Agenda 2030 und Millenniumsziele
Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben sich in New York auf eine "Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung" geeinigt. Der Text, der Ende September von den Staats- und Regierungschefs offiziell verabschiedet werden soll, führt die sogenannten Millenniumsziele und die Ziele der Agenda 21 fort.
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- Neue gemeinsame Ziele
- Die Millenniumsziele: konkrete Entwicklungserfolge
- Ziel 1: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger
- Ziel 2: Schulbildung für alle
- Ziel 3: Gleichstellung
- Ziel 4: Senkung der Kindersterblichkeit
- Ziel 5: Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter
- Ziel 6: Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten
- Ziel 7: Ökologische Nachhaltigkeit
- Ziel 8 : Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung
- 2030: Eine Agenda im Werden
- Entwicklungsfinanzierung sichern
- Zukunftscharta und Zukunftstour
- Klimakonferenz in Paris
- Nationale Nachhaltigkeitsstrategie
Die Ziele der Agenda 2030 sollen Rückenwind für einen weltweiten Wandel zu mehr Nachhaltigkeit geben. Dazu gehört der Kampf gegen Hunger und Armut sowie für ein friedliches Miteinander. Neu ist, dass alle Volkswirtschaften aufgefordert sind, ihren Kurs zu ändern - nicht nur die Entwicklungsländer.
Die Millenniumsziele haben gezeigt, dass es möglich ist, die Lebenssituation von Millionen von Menschen in fast allen Entwicklungsländern der Erde konkret zu verbessern. So ist es in den vergangenen 15 Jahren gelungen, die Armut weltweit zu halbieren und den Zugang zu Trinkwasser und Bildung zu verbessern. Die Sterblichkeit sowohl von Kindern als auch von Müttern konnte jeweils um ungefähr die Hälfte reduziert werden.
Freilich, es gibt noch viel zu tun: Immer noch leben knapp 1,3 Milliarden Menschen von weniger als 1,25 US-Dollar am Tag, der offiziellen Armutsgrenze der Vereinten Nationen. Und viele andere Probleme wie Ressourcenverschwendung, Klimawandel und Umweltzerstörung, Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheiten fordern die Menschheit zusätzlich heraus.
Neue gemeinsame Ziele
Die neue Agenda 2030 soll den Ansatz der Millenniumsziele mit dem der Agenda 21 zusammenführen. Die Agenda 21 war 1992 auf dem sogenannten Erdgipfel in Rio de Janeiro verabschiedet worden. Sie richtete sich an alle Länder der Erde und hatte das Ziel, durch eine veränderte Wirtschafts-, Umwelt- und Entwicklungspolitik die Bedürfnisse der heutigen Generation zu befriedigen - ohne jedoch die Chancen künftiger Generationen zu beeinträchtigen.
2012, zwanzig Jahre nach dem Erdgipfel, kam die Staatengemeinschaft erneut in Rio de Janeiro zusammen ("Rio+20" oder "Rio 2012"). Dort bekannten sich die Staaten zu nachhaltigem Wirtschaften, insbesondere zum Modell der "Green Economy". Sie beschlossen außerdem, Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erarbeiten: Sustainable Development Goals (SDG).
Die Millenniumsziele: konkrete Entwicklungserfolge
Im September 2000 hatten sich Staats- und Regierungschefs aus 189 Ländern in New York getroffen und die so genannte "Millenniumserklärung" und insgesamt acht "Millenniumsziele“ verabschiedet.
Die Arbeit, die seither von den Industrie- und Entwicklungsländern gemeinsam geleistet wurde, hat gezeigt, dass konkrete und weitreichende Entwicklungsfortschritte möglich sind, wenn Entwicklungsländer und Industriestaaten systematisch zusammenarbeiten.
Seit 2000 konnte die Lebenssituation von Millionen Menschen entscheidend verbessert werden. Diese Verbesserungen sind eine große Ermutigung für alle, stellen aber auch einen Ansporn für weitere Anstrengungen dar.
Im Folgenden soll eine kleine Auswahl der erreichten Erfolge vorgestellt werden.
