Leben und Arbeiten in Deutschland: Eine Willkommenserfahrung?

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Willkommens- und Anerkennungskultur Leben und Arbeiten in Deutschland: Eine Willkommenserfahrung?

Aus vielen Ländern kommen Menschen nach Deutschland - als Flüchtlinge oder Fachkräfte. Warum kommen sie? Wie werden sie aufgenommen? Wie erleben sie Deutschland? Kenneth Myers aus Amerika gibt Antworten.

  • Interview mit Kenneth Myers
  • Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Kenneth Myers mit seinen Kollegen im Gespräch.

Kenneth Myers schätzt sich glücklich, ein tolles Team und erfahrene Kollegen im Unternehmen zu haben.

Foto: Tobias Hase

"Ausgezeichnet – In Amerika übertreiben wir manchmal ein bisschen".

Der 33-jährige Amerikaner Kenneth Myers arbeitet als Unternehmensberater. Das Bundeswirtschaftsministerium hat seinen Arbeitgeber - die UCInet.AG - mit dem Preis für Willkommenskultur "Mit Vielfalt zum Erfolg" ausgezeichnet.

In einer Serie sprechen wir mit Menschen verschiedener Herkunft über ihre Erfahrungen zum Leben und Arbeiten bei ausgezeichneten Arbeitgebern.

Ankommen

.Kenneth Myers Mitarbeiter bei der ICUnet AG in Passau.

Der 33-jährige Kenneth Myers aus den Vereinigten Staaten lebt seit vier Jahren in Deutschland.

Foto: Tobias Hase

Seit wann leben Sie in Deutschland?
Seit etwa vier Jahren lebe ich in Deutschland.

Warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschieden?
Ich habe bereits früher in Australien und Beijing gelebt, allerdings wollte ich noch mehr internationale Erfahrungen sammeln.

Worauf haben Sie sich besonders gefreut? Und wovor hatten Sie Angst oder Respekt?
Das Land und die abwechslungsreichen Städte haben mich gereizt. Ich wollte auch viele verschiedene Leute kennenlernen und mit interessanten Kolleg/innen und Kund/innen zusammenarbeiten.
Ich hatte keine Angst, aber da ich alleine her kam, wusste ich, dass es ein Neuanfang in einem neuen Land sein würde. Ich würde sagen, dass ich eher gespannt auf Neues und abenteuerlustig war.

Was machen Sie im Unternehmen ICUnet.AG?
Ich arbeite als Consultant und Business Entwicklungsspezialist mit dem Länderschwerpunkt USA.

Wie sah Ihr erster Tag bei ICUnet.AG aus?
Es war ein bisschen anstrengend. Als ich nach Deutschland kam, habe ich überhaupt kein Deutsch gesprochen. Ich lag in meinem Bett in der Passauer Altstadt und dachte mir: "Was mache ich hier eigentlich?" Ich hatte in meiner Heimatstadt San Diego ein fantastisches Netzwerk und viele Freund/innen und Kund/innen – und all das habe ich aufgeben, um ein neues Kapitel meines Lebens aufzuschlagen.

Willkommen

Kenneth Myers (r.) und Philipp Wiedemann - Mitarbeiter bei der ICUnet AG in Passau.

Die Vision und Idee, dass sich Internationalität und Diversität lohnen, lebt die Beratungsfirma selbst.

Foto: Tobias Hase

Was ist Willkommenskultur?
Für mich bedeutet Willkommenskultur eine Mentalität oder Denkweise, die ein Gefühl von Glück oder Freude bei Inpats und Gästen auslöst. Das heißt, eine Kultur, die die Beziehungen und das persönliche Netzwerk voranbringt. Die meisten der Kulturen (bis zu 85 %) sind beziehungsorientiert. Das bedeutet, selbst wenn man Geschäfte abschließt, ist es am wichtigsten, zunächst das Gegenüber persönlich als Menschen kennenzulernen. Nur danach kann man eine erfolgreiche Zusammenarbeit etablieren. Willkommenskultur heißt für mich also, dass sich jemand willkommen fühlt.

Anm. der Red.: "Inpat" ist die Kurzform für Inpatriate. Das ist die Bezeichnung für eine/n Mitarbeiter/in, der bei einem multinationalen Unternehmen beschäftigt ist und von einer ausländischen Tochtergesellschaft zum Hauptsitz entsandt wird, um dort zu arbeiten.

Welche Unterstützung Ihres Arbeitgebers hat Ihnen an meisten geholfen?
Dr. Fritz Audebert, Firmengründer und Vorstandsvorsitzender des familiengeführten Unternehmens und ICUnet.AG haben mir in der ganzen Übergangsphase sehr geholfen. Dr. Audebert hat mich mehrmals zu gemeinsamen Abendessen zu sich nach Hause eingeladen und er hat mich seinem kompletten Netzwerk in Passau vorgestellt, damit ich mich in Deutschland besser integriert fühle.

Erinnern Sie sich an einen ganz bestimmten Moment, an dem Sie sich willkommen gefühlt haben?
Die Familie von einer meiner Freundinnen war echt toll und hat mich immer in die Familienaktivitäten einbezogen. Ab diesem Moment habe ich mich besser eingebunden gefühlt und dachte mir: "Dieses Land gefällt mir tatsächlich".

Welche drei Dinge in Deutschland möchten Sie heute nicht mehr missen / haben Sie besonders liebgewonnen?
Ohne jegliche Ordnung: das Bier, die Ehrlichkeit und der Kommunikationsstil der Menschen, die tiefen Beziehungen, die ich mittlerweile habe.

