"Zusammenhalt Europas unverzichtbar"

Regierungserklärung der Kanzlerin "Zusammenhalt Europas unverzichtbar"

Gesamteuropäisches Handeln und Solidarität seien der Weg, um die "historische Bewährungsprobe" der Flüchtlingskrise zu bewältigen, sagte die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung. Vor der Sitzung des Europäischen Rates mahnte sie einen dauerhaften und verbindlichen Verteilungsschlüssel in Europa an.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt im Bundestag eine Regierungserklärung.

Merkel: Ein solidarisches Europa wird stärker aus der Krise hervorgehen, als es hineingegangen ist.

Foto: Bundesregierung/Güngör

Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise müsse man "parallel an vielen Stellen und auf allen Ebenen" ansetzen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel.

Man müsse sowohl national - in den Kommunen, Ländern und im Bund – als auch in Europa und global in der Außen- und Entwicklungspolitik gemeinsam handeln.

Schnelles Handeln von Bund und Ländern

Das im Bundestag diskutierte Gesetzespaket sei ein Beispiel für schnelles und gemeinsames Handeln von Bund und Ländern in dieser Situation, die eine nationale Kraftanstrengung erfordere.

Ein elementarer Teil des Gesetzespakets sei es, "dass diejenigen, die aus wirtschaftlicher Not zu uns kommen und sich damit zu Unrecht auf unser Grundrecht auf Asyl berufen, unser Land schneller als bislang verlassen, damit diejenigen, die tatsächlich vor Krieg und Verfolgung zu uns geflohen sind, sehr viel besser und effizienter als bislang Hilfe von uns allen auch bekommen."

Man habe sich auf Maßnahmen geeinigt, mit denen die Integration schneller und besser stattfinden könne "und zwar auf der Grundlage unserer Verfassung, auf der Grundlage unserer Werte und auf der Grundlage unserer Gesetze."

Video Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Merkel

Politischen Prozess in Syrien in Gang setzen

Auf internationaler Ebene müsse man vordringlich die Situation in Syrien stabilisieren und langfristig befrieden. Ein "Prozess des politischen Dialogs, der auch Russland und andere internationale Akteure" miteinbeziehe, sei hierfür erforderlich.

Die Kanzlerin sprach dabei von einem "sehr langen Atem", den man hier brauche. Auch wenn bisherige Bemühungen um eine Befriedung kein Ergebnis gebracht haben, sei Aufgeben keine Option.

Unterstützung für Syriens Nachbarländer

Die Türkei, der Libanon und Jordanien, die als Nachbarländer Syriens Millionen Flüchtlinge aufgenommen haben, verdienten größte Anerkennung und Unterstützung. Daher seien auf europäischer Ebene deutlich höhere finanzielle Mittel in Aussicht gestellt worden – für verschiedene Programme wie das Welternährungsprogramm oder den sogenannten Madad-Fonds der EU.

Deutschland habe sich hier in großem Umfang beteiligt und seinen eigenen Beitrag um 100 Millionen Euro erhöht. "Sollte sich herausstellen, dass diese Zusagen gerade auch mit dem Blick auf den anstehenden Winter nicht ausreichen, die Lebensmittelleistungen wieder zu erhöhen, dann werden wir weitere Mittel einsetzen", versprach die Bundeskanzlerin

Mit Türkei zusammenarbeiten

Die Türkei trage die Hauptlast der Flüchtlingsströme. Daher müsse man mit dem Land zusammenarbeiten. Deutschland unterstütze ausdrücklich den Aktionsplan der EU-Kommission und wolle mit einem kürzlich begonnenen deutsch-türkischen Migrationsdialog diesen Prozess unterstützen. Dem diene auch ihr Besuch am kommenden Sonntag in Istanbul.

Mehr Personal für Kontrolle der EU-Außengrenzen

Die Kanzlerin betonte, dass die Kontrolle der EU-Außengrenzen, die elementar für das Dublin-Abkommen sei, nicht funktioniere. Sie müsse "stärker auf europäische Gemeinsamkeit gestellt werden", außerdem effektiver gemacht und mit mehr Personal ausgestattet werden.

Die Kommission habe bis zu 1.100 Personen angefordert. Bisher hätten nur wenige Mitgliedstaaten - unter anderem Deutschland – Personal gemeldet. Sie erwarte vom Europäischen Rat, dass alle ihren Beitrag leisten.

Dauerhafter und verbindlicher Verteilungsmechanismus

Denn die sogenannten Hotspots, die mit mehr Personal ausgestattet werden sollen, seien der "Ausgangspunkt einer fairen Verteilung in Europa", die ja für 160.000 Flüchtlinge schon beschlossen sei.

Doch nicht nur 160.000 Flüchtlinge müssten verteilt werden. Merkel zeigte sich überzeugt, "dass wir einen dauerhaften und verbindlichen Verteilungsmechanismus in Europa benötigen".

Wirtschafts- und Währungsunion weiterentwickeln

Ein weiteres Thema des Europäischen Rates ist die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion. Hierzu sagte die Kanzlerin, man dürfe nicht nachlassen, die Gründungsfehler der Wirtschafts- und Währungsunion zu beheben. Denn die gemeinsame europäische Währung stehe wie keine zweite Entscheidung des europäischen Einigungsprozesses auch dafür, wie Europa weltweit seine Werte und Interessen behaupten könne.

An Umsetzung des Minsker Abkommens arbeiten

Zur Lage in der Ukraine sagte sie, man werde weiter gemeinsam an der Umsetzung des Minsker Abkommens arbeiten, gemeinsam mit Frankreich und in enger Abstimmung mit den europäischen und transatlantischen Partnern. "Unser Ziel ist und bleibt die Wiederherstellung der freien Selbstbestimmung der Ukraine für ihre territoriale Unversehrtheit."  

Großbritannien: tragfähigen Kompromiss finden

In Hinblick auf die Reformwünsche des Vereinigten Königreichs zeigte sich Merkel überzeugt, dass man einen tragfähigen Kompromiss finden werde. Dabei gebe es nicht verhandelbare Prinzipien wie das der Freizügigkeit oder der Nichtdiskriminierung. Sie wünsche sich Großbritannien als einen "aktiven Partner in einer starken Europäischen Union".

Die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedstaaten treffen sich mindestens zweimal pro Halbjahr zum Europäischen Rat in Brüssel. Den Vorsitz bei den Tagungen führt der Präsident des Europäischen Rates. Mit dabei ist auch der Präsident der Europäischen Kommission. Der Europäische Rat legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der EU fest. Er gehört nicht zu den Gesetzgebungsorganen der EU. Soweit nicht anders geregelt, entscheidet der Europäische Rat in der Regel im Konsens.