Ziel 1: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger
Quelle: Vereinte Nationen, The Millennium Development Goals Report, New York 2015. Hinweis: Die Zahlen für das Jahr 2015 sind Prognosen
Die extreme Armut ging in den vergangenen beiden Jahrzehnten deutlich zurück. Während 1990 in den Entwicklungsländern noch beinahe die Hälfte der Bevölkerung mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag auskommen musste, wird der Wert für das Jahr 2015 auf 14 Prozent prognostiziert.
Die Zahl der Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, sank um mehr als die Hälfte von 1,9 Milliarden Menschen auf 0,8 Milliarden Menschen 2015. Der größte Fortschritt erfolgte hier ab dem Jahr 2000.
Bei der Bekämpfung der Unterernährung gab es ebenfalls wichtige Fortschritte. In den Entwicklungsländern ging der Anteil unterernährter Menschen an der Gesamtbevölkerung seit 1990 von 23,3 auf 12,9 Prozent, also fast um die Hälfte, zurück.
Quelle: Vereinte Nationen, The Millennium Development Goals Report, New York 2015. Hinweis: Die Zahlen für das Jahr 2015 sind Prognosen
Ziel 2: Schulbildung für alle
Quelle: Vereinte Nationen, The Millennium Development Goals Report, New York 2015. Hinweis: Die Zahlen für das Jahr 2015 sind Prognosen
91 Prozent aller Kinder in den Entwicklungsländern erhalten 2015 eine Grundschulausbildung. Ein deutlicher Fortschritt gegenüber 1990, als diese Zahl noch 83 Prozent betrug. Zudem stieg die Alphabetisierungsrate deutlich an.
Den deutlichsten Anstieg erzielt dabei die Sub-Sahara Region Afrikas. Dort stieg der Anteil an Kindern, die eine Grundschulausbildung erhalten, zwischen 1990 und 2015 von 52 auf 80 Prozent, wobei das Wachstum nach 2000 am höchsten war.
Die Zahl von Kindern, die nach der Grundschule keine weiterführende Schule besuchen, wird bis zum Jahresende global beinahe um die Hälfte auf etwa 57 Millionen Kinder zurückgehen. Im Jahr 2000 waren es noch 100 Millionen Kinder.
Ziel 3: Gleichstellung
Seit 1995 verdoppelte sich der Anteil von Frauen in den Parlamenten der 174 untersuchten Länder. Aber: Weitere Fortschritte sind nötig, denn noch immer ist nur jedes fünfte Parlamentsmitglied weiblich.
Ziel 4: Senkung der Kindersterblichkeit
Die weltweite Kindersterblichkeit ist um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Trotz hohen Bevölkerungswachstums vor allem in den Entwicklungsländern sank die Zahl der Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren weltweit von 12,7 Millionen im Jahr 1990 auf 6 Millionen Kinder 2015.
Noch mehr Kinder können in Zukunft gerettet werden, wenn es gelingt Vorsorgemaßnahmen wie Impfungen weiter auszubauen.
Quelle: Vereinte Nationen, The Millennium Development Goals Report, New York 2015. Hinweis: Die Zahlen für das Jahr 2015 sind Prognosen
Ziel 5: Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter
Die Müttersterblichkeit ist seit 1990 weltweit um 45 Prozent zurückgegangen, wobei der größte Fortschritt seit dem Jahr 2000 erreicht wurde. In Süd-Asien sank dieser Wert sogar um 64 Prozent zwischen 1990 und 2013. Ausschlaggebend für diesen Erfolg war die Begleitung der Geburten durch medizinisches Fachpersonal. Weltweit wurden so 2014 rund 71 Prozent der Geburten begleitet, während es 1990 nur 59 Prozent waren.
Quelle: Vereinte Nationen, The Millennium Development Goals Report, New York 2015. Hinweis: Die Zahlen für das Jahr 2015 sind Prognosen
Ziel 6: Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten
Die Zahl der Neuinfektionen mit HIV-AIDS sank zwischen 2000 und 2013 um etwa 40 Prozent. Auch andere Krankheiten wie Malaria oder Tuberkulose wurden wirksam eingedämmt.
