Wirtschaft im Osten wächst weiter

Jahresbericht Deutsche Einheit 2016 Wirtschaft im Osten wächst weiter

Die Lebensverhältnisse in Ost und West haben sich seit der Wiedervereinigung weiter angenähert. Die Wirtschaftskraft ist gewachsen, immer mehr Menschen sind erwerbstätig. Die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit befinden sich auf der Zielgeraden.

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Schiff auf der Trogbrücke - die vollständig aus Stahl konstruierte Trogbrücke stellt das Kernstück des Wasserstraßenkreuzes dar.

Die 1991 aufgelegten Verkehrsprojekte Deutsche Einheit befinden sich auf der Zielgeraden.

Foto: Burkhard Peter

Die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, Iris Gleicke, sieht in Ostdeutschland 26 Jahre nach der Deutschen Einheit viel erreicht. Es bleibe aber ein erheblicher wirtschaftlicher Aufholbedarf, sagte sie bei der Vorstellung des Jahresberichts Deutsche Einheit 2016 in Berlin.

Wirtschaftswachstum abgeschwächt

Die Wirtschaft im Osten ist weiter gewachsen. Dennoch liegt die Wirtschaftskraft weiter unter dem Durchschnitt der westdeutschen Länder. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ist von 42,8 Prozent (1991) auf 72,5, Prozent (2015) des Niveaus der westdeutschen Länder gestiegen.

Insgesamt hat sich der wirtschaftliche Aufholprozess der ostdeutschen Länder in den letzten Jahren abgeschwächt. Ein Grund ist die Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft. Es fehlen immer noch große Unternehmen. Das verhindert auch ein Wachsen der Innovationskraft der neuen Länder, die dringend notwendig wäre. Denn privatwirtschaftliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung werden zumeist von größeren Unternehmen getragen.

Zunehmende Ausgaben in Forschung und Technologie

Der öffentlich geförderte Hoch- und Forschungssektor entwickelt sich positiv. Die Ausgaben der ostdeutschen Länder liegen über denen der westdeutschen Länder. Das schafft gute Voraussetzungen für die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft.

Die Bundesregierung fördert daher Netzwerke, die die Rolle von Großunternehmen zumindest teilweise ersetzen. Dies soll Kooperationen erleichtern und den Wissens- und Technologietransfer fördern.

Sinkende Arbeitslosigkeit, steigende Erwerbstätigkeit

Positiv sieht auch die Bilanz am Arbeitsmarkt aus. Zwar liegt die Arbeitslosenquote im Osten mit 9,2 Prozent über der des Westens mit 5,7 Prozent. Dennoch ist sie in den ostdeutschen Ländern in 20 Jahren um 4,7 Prozentpunkte gesunken.

Gestiegen ist die Zahl der Erwerbstätigen: 2015 waren deutschlandweit 40,3 Millionen Menschen erwerbstätig. Das ist das höchste Niveau seit der Wiedervereinigung. In den ostdeutschen Ländern waren gut 7,6 Millionen Personen erwerbstätig – der höchste Stand seit 1992.

Auch die Löhne sind gestiegen. Heute liegen die tariflichen Entgelte in Ostdeutschland im Durchschnitt bei 97 Prozent des Westniveaus.

Ein weiterer positiver Aspekt ist die vergleichsweise hohe Qualifikation: 33 Prozent der ostdeutschen Erwerbstätigen haben einen Hochschulabschluss (in Westdeutschland sind es 29 Prozent). Der Anteil der Erwerbstätigen ohne Berufsausbildung ist mit sieben Prozent im Osten nur halb so hoch wie im Westen.

Grafik zum Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2016.

Deutsche Einheit: Positive Entwicklung.

Foto: Bundesregierung

Energiewende und Infrastruktur auf gutem Weg

Für die Energiewende hat Ostdeutschland bereits Wesentliches geleistet. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der dort erzeugten Energie ist höher als im Bundesdurchschnitt. Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg liegen auf Spitzenplätzen beim Anteil erneuerbarer Energien am Brutto-Energieverbrauch. Die Herstellung und der Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen sind zu wichtigen Wirtschaftszweigen geworden.

Der Anteil der Unternehmen, die in diesem Sektor tätig sind, ist in den neuen Ländern besonders hoch. Insgesamt arbeitet hier rund ein Viertel aller bundesweit im Bereich der erneuerbaren Energien Beschäftigten.

