4. Spitzengespräch der Konzertierten Aktion Mobilität - "Transformation unterstützen, Wertschöpfungsketten stärken"

Die Bundesregierung hat heute Vertreter der Koalition, Ministerpräsidenten aus ausgewählten Bundesländern sowie Vertreter der Automobilwirtschaft, der Arbeitnehmer und der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) zur vierten Sitzung der "Konzertierten Aktion Mobilität" empfangen.

Die deutsche Automobilindustrie befindet sich in einem langfristigen Strukturwandel, der die Unternehmen, Regionen und Beschäftigten vor große Herausforderungen stellt. Die Automobilwirtschaft zeigt nach starken Absatzeinbrüchen in der ersten Jahreshälfte jetzt zwar wieder erste Anzeichen der Erholung. Die zahlreichen von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen wie das Konjunkturpaket und das verlängerte Kurzarbeitergeld haben hier ihren Beitrag geleistet. Auch die in der Pandemie geschaffenen Liquiditäts- und Eigenkapitalinstrumente – wie u.a. die KfW Sonderprogramme, Bürgschaften oder der WSF – stehen der Automobilwirtschaft zur Verfügung. Um die Folgen der Krise zu überwinden und gleichzeitig die strukturellen Herausforderungen erfolgreich zu bestehen, muss aber der Wandel der Branche entlang der gesamten Wertschöpfungskette vorangetrieben werden. Die Beschäftigten müssen wir durch Qualifizierung und Weiterbildung nachhaltig in neue, veränderte Tätigkeiten begleiten. Insbesondere kleine und mittlere Zuliefererunternehmen müssen bei der Transformation begleitet werden. 

Durch vorangegangene Spitzengespräche wurden der Automobilwirtschaft neue Chancen eröffnet sowie Impulse für den Umbau zu innovativen und nachhaltigen Technologien gesetzt. Diese werden konsequent und zielstrebig weiterverfolgt. So befindet sich ein Gesetzentwurf zum autonomen Fahren derzeit in der Abstimmung und wird zeitnah beschlossen werden. Der Aufbau des Datenraums Mobilität wird weiter zügig vorangebracht. 

Die Bundesregierung treibt den Ausbau der Ladeinfrastruktur mit aller Kraft voran. Mit dem Green Deal wird der Bedarf an Ladepunkten in Deutschland und Europa noch zunehmen. Entsprechend wird der Ausbau insb. der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur beschleunigt und angehoben. Ziel ist es, unkompliziert und flächendeckend in Deutschland und Europa Strom tanken zu können. Der Ausbau der Infrastruktur wird sich nicht an dem orientieren, was wir heute an Ladeinfrastruktur benötigen, sondern an dem zukünftigen Bedarf, den ein elektrischer Verkehrssektor hervorrufen wird. Je schneller ein flächendeckendes Netz besteht, desto besser. Dafür wird auch die gesetzliche Regelung für ein einheitliches Bezahlsystem an Ladesäulen innerhalb der Bundesregierung abgestimmt und zeitnah beschlossen werden. Mit der Förderung der privaten Ladeinfrastruktur über ein KfW-Programm ergänzt die Bundesregierung ihr Maßnahmenbündel zur Unterstützung eines verbraucherorientierten Ausbaus der Ladeinfrastruktur. Die Bundesregierung erwartet darüber hinaus von allen Akteuren einen ambitionierten Beitrag zum Aufbau von Ladeinfrastruktur. Dazu gehört auch der Aufbau von Schnellladeinfrastruktur mit mindestens 150 kW an Tankstellen. Ziel der Bundesregierung ist eine Ausrüstung von mindestens 25% aller Tankstellen mit Schnelllade-Ladeinfrastruktur bis Ende 2022, von mindestens 50% bis Ende 2024 und mindestens 75% bis Ende 2026. Dazu wird sie zeitnah Gespräche mit der Mineralölwirtschaft führen mit dem Ziel einer Selbstverpflichtung zur Erreichung dieser Ziele. Die Tankstellenbetreiber können bis Ende 2022 auf bestehende Fördergelder zum Aufbau der Ladeinfrastruktur zurückgreifen. Sofern danach die vereinbarten Ziele nicht erreicht werden, wird die Bundesregierung durch eine Versorgungsauflage die genannten Anteile gesetzlich regeln.

An dem Ziel, bis Ende 2021 50.000 zusätzliche Ladepunkte zu errichten, wird festgehalten. Das bedeutet dann rund 72.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Die Bundesregierung erwartet dazu von der Automobilindustrie bis Ende 2021 einen signifikanten Beitrag der zugesagten 15.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkte.

