Ein Haus aus einem Guss

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Im Wortlaut: Grütters Ein Haus aus einem Guss

Kulturstaatsministerin Monika Grütters sprach mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Zukunft des Humboldt Forums und die Rolle des Intendanten: "Hartmut Dorgerloh ist deshalb hervorragend geeignet, weil er es versteht, anspruchsvolle Inhalte einem breiten Publikum zu vermitteln".

  • Interview mit Monika Grütters
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung

Das Interview im Wortlaut:

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Frau Grütters, Sie schlagen Hartmut Dorgerloh, den Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, als Intendanten des Humboldtforums vor. Was qualifiziert ihn für den Posten?

Monika Grütters: Wir brauchen eine Person, die die Vision des Humboldtforums weiterentwickelt und die Identität des Hauses maßgeblich mitbestimmt. Hartmut Dorgerloh ist auch deshalb hervorragend geeignet, weil er es versteht, anspruchsvolle Inhalte einem breiten Publikum zu vermitteln. Über das Humboldtforum ist jahrelang in sehr akademischer Weise geredet worden. Dabei wurde manchmal vergessen, dass dieses Haus ein Ort der Begegnung für die Bevölkerung sein muss. Deshalb war es mir wichtig, jemanden zu holen, der den deutschen Kulturbetrieb von allen Seiten kennt und auch öffentlich gewandt und gewinnend auftritt. Die Schlösserstiftung hat fast dieselbe Größe, einen ähnlichen Etat und ungefähr so viele Mitarbeiter wie das fertige Humboldtforum. Hartmut Dorgerloh hat dort gezeigt, wie man ein sehr heterogenes kulturelles Gebilde in der Öffentlichkeit positionieren und zum Strahlen bringen kann. Er kann nicht nur mit dem Publikum kommunizieren, sondern auch mit der Politik. Und er hat eine Qualität, die kein anderer Kandidat mitgebracht hätte: Er ist schon so lange Teil des Projekts, dass er genau weiß, worauf er sich einlässt.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Das Humboldtforum, hieß es oft, brauche eine international bekannte Persönlichkeit an der Spitze. Ist diese deutsche Lösung eine Rückkehr zum Realismus?

Grütters: So hilfreich der Blick eines Neil MacGregor von außen auf den Aufbauprozess war, so wichtig ist es jetzt, das Projekt hier vor Ort dem Publikum zu geben. Im Übrigen bleibt das internationale Expertenteam ja bestehen. Hartmut Dorgerloh kennt die deutsche Politik und die kulturpolitischen Schnittstellen zwischen Bund und Ländern aus langer Erfahrung und hat einen großen Vertrauensvorschuss bei allen Beteiligten. Die Beruhigung der Gemüter, die von seiner Berufung ausgeht, dürfte entscheidend dazu beitragen, die Eröffnungsphase des Humboldtforums in den nächsten Jahren konstruktiv voranzubringen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Das klingt, als sollten diejenigen, die hier Visionen haben, wieder zum Arzt gehen wie zu Zeiten Helmut Schmidts.

Grütters: Wenn ich mir ansehe, wie die Schlösserstiftung abstrakte Themen konkret und sinnlich umgesetzt hat, etwa bei ihren Ausstellungen über die Frauen der Hohenzollern oder über Friedrich den Großen, dann traue ich Hartmut Dorgerloh durchaus Visionen zu. Das sind Annäherungen an Themen, wie ich sie mir auch im Humboldtforum vorstellen kann. Das vielfältige Programmangebot aus Wechsel- und Sonderausstellungen, Film, Theater, Tanz und Performance braucht einen erfahrenen Praktiker. Das ist die Lektion, die wir von Neil MacGregor gelernt haben: Marketing, die Führung von Besucherströmen und die Einbeziehung der Stadtgesellschaft sind genauso wichtig wie inhaltliche Orientierungen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: MacGregor geht also von Bord. Aber was hat Dorgerloh wirklich zu sagen?

Grütters: Wir wollen ein Haus aus einem Guss mit eigener Corporate Identity. Zu diesem Zweck wird ein Gremium eingerichtet, die sogenannte Leitungskonferenz, in der unter dem Vorsitz des Intendanten die programmatischen Entscheidungen des Hauses verabredet werden. Die Richtlinienkompetenz liegt beim Intendanten. zu­ gleich muss er aber auch Teil des Teams sein. Deshalb haben wir ihm die direkte operative Verantwortung für das Programm des Hauses zugewiesen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Wie hoch ist das Programmbudget?

