"Das ist moderne Gleichstellungspolitik"

Im Wortlaut: Schwesig "Das ist moderne Gleichstellungspolitik"

Bundesfrauenministerin Schwesig will einen Kulturwandel in der Arbeitswelt einleiten. Die Frauenquote allein reiche dafür nicht, wichtig seien auch Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Lohngerechtigkeit. Mit der unterschiedlichen Bezahlung von Männern und Frauen dürfe man sich nicht abfinden, so Schwesig.

  • Interview mit Manuela Schwesig
  • Passauer Neue Presse
Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).

Schwesig: Drei Viertel der Frauen sind der Meinung, dass es in unserer Arbeitswelt ungerecht zugeht.

Foto: Bundesregierung/Denzel

Das Interview im Wortlaut:

Passauer Neue Presse (PNP): Heute soll der Bundestag grünes Licht für die gesetzliche Frauenquote geben: Sie wird knapp 200 Frauen zu lukrativen Aufsichtsratsmandaten verhelfen. Aber die Verkäuferin, die Polizistin oder die Krankenpflegerin haben nichts von der Quote, oder?

Manuela Schwesig: Nur wenn es an der Spitze Gleichberechtigung gibt, wird sich das auch innerhalb des Betriebs durchsetzen. Unser Gesetz wird vor allem für Unternehmen mit großen Belegschaften gelten. Mich ärgert, dass mancher Konzern es nicht für nötig hält, sich zu bewegen. Ein Unternehmen aus der Gesundheitsbranche mit 54 000 Beschäftigten in Deutschland, davon zwei Drittel weiblich, hat keine einzige Frau in Vorstand und Aufsichtsrat. Dort wird aber über die Arbeits- und Lohnbedingungen für Frauen entschieden.

PNP: Mal abgesehen von Fresenius: Hat die Quoten-Debatte nicht in vielen Konzernen bereits zu einem Umdenken geführt?

Schwesig: Es ist wichtig, dass endlich mehr Frauen in den Führungsetagen ankommen. Das hat dann Signalwirkung: Frauen sehen, was möglich ist. Mir geht es darum, verkrustete Strukturen aufzubrechen und einen Kulturwandel in der Arbeitswelt einzuleiten. Dafür reicht die Quote allein sicherlich nicht aus. Mit dem Kita-Ausbau und dem Elterngeld Plus verbessern wir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer. Außerdem werde ich auch ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit auf den Weg bringen.

PNP: Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hält die Quote für das falsche Signal und beklagt, dass die Politik ihre Hausaufgaben bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht gemacht habe. Können Sie die Sorgen der Wirtschaft in den Wind schlagen?

Schwesig: Das sind doch Ablenkungsmanöver! Wenn Herr Kramer richtig liegen würde, dürften Frauen, die sich gegen eigene Kinder entschieden haben, auf dem Weg in die obersten Führungsetagen keine Schwierigkeiten mehr haben. Aber das ist nicht der Fall. Die Mehrheit der Abiturienten, der Studierenden und Uni-Absolventen in Deutschland ist weiblich. Da muss man sich schon fragen, warum diese qualifizierten Frauen es nicht bis in die Vorstände und Aufsichtsräte schaffen. Drei Viertel der Frauen sind der Meinung, dass es in unserer Arbeitswelt ungerecht zugeht. Mein Job ist nicht, die Männer von den Wirtschaftsverbänden glücklich zu machen. Ich will für die Frauen, die all die Arbeit leisten, etwas bewegen.

PNP: Von der Wirtschaft verlangt die Politik die Einhaltung der Frauenquote. Dabei sind bisher nicht einmal im Öffentlichen Dienst besonders viele Frauen in den Top-Positionen angekommen. Sollte der Bund nicht Vorbild sein?

Schwesig: Was Frauen in Führungspositionen angeht, ist der Öffentliche Dienst besser als die Privatwirtschaft. Aber es gibt noch Luft nach oben! Mir ist wichtig, dass der Bund mit seiner Verwaltung und bei der Besetzung von Gremien ein Vorbild ist. Wir können von der Wirtschaft nicht etwas verlangen, was wir selbst nicht einhalten. In meinem Ministerium sind bereits die Führungsetagen zur Hälfte mit Frauen besetzt.

PNP: In letzter Minute hat die Koalition das Gesetz noch einmal geändert. Wird das Ziel einer 50-Prozent-Quote für den Öffentlichen Dienst aufgegeben?

Schwesig: Nein. Wir sind und bleiben beim Öffentlichen Dienst strenger als bei der Privatwirtschaft. Das Ziel bleibt eine paritätische Besetzung aller Top-Positionen mit Männern und Frauen. Ab dem 1. Januar 2018 sollen die 50 Prozent erreicht werden. Ich will, dass Frauen und Männer im Öffentlichen Dienst auf Augenhöhe sind. Isolierte Frauenförderung alleine reicht nicht. Wir müssen auch die Männer bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen, das ist moderne Gleichstellungspolitik und hilft am Ende auch den Frauen.

PNP: Frauen erhalten in Deutschland im Schnitt rund 22 Prozent weniger Lohn als Männer. Werden Arbeitnehmerinnen bewusst benachteiligt und gezielt unterbezahlt?

Schwesig: Mit diesem Lohnunterschied dürfen wir uns nicht abfinden. Frauen werden auf unserem Arbeitsmarkt strukturell benachteiligt. Die Berufe, für die sie sich oft entscheiden, werden häufig schlechter bezahlt. Die letzten großen Lohnsteigerungen hat es in Branchen gegeben, in denen vor allem Männer arbeiten - zum Beispiel in der Metall- und Elektroindustrie.

PNP: Es heißt, Sie wollten ein Gesetz, das Arbeitnehmern das Recht auf Information über die Bezahlung von Kollegen mit gleicher Tätigkeit gibt. Wie sehen Ihre Pläne dazu aus?

Schwesig: Wir wollen einen Informationsanspruch schaffen. Jede Ingenieurin soll in Zukunft das Recht haben zu erfahren, ob sie in der gleichen Lohngruppe eingestuft ist wie ihre männlichen Kollegen. Keine Sorge: Niemand wird seinen Lohnzettel auf den Tisch legen müssen. Wer etwas anderes behauptet, will Misstrauen schüren. Jeder Arbeitnehmer sollte ein Interesse daran haben, dass Frauen und Männer fair bezahlt werden.

PNP: Frauenquote, Lohnunterschiede - weshalb überlässt die Politik solche Themen nicht den Tarifpartnern?

Schwesig: Die Gewerkschaften unterstützen meine Vorschläge, auch die Frauenquote. Wir sollten uns darüber Gedanken machen, warum 60 Prozent der Deutschen der Meinung sind, dass wir keine echte Demokratie haben, weil sie meinen, dass die Wirtschaft alles bestimme und nicht die Politiker. Das ist leider das Ergebnis einer aktuellen Studie.

Das Interview führte Rasmus Buchsteiner für die