Rede von Kulturstaatsministerin Grütters anlässlich der Verleihung des Deutschen Buchhandlungspreises

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Knapp neun Monate ist es her, seit die Bewerbungsphase für den Deutschen Buchhandlungspreis 2020 begonnen hat: Keine lange Zeit, doch es fühlt sich an, als lebten wir heute in einem anderen Zeitalter. Dass der Mundnasenschutz mal zur Standardausrüstung nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in Buchhandlungen gehört und verdiente Buchhändlerinnen und Buchhändler ihre Auszeichnung nur im Livestream verfolgen können, hätten sich bis vor kurzem vermutlich allenfalls Autorinnen und Autoren dystopischer Romane ausdenken können. Kein Händeschütteln für die Preisträger, kein Gruppenfoto, kein Anstoßen und keine persönlichen Gespräche von Angesicht zu Angesicht hinterher – das ist sehr schade. Doch mir war wichtig, dass diese Preisverleihung überhaupt stattfindet, und sei es auch nur im kleinen Rahmen und im virtuellen Raum. Denn gerade in diesem Coronajahr 2020, in dem Lesestoff vielleicht noch mehr als sonst Seelennahrung war und ist, hat sich gezeigt, wie wichtig inhabergeführte Buchhandlungen als geistige Tankstellen, als Fenster in andere Welten sind.

Auch wenn die Zeit der geschlossenen Grenzen zum Glück vorbei ist, sind die Möglichkeiten des Entkommens aus der Enge der eigenen Lebenswelt ja im Moment sehr begrenzt: Nicht nur, weil aus beliebten Reisezielen Risikogebiete wurden, sondern auch, weil mit Theatern, Kinos, Konzerthäusern und anderen Kulturorten ausgerechnet die Sehnsuchts- und Zufluchtsorte des Alltagslebens besonders hart getroffen sind: Orte, die das zutiefst menschliche Bedürfnis nach Austausch und Gemeinschaft stillen – und den Wunsch, die Grenzen der eigenen, kleinen Welt zu überwinden. In den vergangenen Monaten dürfte vielen schmerzlich bewusst geworden sein, wie sehr sie uns fehlen.

Uneinnehmbare Bastion ist und bleibt dagegen das Buch – ein Kulturerlebnis, das garantiert keinen Reisebeschränkungen und Abstandsregeln unterliegt. Glücklich, wer in den unendlichen Weiten der Literatur zu reisen weiß; glücklich, wer lesend mit fremden Menschen sehen, denken und fühlen kann!

Sie, verehrte Buchhändlerinnen und Buchhändler, sind die Vermittler dieses Glücks. Auf der Suche nach dem richtigen Buch bieten Sie Ihren Kundinnen und Kunden Wissen und Orientierung. Genau dafür lieben Sie Ihre Kunden, deshalb kommen Sie in Ihre Läden: Weil sie hier Rat und Inspiration für geistige Fernreisen finden, weil Sie ihnen beim Aufbruch in geistiges Neuland Rat und Unterstützung bieten – im Berliner Kiez genauso wie in der schwäbischen Kleinstadt. Damit fördern Sie nicht zuletzt auch die Lesekultur und tragen maßgeblich zum Erhalt der literarischen, der verlegerischen, der kulturellen Vielfalt in Deutschland bei.

Diese Leistung verdient nicht nur einen Preis, sondern auch eine Preisverleihung, Corona hin oder her. Deshalb freue ich mich, dass Sie alle dabei sind – sei es live hier in der Staatsbibliothek, sei es via Livestream im virtuellen Raum! Ich danke unseren Partnern, dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Kurt-Wolff-Stiftung, vor allem aber allen Mitgliedern der Jury, die mit viel Sachverstand und großem Engagement deutschlandweit preiswürdige Buchhandlungen ausgewählt haben. Ein herzliches Dankeschön auch Ihnen, liebe Frau Dr. Schneider-Kempf, dass Sie unserer kleinen Feier hier in der Staatsbibliothek einen würdigen Rahmen bieten. 118 Buchhandlungen zeichnen wir in diesem Jahr aus und alle werden im kommenden Jahr zur Verleihung des Buchhandlungspreises 2021 eingeladen, damit wir dann hoffentlich nicht nur virtuell in großer Runde miteinander feiern können.

Dass in diesem Jahr nicht so recht Feierstimmung aufkommen mag, liegt nicht nur an Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln. Es hat auch damit zu tun, dass die aktuelle Krise auch an den Buchhandlungen nicht spurlos vorbeigeht. Viele haben wegen ihrer Schließung im März und April erhebliche Umsatzeinbußen zu beklagen. Deshalb habe ich im Konjunkturprogramm NEUSTART KULTUR der Bundesregierung, das dem Erhalt der kulturellen Infrastruktur dient, 10 Millionen Euro speziell für Buchhandlungen vorgesehen. Denn wir brauchen Sie als Fürsprecher auch unbekannter Autorinnen und Autoren, als Botschafter unabhängiger Verlage und als Förderer der Lesekultur und des Kulturgutes Buch.

„Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler“, hat der französische Schriftsteller Philipp Djian einmal in einem Interview gesagt. Insbesondere im Coronajahr 2020 ist er damit sicher nicht der Einzige. Für Ihre engagierte Arbeit, die Buchhandlungen in diesem Sinne zu geistigen Naherholungsgebieten macht, danke ich Ihnen herzlich, liebe Buchhändlerinnen und Buchhändler. Für die guten Zeiten, die in nicht allzu ferner Zukunft sicher wiederkommen werden, wünsche ich Ihnen, dass der ausgeprägte Lesehunger dieses Jahres Ihnen dann doch viele neue Kundinnen und Kunden beschert – so wie hoffentlich auch die Auszeichnung mit dem Deutschen Buchhandlungspreis und die damit verbundene, öffentliche Aufmerksamkeit. Herzlichen Glückwunsch allen Preisträgerinnen und Preisträgern! Bleiben Sie gesund – und zuversichtlich!