Grütters: In jedem Fall mehr als 50 Millionen Euro, die genaue Summe ist derzeit Gegenstand von Verhandlungen. Bis zur Eröffnung werden ungefähr 350 Stellen benötigt. Wir wollen ja mit freiem Eintritt arbeiten, das heißt, wir haben es mit einem anderen Publikumsverhalten zu tun als sonst. Wenn man in der Mitte Berlins eine Agora schafft, ein offenes Haus, verändert das auch die Arbeitsabläufe bei den Akteuren. Allein die Akademie, das Besucherzentrum im ersten Stock, hat mehr als tausend Quadratmeter.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Die Partner, mit denen es der neue Intendant zu tun haben wird, werden von mächtigen Institutionen gestützt - den Staatlichen Museen, der Humboldt-Universität, dem Land Berlin. Wer stützt eigentlich den Intendanten?

Grütters: Ich stehe hinter ihm als Stiftungsratsvorsitzende und als Kulturstaatsministerin. In jüngster Zeit mache ich die Erfahrung, dass das Humboldtforum sogar harte Haushälter euphorisiert. Wir haben uns alle nach dem Zeitpunkt gesehnt, an dem das Projekt endlich tragfähige Strukturen und eine entscheidungsfreudige Leitung bekommt.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Wenn man das lästige Wort ´Vision´ einmal weglässt - worin besteht die geistige Aufgabe des Intendanten?

Grütters: Darin, dass das Gestalt annimmt, wofür ich in den vergangenen Jahren geworben habe: dass Deutschland aus seiner Selbstbezüglichkeit heraustritt und sich als Partner in der Welt empfiehlt. Wenn ich mir eine Alltagssituation im Humboldtforum in fünf Jahren vorstelle, dann wünsche ich mir, dass selbst Passanten, die zufällig hineingehen, um mindestens eine Erkenntnis reicher wieder herauskommen: dass es kein steriles Upper­Class-Angebot wird, sondern ein Teil der Lebenswirklichkeit Berlins, und dass der Begriff „Basislager für eine Weltreise" nicht bloß eine abstrakte schöne Formel bleibt. Im Augenblick erleben wir überall den Zerfall alter Ordnungen, Gewissheiten und Weltbilder. Diese neue Unbehaustheit führt zu .kollektiven Ängsten. Wenn man solche Ängste im Humboldtforum abbauen kann, indem man spielerisch fremde Kulturen kennenlernt und zugleich die eigene Kultur besser begreift, dann hat dieses Haus seinen Auftrag erfüllt.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: In der öffentlichen Debatte über das Projekt geht es derzeit vor allem um das Erbe des Kolonialismus. Wie soll sich der neue Intendant dem Thema stellen?

Grütters: Provenienzforschung und Restitution bleiben natürlich in der Verantwortung der Staatlichen Museen. Aber das Humboldtforum kann eine Blaupause dafür sein, wie wir in Deutschland mit diesen Fragen umgehen - etwa dadurch, dass man die Herkunftsgeschichte der Exponate ausführlich dokumentiert.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Das heißt, der Intendant repräsentiert eine Institution, deren Entscheidungen er oft nicht beeinflussen kann.

Grütters: Das gehört zu den Herausforderungen dieses Amtes. Der Intendant wird darauf angewiesen sein, in enger Kollegialität mit den anderen Akteuren zusammenzuarbeiten. Eine inhaltliche Partnerschaft zwischen ihm und dem Sammlungsdirektor Lars-Christian Koch ist die Voraussetzung für das Funktionieren des Hauses.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Wann soll Dorgerloh anfangen?

Grütters: Im April wird der Stiftungsrat der Stiftung Humboldtforum über die Berufung entscheiden. Wir streben den 1. Juni an.

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Welche Rolle wird Neil MacGregor in Zukunft beim Humboldtforum spielen?

Grütters: Ich wünsche mir, dass er als Berater weiter zur Verfügung steht. Seine Leidenschaft und sein kritischer Blick haben das Projekt entscheidend vorangebracht. Trotzdem ist es formal so, dass die Verträge der Gründungsintendanten enden, sobald ein neuer Intendant gefunden ist.

Die Fragen stellte Andreas Kilb.