Quelle: Vereinte Nationen, The Millennium Development Goals Report, New York 2015. Hinweis: Die Zahlen für das Jahr 2015 sind Prognosen
Im Juni 2014 erhielten 13,6 Millionen HIV-Kranke medikamentöse Therapie, was einen immensen Anstieg bedeutet. 2003 lag diese Zahl bei nur 800.000 Menschen. Die Behandlung konnte 7,6 Millionen Todesfälle zwischen 1995 und 2013 abwenden.
Ziel 7: Ökologische Nachhaltigkeit
Quelle: Vereinte Nationen, The Millennium Development Goals Report, New York 2015. Hinweis: Die Zahlen für das Jahr 2015 sind Prognosen
Verglichen mit 76 Prozent 1990, werden 91 Prozent der Weltbevölkerung 2015 Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. 2,6 Milliarden Menschen erhielten seit 1990 verbesserten Zugang zu sauberem Trinkwasser, 1,9 Milliarden von ihnen sogar den Zugang zu Leitungswasser in der eigenen Wohnung.
Ziel 8 : Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung
Quelle: Vereinte Nationen, The Millennium Development Goals Report, New York 2015. Hinweis: Die Zahlen für das Jahr 2015 sind Prognosen
Die offizielle Entwicklungszusammenarbeit der Industriestaaten für die Entwicklungsländer nahm kräftig zu. Die Unterstützung stieg zwischen 2000 und 2014 inflationsbereinigt um 66 Prozent von 81 Milliarden USD auf 135 Milliarden USD.
2030: Eine Agenda im Werden
Im Dezember 2014 erschien der Bericht zur Entwicklungsfinanzierung, der sogenannte Synthesebericht, des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon. Dieser Bericht setzte den Rahmen für die weiteren Verhandlungen. Eine UN-Arbeitsgruppe hatte zuvor im Juli 2014 einen Vorschlag vorgelegt. Eine wichtige Basis des Syntheseberichts war auch die Arbeit des von Ban Ki-moon berufenen Gremiums herausragender Persönlichkeiten. Deutschlands ehemaliger Bundespräsident Horst Köhler wirkte daran mit.
Die Agenda 2030 will in fünf zentralen Zukunftsfragen bis zum Jahr 2030 umfassende Fortschritte erreichen. Der derzeitige Entwurf sieht 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung vor. Sie dienen als zentraler Orientierungspunkt:
Armut in allen ihren Formen und überall beseitigen;
Hunger beseitigen, Ernährungssicherheit und verbesserte Ernährung erreichen, eine nachhaltige Landwirtschaft fördern;
ein gesundes Leben sicherstellen und das Wohlergehen aller Menschen in allen Altersgruppen fördern;
eine inklusive und gleichberechtigte hochwertige Bildung garantieren und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern;
Geschlechtergleichstellung erreichen und das Potenzial aller Frauen und Mädchen fördern;
Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitäreinrichtungen für alle sicherstellen;
den Zugang zu erschwinglicher, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie für alle sicherstellen;
anhaltendes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern;
eine widerstandsfähige Infrastruktur schaffen, eine breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung und Innovationen fördern;
Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern;
Städte und menschliche Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten;
nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen;
unverzüglich Maßnahmen gegen den Klimawandel und seine Folgen ergreifen;
Ozeane, Meere und marine Ressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen;
terrestrische Ökosysteme bewahren und wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig bewirtschaften, die Wüstenbildung bekämpfen, Landdegradation und den Verlust der Artenvielfalt beenden und umkehren;
friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, Zugang zum Recht für alle schaffen und leistungsfähige, verantwortliche und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen;
die Mittel zur Umsetzung stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen.
Gute Regierungsführung, Fragen der Finanzierung und Wirkungsmessung, ein Multi-Akteurs-Ansatz und ein starker Überprüfungsmechanismus bilden wesentliche Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung.
