"Den Emissionshandel wieder flott machen"

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Im Wortlaut: Hendricks "Den Emissionshandel wieder flott machen"

Die deutsche G7-Ratsräsidentschaft will Bundesumweltministerin Hendricks nutzen, um wichtige Impulse in der Klimapolitik zu setzen. Die Reform des Emissionshandels, die Stärkung moderner Gaskraftwerke und die steuerliche Förderung von Gebäudesanierungen sind weitere Themen des Zeitungsinterviews.

  • Interview mit Barbara Hendricks
  • Handelsblatt
Porträt von Barbara Hendricks

Hendricks: "Klimaschutz steht in der deutschen G7-Agenda ganz oben."

Foto: Thomas Trutschel/photothek.net

Das Interview im Wortlaut:

Handelsblatt: Frau Ministerin, gibt es in Deutschland in 20 Jahren noch Kohlekraftwerke?

Barbara Hendricks: Wir wollen bis 2035 den Anteil der erneuerbaren Energien auf 55 bis 60 Prozent erhöhen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir dieses Ziel auch erreichen - und zwar an der oberen Kante. Heute liegen wir schon bei deutlich über 25 Prozent. Wir brauchen also auch in 20 Jahren noch fossile Energien, um unsere Stromversorgung zu gewährleisten. Da bis dahin das letzte Atomkraftwerk bei uns längst abgeschaltet sein wird, brauchen wir noch Kohle und Gas. Es muss unser Ziel sein, dem klimafreundlichen Gas wieder mehr zum Durchbruch zu verhelfen und die Kohle zurückzudrängen. Nur so können wir unsere Klimaschutzziele erreichen.

Handelsblatt: Die Branche wartet auf klare Ansagen, wie die geforderten 22 Millionen Tonnen CO2 bei der Stromerzeugung eingespart werden sollen. Fehlt der Regierung der Mut, in dieser Frage Farbe zu bekennen?

Hendricks: Nein, überhaupt nicht. Im Wirtschaftsministerium meines Kollegen Gabriel werden derzeit die Eckpunkte erarbeitet, wie die Strombranche ihren Minderungsbeitrag umsetzen kann. Wir wollen dafür eine gesetzliche Regelung schaffen. Ein Entwurf dafür soll noch im ersten Halbjahr vorgelegt werden.

Handelsblatt: Werden Sie eine nationale CO2-Steuer einführen?

Hendricks: Wir brauchen jetzt keine Diskussion über neue Instrumente. Das lenkt nur von dem eigentlichen Problem ab, nämlich dass der europäische Emissionshandel nicht mehr funktioniert. Die Verschmutzungsrechte sind einfach zu preiswert, deswegen verdrängen Kohlekraftwerke moderne, effiziente und flexible Gaskraftwerke vom Markt. Wir müssen den Emissionshandel wieder flott machen, um Anreize für den Klimaschutz zu schaffen. Dafür müssen zwei Milliarden Zertifikate dauerhaft vom Markt genommen werden.

Handelsblatt: Das Klimaaktionspaket ist verabschiedet, aber darin ist noch viel heiße Luft. Wann überzeugen Sie die Länder davon, der steuerlichen Förderung für die Gebäudesanierung zuzustimmen?

Hendricks: Der Gebäudebestand birgt ein enormes Potenzial für den Klimaschutz. Auch dieses Potenzial müssen wir heben, damit wir unser Minderungsziel von mindestens 40 Prozent im Jahr 2020 auch tatsächlich erreichen können. Davon brauche ich niemanden mehr zu überzeugen. Deshalb bin ich auch sehr zuversichtlich, dass es uns gemeinsam gelingen wird, eine Regelung mit den Ländern zu finden, wie effiziente Sanierungsmaßnahmen steuerlich gefördert werden können. Denn am Ende profitieren die Kommunen vor Ort davon. Jeder Euro, auf den der Staat hier verzichtet, löst umgekehrt ein Vielfaches von Investitionen und damit zusätzlicher Beschäftigung aus.

Handelsblatt: Sie fordern seit langem eine Reform des europäischen Emissionshandels - aber bislang sind Sie offenbar ungehört geblieben.

Hendricks: Einspruch: Wir haben dazu eine sehr gute Position der Bundesregierung entwickelt. Wir wollen, dass die Marktstabilitätsreserve, also die Herausnahme von Zertifikaten aus dem Markt, schneller und konsequenter eingeführt wird, als es die EU-Kommission plant. Für unsere Vorschläge bekomme ich zunehmende Unterstützung der anderen Mitgliedstaaten. Diesen Kurs werde ich weiterverfolgen.

Handelsblatt: Ökonomen schlagen einen Mindestpreisvor: Sobald der unterschritten würde, müsste die Kommission Zertifikate vom Markt nehmen. Was halten Sie davon?

Hendricks: Der besondere Charme des Emissionshandels besteht darin, dass er sich darauf beschränkt, nur die Zielmengen festzulegen, und es den Akteuren überlässt, die günstigsten Minderungsoptionen zu finden, um diese Ziele zu erreichen. Mit der Aufgabe, CO2-Mindestpreise festzulegen, müsste der Staat wieder schlauer sein als die Betroffenen. Deshalb halte ich wenig von Mindestpreisen beim Emissionshandel.

Handelsblatt: Lima hat noch nicht wirklich gezeigt, dass die Welt klimapolitisch an einem Strang zieht. Wie soll sich das bis zum Gipfel in Paris Ende des Jahres ändern?

Hendricks: Wir sind in Lima nicht so weit gekommen, wie ich mir das gewünscht habe. Aber in Lima ist etwas in Bewegung geraten. Sehr viele Staaten haben erkannt, dass die Folgen des Klimawandels kaum beherrschbar und nur zu sehr hohen Kosten zu bewältigen sind. Alle Staaten müssen jetzt ihre Hausaufgaben machen. Wir werden unser Aktionsprogramm Klimaschutz konsequent umsetzen und zeigen, wie wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz in Einklang gebracht werden können.

Handelsblatt: Wie wollen Sie die deutsche G7-Ratspräsidentschaft nutzen, um für das Klima zu trommeln?

Hendricks: Die Kanzlerin hat in ihrer Neujahrsansprache ausdrücklich auf die Bedeutung der Klimapolitik für 2015 hingewiesen. Klimaschutz steht in der deutschen G7-Agenda ganz oben. Deshalb bin ich sehr optimistisch, dass wir während unserer Präsidentschaft wichtige Impulse für Paris setzen können. Ein Schwerpunkt liegt auf Klimafinanzierung. Dabei wird es auch um die Frage gehen, wie sich neben staatlichen Finanzhilfen private Mittel für die weltweit erforderlichen Investitionen in den Klimaschutz, etwa im Bereich der erneuerbaren Energien, mobilisieren lassen.

Handelsblatt: Frau Ministerin, vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte Silke Kersting für das Handelsblatt.