Die Bundesregierung wird den erfolgreich angelaufenen Aufbau von Batterieproduktion in Deutschland im Rahmen der IPCEI weiter fördern und wird die Anstrengungen zur Sicherstellung des Zugangs zu den benötigten Rohstoffen fortführen. Von der Entwicklung über die Produktion von Zellen und Batterien bis hin zum Recycling wollen wir Know-How und Arbeitsplätze dauerhaft in unserem Land halten und neue Beschäftigung entstehen lassen. Dabei ist auch die Installation einer Kreislaufwirtschaft nötig, die einen Prozess von der Rohstoffgewinnung bis zur Wiederverwertung von Batteriekomponenten beinhaltet.

Alle Förderprogramme, die auf den Umstieg auf Fahrzeuge mit alternativen Antrieben gerichtet sind, werden schnell umgesetzt. Die Mittel sollen zügig bei den Akteuren ankommen. 

Damit schaffen wir wichtige Voraussetzungen, um den Übergang zur Automobilwirtschaft der Zukunft meistern zu können. Die zentrale gemeinsame Aufgabe, um den Wandel für Unternehmen, Regionen und Beschäftigte ganz konkret positiv gestalten zu können, liegt aber noch vor uns.

Zukunftsinvestitionen fördern – Transformation findet in den Regionen statt

Das mit dem Konjunkturpaket beschlossene Förderprogramm "Zukunftsinvestitionen in die Fahrzeugbranche" (Ziffer 35c) in Höhe von 2 Mrd. EUR soll ohne Verzögerung umgesetzt werden, um eine nachhaltige, technologieoffene und beschäftigungsfreundliche Transformation der Fahrzeugbranche zügig in Gang zu setzen. Damit werden insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen bei der Umstellung ihrer Produktionsprozesse und der Erforschung und Entwicklung von Zukunftstechnologien unterstützt. Im Rahmen von Innovationsclustern können Unternehmen ihre Ressourcen bündeln, Wissen und Erfahrung austauschen und Reallabore zur gemeinschaftlichen Nutzung aufbauen. 

Im Rahmen des Förderprogramms 35 c wird zudem auch die Erarbeitung regionaler Transformationsstrategien unterstützt. Hierfür werden bis zu 200 Mio. EUR bereitgestellt.

Um die beschäftigungspolitische Dimension zu betonen, wollen wir ebenso im Rahmen des Förderprogramms 35 c sowohl das bereits bestehende Bundesprogramm "Aufbau von Weiterbildungsverbünden" ausbauen, als auch ein neues Bundesprogramm regionale "Qualifizierungscluster" starten (insgesamt 95 Mio. Euro). Damit stärken wir die Attraktivität von Weiterbildungen für Unternehmen und Beschäftigte, schaffen individuelle Perspektiven und decken regionale Fachkräftebedarfe.  

Die Transformation im Automobilbereich ist eine zentrale gesellschafts- und industriepolitische Aufgabe, die nur mit einer Bündelung aller Kräfte gemeistert werden kann. Wir brauchen dabei ein Zusammenwirken von Bundes-, Landes- und Regionalebene, aber zugleich von Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft und Politik. Die Bundesregierung bildet daher einen "Zukunftsfonds Automobilindustrie" aus Fördermitteln und stellt hierfür zusätzlich 1 Mrd. Euro zur Verfügung. 
In Ergänzung zu den Maßnahmen des Konjunkturpakets adressiert der Zukunftsfonds in erster Linie die mittel- und langfristigen Herausforderungen der Automobilindustrie. Ziel ist auf Bundesebene die Erarbeitung einer strategischen strukturpolitischen Orientierung für den Standort Deutschland, der dann auch in regionale Transformationsstrategien übersetzt werden kann. Daraus müssen konkrete Ableitungen für eine marktwirtschaftliche und beschäftigungspolitische Flankierung des Strukturwandels der Kernindustrie Automobil einschließlich der anverwandten Industriebereiche möglich sein. Die Länder sind aufgerufen, sich zu beteiligen.

Die Bundesregierung wird zur Beratung und Optimierung ihrer Fördermittelvergabe einen begleitenden, möglichst repräsentativen Expertenausschuss ins Leben rufen.

Der Transformationsdialog Automobilindustrie hat wichtige Arbeit geleistet und in zentralen Bereichen des nötigen Umbaus Handlungsvorschläge vorgelegt. Dabei ist klar: Die Transformation der Automobilindustrie findet in den Regionen statt. Damit Förderung zielgerichtet ankommt und in Clustern effizient zusammengearbeitet werden kann, ist der Aufbau entsprechender Plattformen und Infrastrukturen wichtig. Die Bundesländer sind aufgefordert, diese unter Beteiligung der Bundesregierung und der Teilnehmer des Transformationsdialogs zu schaffen. Die Wirtschaftsministerkonferenz der Länder soll dazu im kommenden Jahr einen Arbeitsprozess beginnen.