Entwicklungsfinanzierung sichern
Die Ziele der neuen Entwicklungsagenda benötigen ausreichend große finanzielle Mittel. Aus diesem Grund fand im Juli 2015 in Addis Abeba (Äthiopien) die Dritte Internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung statt. Die Teilnehmer einigten sich unter anderem auf einen Aktionsplan, der die Finanzierung der nachhaltigen Entwicklungsziele sicherstellen soll. Schwellen- und Entwicklungsländer sollen verstärkt funktionierende Steuersysteme aufbauen und entschieden gegen Korruption vorgehen. Die Geberländer haben ihre Selbstverpflichtung bekräftigt, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben.
Auch das Treffen der G7 im bayerischen Elmau diente der Vorbereitung auf die UN-Vollversammlung, auf der die neuen Entwicklungsziele verabschiedet werden sollen. Die teilnehmenden Regierungschefs stellten klar, dass sie den angestrebten neuen Weltzukunftsvertrag für nachhaltige Entwicklung unterstützen. Die Verpflichtung, 0,7 Prozent des Bruttoinlandproduktes für Entwicklungszusammenarbeit zu verwenden, wurde ausdrücklich in der Abschlusserklärung verankert. Das ist ein wichtiges Signal für die Entwicklungs- und Schwellenländer.
Zukunftscharta und Zukunftstour
Der Erfolg der Agenda 2030 hängt nicht zuletzt davon ab, dass auch in Deutschland alle mitmachen: Unternehmen, zivilgesellschaftliche Gruppen, die Wissenschaft, Bürgerinnen und Bürger. 2014 hat das Entwicklungshilfeministerium daher einen breiten Diskussionsprozess geführt. Viele gesellschaftliche Gruppen, Hilfsorganisationen, Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaft und Politik haben sich daran beteiligt. Die Zukunftscharta ist das Ergebnis.
Die knapp 60 Seiten starke Charta mit dem Titel "EINEWELT – unsere Verantwortung" gibt Empfehlungen für nachhaltiges Handeln in verschiedensten Lebensbereichen – ob in der Politik, der Wirtschaft oder im Alltag jedes Einzelnen. Jetzt geht die Zukunftscharta auf Tour durch Deutschland. Mit Veranstaltungen und interaktiven Formaten werden die Themen der Zukunftscharta mit Leben gefüllt. Bürgerinnen und Bürger können weiter ihre Ideen einbringen und mitdiskutieren.
Klimakonferenz in Paris
Ende November und im Dezember 2015 findet schließlich die Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Paris statt. Klimaschutz ist von zentraler Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung. Die Teilnehmer des G7-Gipfels haben sich eindeutig dazu bekannt, die Erderwärmung zu begrenzen. Die G7-Länder haben sich auf verbindliche Schadstoffreduktionsziele verständigt, die bei der Welt-Klimakonferenz in Paris vereinbart werden sollen. Es besteht der Wille, im Laufe des 21. Jahrhunderts vollständig auf die Nutzung von Öl, Kohle und Gas zu verzichten.
Nationale Nachhaltigkeitsstrategie
Wie die internationalen Ziele in Deutschland umsetzen? Die Bundesregierung will das im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie machen. Das hat sie im Dezember 2014 beschlossen.
Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie gibt es seit 2002. Sie wird alle vier Jahre fortgeschrieben und ist der zentrale Leitfaden der Nachhaltigkeitspolitik auf Bundesebene. Sie enthält Ziele und Indikatoren, anhand derer sich Fortschritt oder aber Stillstand der Entwicklung ablesen lassen. Der nächste Fortschrittsbericht erscheint im Herbst 2016.
Welche Akzente soll die Nachhaltigkeitsstrategie setzen? Wie sind die Indikatoren weiterzuentwickeln? Dies will die Bundesregierung auch mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutieren. Gelegenheit dazu gibt es bei Konferenzen in Berlin, Dresden, Stuttgart, Bonn und Hamburg. Die Ergebnisse fließen in die Fortentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie ein und werden im Fortschrittsbericht nachzulesen sein. Auch die Bundesländer und Verbände beteiligen sich.