Demografiestrategie
Sommer, Sonntag, 30 Grad. Manuel Meier ist gerade am Badesee angekommen. Da klingelt das Handy. Ein Kunde ist dran, seine Stimme aufgeregt: „Unser Mähwerk ist kaputtgegangen, aber das Gras muss heute noch gemäht werden. Kannst du kommen?“
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Der 20-jährige Maschinenbaustudent zögert keine Sekunde, steht eineinhalb Stunden später mit seinem „Krone Big M“, einem riesigen Mähaufbereiter, auf dem Feld. Meier ist nicht nur Student, sondern auch Unternehmer und als solcher jederzeit bereit: „Schließlich habe ich Verantwortung übernommen.“ Wie wichtig das ist, hat er in der Schule gelernt.
Das Unternehmergymnasium Pfarrkirchen richtet sich an Schüler, die unternehmerisch denken. Die staatliche Schule mit angegliedertem Internat liegt in Niederbayern, einer von Landwirtschaft und Mittelstand geprägten Region. Hier wandern weniger junge Menschen ab als in anderen ländlichen Gegenden. Denn viele Betriebe sind in Familienhand und werden vom Senior an den Junior übergeben. Dass die Jungen darauf überhaupt Lust und vor allem auch das nötige Wissen dafür haben, liegt immer häufiger am Unternehmergymnasium. „Wir zeigen früh auf, welche Berufe da sind und wo Führungsaufgaben darauf warten, übernommen zu werden. Das sichert Arbeitsplätze in der Region“, erklärt Schulleiter Peter Brendel.
Ungewöhnlicher Stundenplan
Idee und Durchführung stammen von zwei engagierten Lehrern: Ute Heim und Joachim Barth organisieren den kompletten Lehrplan und alle Veranstaltungen des unternehmerischen Teils des Gymnasiums. Ab der zehnten Klasse unterrichten sie ausgewählte Schüler, wie seinerzeit Manuel Meier, wöchentlich in zusätzlichen Modulen: Businessplan, Finanzierung der Gründungsidee, Wahl der Rechtsform, Präsentation, Marketing und auch Insolvenz stehen auf dem Stundenplan. Außerdem erhält jeder Schüler einen Firmenbesitzer aus der Region als Paten. Der gewährt ihm Einblick in seinen Betrieb und stellt sein Wissen als erfahrener Praktiker zur Verfügung.
„Wir wollen den jungen Menschen etwas Handfestes bieten“, erklärt Heim ihr Engagement, „ihnen fehlt sonst jeder Praxisbezug.“ Mittlerweile müssen junge Leute nicht einmal mehr zwingend die Schule wechseln und nach Pfarrkirchen ziehen, wenn sie das unternehmerische Rüstzeug lernen wollen. Sie schalten sich einfach per Internetkonferenz zu den Modulen zu.
Papa als Aushilfe
Manche von ihnen, so auch Manuel Meier, werden noch während der Schulzeit zu Gründern. 25.000 Euro investierte er im März 2008 in einen Rückewagen: eine große Maschine, mit der sich Baumstämme aufheben und transportieren lassen. Meier verlieh ihn an Landwirte aus der Region, die sich die teure Maschine nicht leisten können. Weil das so gut lief, wagte sich der junge Unternehmer im Mai 2011 an die nächste, größere Anschaffung: den „Krone Big M“. Hierfür lag die Investition bereits im sechsstelligen Bereich.
Wenn er selbst an der Uni ist, engagiert Meier seinen Vater und einen Nachbarn als Fahrer. Nach seinem Abschluss als Maschinenbauer würde Meier gerne selbst Landmaschinen entwickeln und sie vor allem besser machen. Ihre Macken kennt er ja aus der Praxis.
Der Geist des Unternehmergymnasiums wirkt bereits über die Region hinaus. Jede Woche besucht Ute Heim eine andere Schule in Bayern, um dort Schülern der Mittelstufen unternehmerisches Denken nahezubringen. Umgekehrt kommen Oberstufenschüler aus dem ganzen Land für Wochenendseminare nach Pfarrkirchen, um sich Projektmanagement beibringen zu lassen.