Wie viele Atome hat ein Kilogramm?

Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) Wie viele Atome hat ein Kilogramm?

Niemand darf das "Pariser Kilogramm" in die Hand nehmen. Würde der Zylinder herunterfallen, wäre es um unseren Massestandard geschehen. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt investiert viel in Forschung, um das Kilogramm neu zu definieren.

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Kilogrammprojekt Silizium Kugel

Das neue Kilogramm: eine Siliziumkugel

Foto: PTB

Die sieben Basisgrößen (Zeit, Länge, Masse, elektrische Stromstärke, Temperatur, Stoffmenge und Lichtstärke), mit denen wir in unserem Alltag ebenso wie in Wissenschaft, Wirtschaft und Technik täglich umgehen, sollten klar mithilfe von Naturkonstanten definiert sein. Bei Meter und Sekunde ist dies bereits der Fall. So ist ein Meter die Strecke, die das Licht im Vakuum während eines ganz gewissen Bruchteils einer Sekunde zurücklegt.

Das Ur-Kilogramm in Paris

Anders beim Kilogramm: In Paris liegt ein aus Platin und Iridium bestehender Zylinder, durch den "ein Kilogramm" weltweit definiert wird. Wird dieser Zylinder beschädigt, so ist damit auch die Einheit der Masse betroffen. Das wäre eine Katastrophe für die Wissenschaft und mittelfristig auch für die Wirtschaft und für unseren Alltag. Schon die Tatsache, dass der Zylinder in hundert Jahren um rund 50 Millionstel Gramm leichter geworden ist, stellt die Metrologie, die Wissenschaft vom Messen, vor ein großes Problem.

Luftbild PTB Braunschweig

PTB-Gelände in Braunschweig

Foto: PTB

Seit vielen Jahren versuchen nun Forscher an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) im Projekt "Avogadro", die Maßeinheit der Masse neu zu definieren. Geschehen soll dies durch das Zählen der Atome innerhalb eines Siliziumkristalls allerhöchster Reinheit. Viele Jahre und viele technologische Entwicklungsschritte hat es gedauert, bis eine perfekte Kristallkugel hergestellt werden konnte. Nun geht es ans Zählen der Atome. Viele Quadrillionen werden in der Kugel enthalten sein, eine wahrhaft astronomische Zahl.

Wissenschaft vom Messen

Grundlagenforschung ist eine zentrale Aufgabe der PTB, die eine der weltweit führenden Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet des Messens ist. "Die Basismessgrößen messen wir möglichst genau, so genau, wie sonst niemand in Deutschland", sagt Professor Joachim Hermann Ullrich, Präsident der PTB. Messen in allerhöchster Genauigkeit ist in der heutigen Zeit ausgesprochen wichtig, werden doch die Bauteile immer kleiner oder immer größer und die Qualitätsanforderungen immer höher.

PTB Interview Prof. Dr. Joachim Hermann Ullrich, Präsident der Physikalisch -Technischen Bundesanstalt

Ohne Messtechnik und ihr wissenschaftliches Rückgrat, die Metrologie, sind heute wissenschaftliche Experimente, industrielle Prozesse sowie Waren- und Güterverkehr nahezu unmöglich. Die PTB als nationales Metrologieinstitut sorgt daher für eine zuverlässige und fortschrittliche messtechnische Infrastruktur. Sie muss gleichermaßen den Ansprüchen der Wissenschaft und der Hightech-Industrie dienen wie dem Alltag des Messens.

Natürlich stehen in der PTB auch Atomuhren, für die allergenaueste Zeitmessung. Im Laufe eines Jahres weichen sie höchstens 20 milliardstel Sekunden relativ zu einer idealen Uhr ab.

Atomuhr

Atomuhr in der PTB

Foto: PTB

Weltweite Abstimmung

Neben der Grundlagenforschung und einer Vielzahl von Forschungsprojekten zur weltweiten Abstimmung über Maßeinheiten stellen daher Dienstleistungen für die Wirtschaft eine weitere Aufgabe der PTB dar. Die Bundesanstalt ist die höchste Instanz bei der Kalibrierung von Messinstrumenten. Gleichzeitig ist sie die Stelle, auf die sich das Eichwesen in Deutschland abstützt. Denn bevor eine Waage, ein Stromzähler oder eine Zapfsäule geeicht werden, ist der Prototyp dieses Messgeräts auf Herz und Nieren geprüft worden – etwa von der Konformitätsbewertungsstelle in der PTB.

Die PTB führt auch Projekte zusammen mit der Industrie durch, wenn diese neue Instrumente entwickeln möchte. Ein Beispiel ist das Projekt EVeQT (Erhöhung der Verfügbarkeit und Qualitätsoptimierung von Triebstrangkomponenten und Verzahnungen für Windenergieanlagen).

Ungenauigkeit wird teuer

Windkraftanlagen auf hoher See müssen trotz ihrer gewaltigen Größe mit äußerster Präzision gebaut werden. Die Genauigkeit selbst zwei Meter durchmessender Zahnräder in den Getrieben muss bis auf einen tausendstel Millimeter genau sein. Nur so ist eine lange Lebensdauer gewährleistet. Jede noch so kleine Ungenauigkeit führt zum Verschleiß und dann zum Ausfall des Getriebes. Der Kostenaufwand eines Getriebeaustauschs ist extrem hoch, also investieren Firmen lieber in höchste Qualität und Kontrolle durch bestmögliche Vermessung der Teile.

Koordinatenmessung

Koordinatenmessgerät

Foto: PTB

Die Industrie bietet hochpräzise Messgeräte, mit denen Objekte in allen drei Dimensionen mit einer Genauigkeit im Bereich von Millionstel Metern vermessen werden können. Dabei hängt die Genauigkeit auch von der Programmierung der Geräte ab, die die PTB optimiert. Derzeit unterstützt die PTB im Projekt EVeQT die Entwicklung von so genannten Koordinatenmessgeräten für sehr große Bauteile.

Die Vermessung von Zahnrädern ist besonders kompliziert, weshalb das Projekt eine Verfahrenskette von der PTB bis hin zur betrieblichen Qualitätssicherung entwickeln will. Erarbeitet werden Muster-Werkstücke, deren Maße ganz exakt bekannt sind und an denen sich die Messeinrichtungen in den Betrieben oder in Messlaboratorien orientieren können.

Es geht aber nicht nur um Großes. Besonders wichtig sind die Messungen des Allerkleinsten in der Fertigung. So finden sich in modernen Motoren Düsen, deren Durchmesser in Mikrometern gemessen werden muss. Diese winzigen Einspritzdüsen sorgen für eine bessere Verbrennung und damit für weniger Schadstoffe. Somit sind genaueste Messungen auch eine Voraussetzung für umweltfreundliches Autofahren. Beispiele für die Bedeutung des Messens gibt es ohne Ende.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt ist eine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Sie geht zurück auf die 1887 gegründete Physikalisch-Technische Reichsanstalt und hat heute ihren Hauptsitz in Braunschweig und einen Standort in Berlin. Sie beschäftigt etwa 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

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Genauer geht nicht

Foto: Bundesregierung