8. Februar 1990 - Auf dem Weg zur Deutschen Einheit
8. Februar 1990: Auf Druck des „Runden Tisches“ beschließt der DDR-Ministerrat, ein „Staatliches Komitee zur Auflösung des ehemaligen MfS/AfNS“ zu bilden. Das Komitee wird zugleich ziviler Kontrolle unterstellt.
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Bürgerkomitees entstehen
Es gab gute Gründe für die zahlreichen Besetzungen von Dienststellen des Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) ab Anfang Dezember 1989: die unkontrollierte Vernichtung der Aktenbestände des früheren Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).
Wochenlang hatte die Modrow-Regierung versucht, Strukturen des Staatssicherheitsdienstes zu erhalten. Als Gegenstrategie entstanden im ganzen Lande Bürgerkomitees. Sie gingen "Sicherheitspartnerschaften" mit der Staatsanwaltschaft und der Polizei ein, um die MfS-Gebäude zu kontrollieren, Aktenvernichtungen möglichst zu verhindern und Selbstjustiz vorzubeugen.
Zivile Kontrolle über Stasi-Behörde
Der Ministerrat ernennt am 8. Februar drei Beauftragte für die zivile Kontrolle zur Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit und stattet sie für diese Aufgabe mit "Regierungsvollmacht" aus. Es sind Werner Fischer von der Initiative Frieden und Menschenrechte, Georg Böhm von der Demokratischen Bauernpartei und – als Vertreter von Bischof Gottfried Forck – der Oberkonsistorialrat Ulrich Schröter.
Zugleich wird ein "Komitee zur Auflösung des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit" als "Zentrales Staatsorgan" gebildet. Sein Leiter wird Günter Eichhorn, ein ehemaliger Abteilungsleiter im DDR-Finanzministerium. Später stellt sich heraus, dass er über mehrere Jahre inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) war. Das Komitee hat die "Abwicklung von Forderungen und Verbindlichkeiten" des ehemaligen AfNS zu übernehmen. Insgesamt hat das Komitee 261 Mitarbeiter, ein gutes Viertel davon sind ehemalige hauptamtliche MfS-Angehörige.
Die staatlichen Stellen, durchdrungen von offiziellen und inoffiziellen Mitarbeitern des Geheimdienstes, zeigen wenig Bereitschaft, eine geordnete Nutzung der Unterlagen zu gewährleisten. Statt dessen werden Akten vernichtet, beiseitegeschafft, kopiert oder gefälscht.
Vernichtung oder Offenlegung der Akten
Nachdem die Auflösung der Staatssicherheit im Januar 1990 entschieden ist, rückt die Frage in den Mittelpunkt: Soll das geheime Material vollständig vernichtet oder bedingungslos offengelegt werden?
Auch in Teilen der Bürgerbewegung dreht der Wind. Verunsicherung entsteht durch gezielt geschürte Bedenken, westliche wie östliche Nachrichtendienste könnten Zugriff auf die Daten erhalten und sie für ihre eigenen Zwecke nutzen. Hier treffen sich plötzlich Interessen der alten Systemkräfte mit denen der Opposition.
Die Idee einer endgültigen Aktenentsorgung erhält daher erheblichen Auftrieb. So stimmt am 12. Februar der Zentrale Runde Tisch aus Sorge vor Missbrauch der Vernichtung von elektronischen Datenträgern der Staatssicherheit zu.
Etwa sechs Millionen Datensätze werden vernichtet. Auch die Magnetbänder mit den Namen der Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung sowie der inoffiziellen Mitarbeiter des MfS werden endgültig zerstört.
Nach den Volkskammerwahlen im März 1990 wird das Komitee dem neu gewählten Innenminister Peter-Michael Diestel unterstellt. Am 7. Juni 1990 setzt die Volkskammer zusätzlich einen parlamentarischen Sonderausschuss unter Vorsitz von Joachim Gauck ein. Fortan hat er die Aufgabe, die Auflösung des MfS zu kontrollieren.