Verkehrsprojekte Deutsche Einheit vor Fertigstellung

Die 1991 aufgelegten Verkehrsprojekte Deutsche Einheit befinden sich auf der Zielgeraden. Bis Ende 2015 waren 88 Prozent der gesamten Bauvorhaben umgesetzt. Alle noch nicht fertiggestellten Verkehrswege befinden sich im Bau. 1.930 Kilometer Autobahn sind bereits für den Verkehr freigegeben, 40 Kilometer werden noch gebaut. Damit sind 98 Prozent der Autobahnprojekte realisiert oder in der Umsetzung.

Von den neun Schienenprojekten sind inzwischen sechs umgesetzt und voll im Betrieb. Für den umweltverträglichen Ausbau von Mittelland- und Elbe-Havel-Kanal sind bisher 1,8 Milliarden Euro von den geplanten rund 2 Milliarden Euro eingesetzt worden.

Nach der Angleichung der Verkehrsinfrastruktur steht nun auch die Angleichung der digitalen Infrastruktur auf der Agenda. Mit dem Bundesförderprogramm zum Breitbandausbau stellt die Bundesregierung vier Milliarden Euro zum Netzausbau bereit. Ein überproportionaler Teil der Mittel ging bereits in die neuen Länder.

Strukturschwache Regionen weiter unterstützen

Nach wie vor liegen viele der strukturschwachen Regionen im Osten. Das Steuereinkommen der ostdeutschen Flächenländer erreicht erst rund 64 Prozent des Niveaus der westdeutschen Flächenländer. Das zeigt die Notwendigkeit der Unterstützungsfunktion von Finanzausgleich und Solidarpakt.

Die Bundesregierung behält jedoch auch die Entwicklung der strukturschwachen Regionen in den alten Bundesländern im Blick. Sie wird deshalb ein weiterentwickeltes Fördersystem für strukturschwache Regionen vorlegen. Es soll nach dem Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 in ganz Deutschland gelten.

Bei der Neuordnung der Bund-Länderfinanzierung wird deshalb auch beraten, wie die speziellen Förderprogramme der neuen Länder in ein gesamtdeutsches Fördersystem überführt werden können. Die Gespräche zwischen Bund, Kommunen und Länder finden fortlaufend statt.

Demografische Vielfalt im Osten

Die jahrzehntelange Ost-Westwanderung vor allem junger Menschen ist gestoppt. Doch sie hat tiefe Spuren hinterlassen. Zwar ziehen wieder mehr Menschen in einige Städte und das Berliner Umland. Doch die deutliche Mehrheit der ostdeutschen Kommunen schrumpft. Gleichzeitig steigt der Anteil an älteren Einwohnern. Die Bewältigung des demografischen Wandels ist und bleibt daher eine zentrale Aufgabe im Osten.

Die Ostbeauftragte Iris Gleicke sieht angesichts des Bevölkerungsrückgangs und des damit drohenden Fachkräftemangels die Integration von Flüchtlingen als Chance für Ostdeutschland. Integration brauche aber Zeit und Geld und müsse vor Ort gelebt werden, so Gleicke. Die Bundesregierung unterstütze dies mit vielfältigen Maßnahmen.

Fremdenfeindlichkeit eindämmen

Die Zunahme von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus gefährden jedoch die Integration von Flüchtlingen. Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz behindern die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der neuen Länder. Die Bundesregierung geht gegen diese besorgniserregenden Entwicklungen mit aller Entschlossenheit vor.

Gemeinsames Engagement der Bundesregierung und der Länder, der Kommunen sowie aller gesellschaftlicher Akteure bleibt notwendig, um den gesellschaftlichen Frieden im Osten zu sichern. Immer wichtiger wird auch, das zivile Engagement zu stärken und die Demokratie zu fördern. Mit Programmen wie "Zusammenhalt und Teilhabe" sowie "Demokratie leben!" will die Bundesregierung Extremismus verhindern und Demokratie fördern.

Ziel der weiteren Angleichung bleibt

Trotz vieler Erfolge in den neuen Ländern besteht immer noch Handlungsbedarf bei der Angleichung von Ost- und Westdeutschland. Für die Vollendung der sozialen Angleichung ist die Rentenangleichung in Ost und West wichtig. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass zum Ende des Solidarpakts II und 30 Jahre nach der Wiedervereinigung die vollständige Angleichung der Rentenwerte erfolgt.

Das Bundeskabinett hat im Juli 2016 mit dem Bericht zum Stand der Anpassung auch einen Entwurf des Rentenüberleitungsanpassungsgesetzes vorgelegt. Der Gesetzentwurf zielt auf die vollständige Angleichung bis 2020 und wird gegenwärtig in der Bundesregierung abgestimmt.

Die Bundesregierung hält unverändert am Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost und West fest. Für die Vollendung der Deutschen Einheit bleibt es eine zentrale Herausforderung, den wirtschaftlichen Angleichungsprozess fortzusetzen und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse voranzubringen.