Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stärken

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Müller-Interview Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stärken

Entwicklungsminister Gerd Müller will sich auf Afrika konzentrieren, gegen Korruption kämpfen sowie mehr in die ländliche Entwicklung und berufliche Ausbildung investieren. "Wir haben ein Interesse an einer friedlichen und stabilen Entwicklung", so der Minister in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

  • Interview mit Gerd Müller
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung

Das Interview im Wortlaut:

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): Herr Minister, der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion schmiss sein Amt aus Enttäuschung über das unzureichende Engagement der großen Koalition hin. Wenn man das zum Maßstab nimmt, hätten Sie Ihr neues Amt gar nicht erst antreten dürfen.

Gerd Müller: Neben den Ministerien für Familie und Verkehr sind wir das einzige Ressort mit einem aufwachsenden Haushalt. Wir haben ein Plus von 2 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren.

FAZ: 500 Millionen im Jahr mehr: Was heißt das für die deutsche Hilfsquote?

Müller: Der Haushalt ist in der Amtszeit von Kanzlerin Merkel kontinuierlich aufgewachsen. Und wir bauen ihn weiter aus. Aber Geld ist nicht alles, es muss auch wirksam eingesetzt werden.

FAZ: Jetzt sind Sie geschickt ausgewichen.

Müller: Ich sehe schon, Sie geben mir keine hundert Tage. Mit den zusätzlichen Mitteln werden wir unsere Aktivitäten ausbauen können. Auch darüber bin ich mit meinen Ressortkollegen im Gespräch. Das Entwicklungsministerium wird dadurch gestärkt.

FAZ: Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, nächstes Jahr 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für arme Länder aufzuwenden. Trotz der neuen Mittel wird man da niemals landen.

Müller: Zum Glück haben wir eine prosperierende Wirtschaft - das macht das Erreichen dieses Ziels nicht leichter. Die Hilfe wird ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt. In den vergangenen acht Jahren unter Angela Merkel konnte der Haushalt des Entwicklungsministeriums um rund die Hälfte aufwachsen, das ist eine bemerkenswerte Leistung in die richtige Richtung.

FAZ: Vor 35 Jahren hatte man sich zum ersten Mal darauf verständigt, dass die Industrieländer 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Entwicklungshilfe aufwenden sollten. Muss man sich nicht ehrlich sagen: Das ist nicht zu schaffen?

Müller: Wir sollten uns jetzt nicht an dieser starren Quote festbeißen. Wir haben einen Aufwuchs erreicht. Bei steigender Wirtschaftskraft ist die Erhöhung um weitere 2 Milliarden Euro ein wichtiger Schritt und Deutschland ist in absoluten Zahlen drittgrößter Entwicklungsgeber in der Welt.

FAZ: Von der deutschen Entwicklungshilfe dienen 1,8 Milliarden Euro dem Klimaschutz. Werden Sie einen größeren Einfluss auf die Verwendung der Mittel nehmen?

Müller: Das Entwicklungsministerium ist das internationale Klimaressort der Bundesregierung. Wir haben hier viel Erfahrung und gute Instrumente und wir achten auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Gleichzeitig bin ich mit allen Ressortministern, auch mit der Umweltministerin, im Gespräch. Ganz wichtig für mich ist: Entwicklungspolitik ist immer auch Innenpolitik und auch im nationalen Interesse. Wenn wir nicht handeln, wird es solche Tragödien wie vor Lampedusa hundertmal öfter geben. Es gibt 6 Milliarden Handys auf der Welt. Jeder in Afrika und Asien weiß, in welchem Wohlstand wir leben. Es reicht nicht, die Polizeipräsenz im Mittelmeer zu erhöhen.

FAZ: Werden Sie sich mehr auf Afrika konzentrieren, also mehr mit Libyen und Tschad statt mit Indien, Brasilien und Mexiko zusammenarbeiten?

Müller: Das eine schließt das andere nicht aus. Ich werde die Zusammenarbeit mit den Schwellenländern fortführen, auch mit China.

FAZ: Ich dachte, Ihr Vorgänger hat die Zusammenarbeit mit China gestoppt.

Müller: Ich habe nicht von Hilfe gesprochen. Zusammenarbeit mit Schwellenländern ist im gegenseitigen Nutzen. Im Agrarbereich habe ich beispielsweise gute Erfahrungen mit China und Indien gemacht. Aber um es ganz klar zu sagen: Ich will mich auf Afrika konzentrieren. Afrika ist nicht der verlorene Kontinent, sondern ein Kontinent der Chancen. Länder wie China, Indien und Brasilien haben das längst begriffen. Sie sind dort sehr präsent. Wir müssen dort mehr tun: Dabei haben wir hervorragendes Knowhow und nachhaltige Lösungen für die Fragen der Zukunft, wie Umwelt oder Energie, zu bieten. Die Bevölkerung wird sich in Afrika in den nächsten 30 Jahren verdoppeln, der Kontinent liegt vor unserer Haustür.

