15. November 1989 - Auf dem Weg zur Deutschen Einheit
15. November 1989: West-Berlin gleicht einem Bienenstock. Zehntausende drängen über die geöffneten Grenzübergänge in den Westteil. Auch wenn ständig neue Übergänge eröffnet werden – die Staus werden nicht kürzer. Und das Brandenburger Tor bleibt noch verschlossen.
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Zehn neue Grenzübergänge
Seit knapp einer Woche liegt das Land wie im Taumel. Über Nacht verwandeln sich Schulen, Betriebe und Büros in entvölkerte Kulissen, während draußen die Welt auf den Beinen ist. Schnell daheim noch volltanken, dann in Richtung Westen oder West-Berlin. Der Stau vor West-Berlin reicht bis Magdeburg zurück.
Beton und Stacheldraht weichen dem Druck der Massen: In Berlin werden in der ersten Woche nach dem Mauerfall zehn amtliche Übergänge neu geöffnet. Darunter sind große Schauplätze deutscher Geschichte: die Bernauer Straße, die Glienicker Brücke, der Potsdamer Platz.
Am 15. November fragen die Medien: Wann öffnet sich die Mauer am Brandenburger Tor, dem symbolträchtigsten Ort der deutschen Teilung? Zwar haben hier schon in der Nacht vom 9. auf den 10. November Hunderte auf der Mauerkrone getanzt, doch das Tor bleibt in den Tagen und Wochen darauf noch verschlossen.
Erst kurz vor Weihnachten werden hier die Grenzanlagen abgetragen, können Bundeskanzler Helmut Kohl und DDR-Ministerpräsident Hans Modrow das Tor öffnen.
Mit Axt und Vorschlaghammer
Mancher schafft sich seinen eigenen Grenzübergang: mit Vorschlaghammer und Seitenschneider. In Berlin hämmern "Mauerspechte" mannshohe Löcher in den Beton. Noch Wochen und Monate bahnen sich die Menschen auf diese Weise ihren Weg: Im Juni 1990 wird ein Bauer im ländlichen Lübars die Mauer mit seinem Traktor durchbrechen.
Bonn will Klarheit
In Bonn verhandelt Kanzleramtsminister Rudolf Seiters an diesem 15. November einmal mehr mit DDR-Staatssekretär Alexander Schalck-Golodkowski. Seiters fordert eine Liberalisierung des Reiseverkehrs von West nach Ost. Was ist beispielsweise mit Personen, die bislang "Einreiseverbote" haben? Dürfen ehemalige "Republikflüchtlinge" in die DDR reisen? Bislang hat sich Ostberlin dazu noch nicht geäußert.