Was ist Ihr Lieblingsessen?
Definitiv griechisch.

Was war ein unerfreuliches Erlebnis für Sie in Deutschland?
Als Amerikaner ist es manchmal schwierig mit den zahlreichen anstarrenden Menschen umzugehen. In Amerika wird es als absolut unverschämt angesehen, so viel zu starren. Daran habe ich mich immer noch nicht gewöhnt.

Was war Ihr schönstes Erlebnis in Deutschland?
Da gibt es zu viel zu erzählen. Ich habe sehr viele  Personen kennengelernt und unzählige Länder besucht. Meine Leidenschaft ist, Leute zusammenzubringen und Brücken zwischen verschiedenen Kulturen zu bauen. Ich habe zum Glück viele Chancen gehabt, um dies zu tun.

Mitarbeiter bei der ICUnet AG in Passau (Bayern).

Der Wahlbayer ist bei der ICUnet.AG in Passau als interkultureller Berater und Geschäftsentwicklungsspezialist angestellt.

Foto: Tobias Hase

Haben Sie ein deutsches Lieblingswort? Verraten Sie uns die Geschichte dahinter?
"Ausgezeichnet" – In Amerika übertreiben wir manchmal ein bisschen, deshalb ist alles "Awesome" und "totally cool". Als ich angefangen habe Deutsch zu lernen, antwortete ich in jedem Restaurant auf die übliche Frage "Hat es Ihnen geschmeckt?" mit "ausgezeichnet". Auch dann, wenn das Essen nur mittelmäßig war. Die Kellner haben immer gelacht.

Erinnern Sie sich an ein kulturelles oder sprachliches Missverständnis – und daran, wie Sie es gelöst haben?
Ich bin nicht mit allen deutschen Dialekten vertraut. Ich rede sehr gerne mit Taxifahrern während meiner Dienstreisen. Einmal war ich in Jena, um ein Seminar zu geben. Auf dem Rückweg zum Bahnhof fragte mich der Taxifahrer, was ich in meiner Freizeit in Jena gemacht habe. Ich habe darauf geantwortet, dass ich einige Besorgungen und Einkäufe erledigt hätte. Der Taxifahrer sagte mir darauf hin, dass man in Jena umgangssprachlich auch "ich bin durch die Stadt gerammelt" sagen kann.

Damals wusste ich nicht, was diese Aussage außerhalb von Jena bedeutet. In der Woche darauf habe ich in Frankfurt ein Seminar mit 250 Teilnehmer/innen gehalten und ein Kunde fragte mich: "Ken, was hast in deiner Freizeit in Frankfurt gemacht?" Ich antwortete: "Naja, ich bin durch die Stadt gerammelt". Alle 250 Zuschauer haben Tränen gelacht.

Was konnten Ihre deutschen Kollegen von Ihnen lernen?
Zum ersten Mal habe ich hier mehr von meinen Kollegen gelernt, als sie von mir gelernt haben. Ich bin unglaublich glücklich, ein so tolles und kompetentes Team um mich zu haben.
Ich denke, von mir haben sie gelernt, wie man das Leben genießen und vor allem wie man am besten andere Menschen inspirieren und motivieren kann. Das Leben ist ein unfassbares Abenteuer und wir sollten es voll ausnutzen. Jeder Tag bringt etwas Neues und Faszinierendes.

Weiterkommen

Was schätzen Sie an der internationalen/interpersonalen Arbeitsatmosphäre in Ihrem Unternehmen?
Mein Vater sagte mir mal nach einem Besuch in Deutschland, meine Firma wäre wie eine Mini-UN. Die Vielfältigkeit der Mitarbeiter und die Diversität der Erfahrungen der Kollegen sind einmalig. Ich bin seit vier Jahren in dieser Firma angestellt, aber lerne dennoch jeden Tag etwas Neues. Unsere Mitarbeiter kommen aus allen Herren Ländern und da ist die ICUnet.AGecht unschlagbar.

Was empfehlen Sie Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren wollen?
Unternehmen müssen sich mehr auf die Beziehungsebene und weniger auf rein sachliche Aspekte wie Gehälter oder Zusatzleistungen konzentrieren. Mitarbeiter/innen aus den meisten Ländern wollen wissen, dass sie ein Teil einer Familie sein können. Sie wollen in die Unternehmenskultur einbezogen werden, daher ist es während des Rekrutierungsprozesses am wichtigsten diese Facetten hervorzuheben. 

Persönliche Beziehungen zwischen Kolleg/innen sind für die meisten Menschen entscheidend. Ohne diese Grundlage wird die Zusammenarbeit nicht vorankommen. Viele Mitarbeiter/innen kündigen, da sie keine Verbindung zu Vorgesetzen, Kolleg/innen und Mitarbeiter/innen haben. Deswegen müssen die Firmen genau das fördern.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Leute tendieren dazu, Kulturen und Menschen durch die Brille ihrer eigenen Herkunft zu sehen, wodurch das tatsächliche Verstehen oft verloren geht. Ich wünsche mir, dass die Menschen in Deutschland in Zukunft ihren Blickwinkel erweitern und versuchen, sich mehr in Menschen unterschiedlicher Hintergründe hineinzuversetzen und zu verstehen. Außerdem wäre es wichtig für Firmen zu verstehen, dass die Beziehungsebene oftmals der ausschlaggebende Punkt für Inpats ist, um in Deutschland zu bleiben. Deshalb sollten diese Beziehungen von Anfang an gestärkt und unterstützt werden.