FAZ: Wie geht es mit Afghanistan weiter?

Müller: Die Soldaten ziehen sich dieses Jahr zurück, unsere Experten bleiben. Was wir an Militär abbauen, müssen wir in zivile Strukturen investieren, um Stabilität zu erreichen. Selbstmordanschläge wie Freitagabend in Kabul zeigen, dass wir vor dem Abzug der Isaf-Truppen das Konzept der vernetzten Sicherheit weiterentwickeln müssen. Der Anschlag in Kabul bestürzt uns und wir trauen um die Menschen, die bei dem Anschlag ihr Leben verloren haben. Der Einsatz aller Entwicklungsexperten ist nicht hoch genug zu schätzen und braucht mehr gesellschaftliche Anerkennung als bisher.

FAZ: Es gibt einen Katalog von Ländern, denen Deutschland besonders stark hilft. Ist der noch zeitgemäß?

Müller: Ich werde mir die Liste mit den Partnerländern genau anschauen und einen Schwerpunkt in Nordafrika und dem arabischen Raum setzen. Wir brauchen ein Mittelmeerkonzept. Es ist unser Auftrag, zum Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen beizutragen, gerade in Ländern wie Ägypten und Tunesien. Wir haben hier ein Interesse an einer friedlichen und stabilen Entwicklung.

FAZ: Die Not ist in den Ländern am größten, die am schlechtesten regiert werden. Gleichzeitig ist dort das Risiko am größten, dass die Hilfe versandet. Wie gehen Sie mit diesem Konflikt um?

Müller: Der Kampf gegen Korruption steht bei mir ganz oben, aber wir können uns auch aus korrupten und fragilen Staaten nicht ganz zurückziehen. Es geht um die Menschen. Unser Engagement muss sich an ihren Bedürfnissen ausrichten. Dort arbeiten wir verstärkt mit nichtstaatlichen Organisationen zusammen.

FAZ: Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden Sie setzen?

Müller: Wir werden mehr in die ländliche Entwicklung und die berufliche Ausbildung investieren. Ich will in Afrika zehn grüne Zentren aufbauen, wo wir vom Acker bis zum Teller Wissen transferieren werden. Damit wollen wir dazu beitragen, dass sich Afrika selbst versorgen kann. Oft fehlt es an Wissen und Techniken. Diese werden wir in Ausbildungszentren entlang der grünen Wertschöpfungskette vermitteln.

FAZ: Was ist Ihnen das wert?

Müller: Die Mittel für die ländliche Entwicklung will ich in den nächsten zwei Jahren auf 1 Milliarde Euro erhöhen. Hunger und Elend sind ein Skandal. Experten sind davon überzeugt, dass die Erde bis zu 10 Milliarden Menschen ernähren kann.

FAZ: Fachleute kritisieren immer wieder, dass Fleischimporte aus Europa, den Vereinigten Staaten und Brasilien die Existenz von Tausenden von Kleinbauern in West- und Zentralafrika zerstören. Als ehemaliger Agrarpolitiker dürfte Ihnen das bekannt sein.

Müller: Die Exportsubventionen der Europäischen Union werden abgeschafft, und das ist gut so. Darüber hinaus hat Europa seine Märkte für Afrika geöffnet. An dieser Politik sollten sich auch die Amerikaner orientieren.

FAZ: Entwicklungsexperten sind ihrer Steuerpflicht in Deutschland offenbar regelmäßig ausgewichen. Ist jetzt sichergestellt, dass diese Praxis beendet wurde?

Müller: Ich stelle mich vor die Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Die Praxis war von den Ämtern akzeptiert. Es ist absurd, wenn nun der Eindruck verbreitet wird, dass es da flächendeckend Steuerhinterziehung gegeben hat. Aber nun gibt es eine neue Einschätzung der Lage, die Bewertung der Finanzbehörden hat sich geändert.

FAZ: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Verantwortliche der GIZ wegen des Verdachts zur Steuerhinterziehung. Können diese im Amt bleiben, wenn es zur Anklage kommen sollte?

Der Sachverhalt wird geklärt und dann von uns bewertet. Für mich ist wichtig, dass wir die Mitarbeiter im Ausland nicht kriminalisieren. Sie leisten eine herausragende Arbeit in einem schwierigen und vielfach gefährlichen Umfeld mit einer enormen Belastung für sich und die Familien. Dies muss auch fair vergütet werden.

Das Gespräch führte Manfred Schäfers für die Frankfurter Allgemeine Zeitung .