Um die teilweise angespannte Finanzierungssituation von Zuliefererunternehmen zu verbessern, können privatwirtschaftlich aufgesetzte Fonds - wie etwa "Best Owner Group Funds"- mit Eigenkapitalzuschüssen und Know-How eine sinnvolle Unterstützung sein. Der Bund begrüßt entsprechende Initiativen und kann im Einzelfall mit dem bestehenden Bürgschaftsinstrumentarium die Fremdkapitalaufnahme absichern. Bestehende Beschäftigungspolitische Instrumente finden Anwendung.

Dekarbonisierungspotenziale heben – Technologieoffenheit wahren

Die Automobilindustrie wird ihren Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele leisten. Die Dekarbonisierung des Mobilitätssektors ist ein zentraler Bestandteil des Klimaschutzes und muss als Chance für Innovation und Wertschöpfung ausgestaltet und genutzt werden.

Im Pkw-Segment hat sich der Umweltbonus (erweitert durch die Innovationsprämie) als erfolgreiches Instrument zur Förderung des Absatzes von Elektrofahrzeugen erwiesen (Förderung gestaffelt nach dem Kaufpreis von 3.000 bzw. 2.500 Euro für BEV und 2.250 bzw. 1.875 Euro für PHEVs). Um den Hochlauf von Elektrofahrzeugen weiter zu unterstützen und den Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit zu geben, wird die Innovationsprämie bis Ende 2025 verlängert. Über diesen Zeitraum ist eine Förderung vorgesehen mit Fokussierung auf den elektrischen Antrieb. PHEVs werden nur gefördert, wenn diese ab 2022 eine Mindestreichweite von 60 Kilometer, ab 2025 von mindestens 80 Kilometer haben. Hierfür wird zusätzlich bis zu einer Milliarde Euro veranschlagt.

Im Nutzfahrzeugsegment kann der Austausch älterer Fahrzeuge einen wichtigen Beitrag leisten. Insbesondere auch bei Feuerwehr, Katastrophenschutz und Nothilfe besteht ein erheblicher Bedarf, alte Fahrzeuge zu ersetzen. Die Bundesregierung plant dazu ein nationales Flottenerneuerungsprogramm für Lkw. Neben der Anschaffung von Lkw mit Elektro- und Wasserstoffantrieb wird dabei die Anschaffung von fabrikneuen Lkw mit konventionellen Antrieben gefördert, die die Anforderungen der aktuellen Abgasstufe Euro VI erfüllen und zusätzlich bestimmte Umweltvorteile aufweisen (z.B. niedrige CO2-Emissionen), wenn gleichzeitig ein alter Lkw der Abgasstufen Euro III, IV und V verschrottet wird. Als besonderen Anreiz zum Umstieg auf alternative Antriebe werden wir Elektro- und Wasserstoffantriebe stärker fördern, als konventionelle Antriebe. In die Förderung einbezogen werden soll die Anschaffung von intelligenter Trailer-Technologie (z.B. Reifenluftmessung, digitale, Achsteuerung etc. für Aufleger, Anhänger), deren Einsatz erhebliche Effizienzreserven im Betrieb bietet. Zur Förderung des Austauschs bei Unternehmen und im Rahmen der öffentlichen Beschaffung stellt die Bundesregierung je 500 Mio. Euro zur Verfügung. Zusätzlich soll auch eine Aufstockung des Flottenerneuerungsprogramms Sozial & Mobil erfolgen.

Die Teilnehmer des Gesprächs sind sich einig, dass angesichts ambitionierter europäischer Klimaschutzvorgaben eine technologieoffene, strategische Diskussion zum Erhalt der Wertschöpfung in der Automobilindustrie im Zeitalter der Dekarbonisierung geführt werden soll, um weitere Potenziale und Handlungsoptionen insbesondere auch auf europäischer Ebene zu identifizieren. 

Mit dieser Zielsetzung werden bis zur nächsten Sitzung von den Teilnehmern gemeinsam Optionen entwickelt. Dazu wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Die Arbeiten der NPM sollen hier einfließen.

Bei der Umsetzung der Erneuerbaren Energie-RL (REDII) werden wir eine ambitionierte THG-Quote bis 2030 einführen, die alle Optionen, inkl. den wasserstoffbasierten, den Anteil der erneuerbaren Energien in Kraftstoffen zu erhöhen, berücksichtigt und die zur CO2-Reduktion im Verkehrssektor beitragen