannte Kernbrennstoffe, dass nicht mehr lange auf Kernenergie gesetzt werden darf. Auch die Vorräte an Uran sind endlich.


Die erneuerbaren Energien stellen uns aber vor Herausforderungen, die Politik, Wirtschaft und Forschung nur gemeinsam lösen können. Das zentrale Problem ist, dass elektrischer Strom nicht mehr dann und dort erzeugt wird, wann und wo er benötigt wird. Herkömmliche Kraftwerke bauten die Energieunternehmen früher dort, wo es viele Abnehmer gab, also nahe der Ballungsgebiete und Industrieunternehmen. Kohle, Öl und Gas kamen problemlos auf Schiffen, Güterzügen oder in Pipelines zu den Kraftwerken. Kohle- und Atomkraftwerke brauchen sehr lange, um angefahren oder gedrosselt zu werden. Wasser-, Öl- und Gaskraftwerke lassen sich dagegen schnell je nach Bedarf hochfahren oder drosseln. Darüber hinaus speisten alle Kraftwerke in ein internationales Netz ein, so dass überschüssiger Strom immer Abnehmer fand.

Mehr Strom als nötig

Dieses System funktioniert bei erneuerbaren Energien nicht mehr. Windkraftwerke, insbesondere die besonders effektiven offshore-Kraftwerke in der Nordsee, liefern schon heute bei viel Wind sehr viel mehr Strom, als in der Region benötigt wird. Sonnenenergie steht naturgemäß nur am Tag bei schönem Wetter zur Verfügung, nicht aber am Abend, wenn jeder seine Hausbeleuchtung und den Fernseher einschaltet. Ballungsräume und Industrie finden wir mehr im Süden Deutschlands.

Eines der weltweit größten Solarkraftwerke auf dem Dach des BMW-Konsolidierungslagers in Dingolfing an derIsar

Photovoltaikanlage in Dingolfing, Bayern

Foto: Fraunhofer ISE Jens Meier

Tatsächlich liefern alle Windkraftwerke in der Spitze 25 Gigawatt Strom, alle Photovoltaik-Anlagen zusammen bei Sonnenschein 18 Gigawatt. Der Spitzenbedarf beträgt in Deutschland 85 Gigawatt. Schon heute kann damit bei optimalen Bedingungen die Hälfte des Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Fehlen Wind und Sonne, muss der Strom aus herkömmlichen Kraftwerken, aus anderen Ländern oder Energiespeichern kommen. Wie aber transportiert man Strom über weite Entfernungen oder speichert ihn?

Professor Weber meint, die Technologien für diese Probleme stehen zur Verfügung. Sie müssen nur noch effizienter werden, nicht zuletzt, um den Strompreis nicht über Gebühr steigen zu lassen.

Wie kommt der Strom von der Küste nach Stuttgart?

Die Antwort auf die Frage erscheint uns einfach, kennen wir doch alle die Hochspannungsleitungen, die unsere Landschaft "zieren". So einfach ist es damit allerdings nicht. Viele Menschen lehnen die Veränderung der Landschaft ab und haben Angst von der elektromagnetischen Strahlung, die von den Leitungen ausgeht. Es gibt aber auch ein massives technisches Problem: Herkömmliche Hochspannungsleitungen transportieren Wechselstrom. Bei diesem kommt es zu erheblichen Verlusten. Professor Weber beziffert sie mit 30 Prozent auf 1000 Kilometer. Das ist auf dem Weg von Borkum nach Stuttgart vielleicht gerade noch zu verkraften. Wie aber steht es mit Solarstrom aus Italien, Spanien oder gar aus der Sahara?

Energieübertragung: Die so genannte Hochspannungs-Gleichstromübertragungs-Technik (HGÜ) hilft, enorme Strommengen verlustarm selbst über weite Strecken von mehr als 1000 Kilometern zu transportieren.

Anlage zur Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom

Foto: Siemens

Hier hat die Forschung eine Lösung parat: Gleichstrom. Die Verluste sind bei der so genannten Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) sehr viel geringer. Elektromagnetische Strahlung geht davon nicht aus. Ebenso wenig erzeugen die Kabel Wärme, weshalb sie sich leichter unterirdisch verlegen lassen. Woran Forscher noch arbeiten, sind Gleichstromwandler, die mit möglichst geringem Verlust Wechselstrom in Gleichstrom und zurück umwandeln. Derzeit sind diese Anlagen noch sehr teuer und groß.

Kann man Strom speichern?

Sicher kann man Strom speichern. Wer hat nicht einen Akkumulator zu Hause oder im Auto, fälschlicherweise als Batterie bezeichnet. Der Begriff Batterie bezeichnet eigentlich eine Zelle, in der chemische Stoffe reagieren und dabei elektrische Energie abgeben. Ein Akku ist dagegen wieder aufladbar. Im Alltagssprachgebrauch schert sich jedoch niemand um diese Unterscheidung.

Akkus sind allerdings sehr teuer in der Herstellung. Selbst die vergleichsweise billigen Bleiakkus, die man beispielsweise als "Autobatterie" verwendet, ließen sich niemals wirtschaftlich in großer Menge einsetzen. Unzählige Autobatterien wären nötig, um beispielsweise den im Windkraftpark Alpha-Ventus vor Borkum an einem windigen Tag erzeugten Strom zu speichern.

Wasser speichert Energie

Eine schon immer verwendete Möglichkeit besteht darin, Strom in eine ganz andere Energieform umzuwandeln, aus der sie sich leicht und ökonomisch zurückverwandeln lässt. Das geschieht in so genannten Pumpspeicherkraftwerken. Eines der ersten deutschen Pumpspeicherkraftwerke ist das Koepchenwerk nahe der Stadt Herdecke in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1930.

Pumpspeicherkraftwerk Koepchenwerk

Pumpspeicherkraftwerk Koepchenwerk bei Herdecke

Foto: RWE

Ist zu viel Strom da, wird er verwendet, um elektrische Pumpen anzutreiben, die das Wasser aus einem tiefer gelegenen See oder Fluss in einen höher gelegenen See pumpen. Wird dann Strom gebraucht, so fließt das Wasser durch mächtige Rohre zu Tal und treibt dabei Generatoren an, die wieder Strom erzeugen. Etwa 75 Prozent der ursprünglich zum Pumpen eingesetzten Strommenge wird dabei zurückgewonnen. Man spricht daher von einem Wirkungsgrad von 75 Prozent.

Das Problem solcher Anlagen ist, dass sie sehr viel Platz benötigen, den wir in unserem eng besiedelten Land nicht haben. Langfristig würden wir etwas 30 solcher Anlagen brauchen. Wir müssten ebenso viele Berge abtragen und durch große Seen ersetzen lassen: kaum vorstellbar.

Eine weitere Möglichkeit, die sich ebenfalls kaum weiter ausbauen lässt, haben wir ebenfalls seit vielen Jahren: Wasserkraftwerke an Stauseen. Sie lassen sich verstärkt so einsetzen, dass sie nur dann Strom erzeugen, wenn hoher Bedarf besteht. Wenn dagegen viel Wind oder Sonne verfügbar ist, kann man das Wasser speichern.