Vom Flüchtling zum Kollegen

Integration durch Arbeit Vom Flüchtling zum Kollegen

Als Tamer Suleiman 2015 nach Deutschland kam, hatte er eine lange Flucht hinter sich, wollte Deutsch und einen Beruf lernen. Der mittelständische Betrieb Nordluft suchte Auszubildende. Über die Kreishandwerkerschaft des Landkreises Vechta fanden beide zusammen.

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Tamer Suleiman (links) und Ausbilder Bernd Thiel arbeiten an einem Warmlufterzeuger.

Tamer Suleiman möchte Fachkraft für Metalltechnik werden.

Foto: Andreas Burmann

Trotz guter Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsplatzperspektiven haben viele Betriebe des niedersächsischen Landkreises Vechta große Probleme, Auszubildende zu finden. Als die Kreishandwerkerschaft anbot, bei der Vermittlung von Flüchtlingen für Praktikumsplätze zu helfen, war die Firma Nordluft aus Lohne sofort interessiert. Ulla Kampers, die Assistentin der Geschäftsleitung, nahm Kontakt zur Handwerkskammer auf. Die Vermittlung klappte.

Praktikum, Sprachausbildung, Ausbildung

Ende Oktober 2015 begann für zwei junge Männer aus Syrien und Pakistan das Praktikum. Einer der beiden war Tamer Suleiman, 19 Jahre alt. Schon nach wenigen Tagen war für Nordluft und Tamer klar, dass es nicht bei einem dreimonatigen Praktikum bleiben sollte. Tamer wollte eine richtige Berufsausbildung machen. Auch das Unternehmen hatte großes Interesse. Doch die mangelnden Deutschkenntnisse des jungen Syrers verhinderten zunächst die zweijährige Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik.

Aber Tamer zeigte sich von Beginn an lernwillig. Zunächst verständigte er sich meist mit Händen und Füßen. Zugleich war sofort zu erkennen, dass die Chemie zwischen ihm und Nordluft stimmte. Deshalb beschlossen sie gleich nach Ende des Praktikums im Januar 2016, dass Tamer für ein Jahr die Sprachförderung in Lohne besuchen sollte.

Seit Februar 2017 absolviert Tamer nun eine Einstiegsqualifizierung des Jobcenters, die ihn auf seine Ausbildung vorbereitet. Ab August kann er dann seine Lehre bei Nordluft beginnen.

Viel Geduld und Einfühlungsvermögen

Ulla Kampers investierte viel Zeit und Energie in diesen – für beide Seiten – mühseligen Weg. In dieser Zeit ist ein starkes Vertrauen zwischen ihr und Tamer entstanden. Auch während der Sprachausbildung im vergangenen Jahr besuchte Tamer regelmäßig den Betrieb. Er trifft sich mit Ulla Kampers und den Mitarbeitern, die er während seines Praktikums kennengelernt hat. Tamer wird nicht mehr als Flüchtling betrachtet, sondern als Kollege. Er ist für alle auch menschlich eine Bereicherung. "Ich bin glücklich hier zu sein und einen Ausbildungsplatz zu haben. Ich freue mich", sagt Tamer strahlend.

Wichtig war der Geschäftsleitung, von Anfang an alle Beschäftigten mit ins Boot zu holen. Alle haben das Projekt unterstützt. "Die anfängliche Skepsis der Mitarbeiter legte sich schnell", so Ulla Kampers. Auch Ausbildungsleiter Bernd Thiel hat großen Anteil am Gelingen des Projektes.

Mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen kümmert er sich seit Beginn um die beiden neuen Kollegen – mittlerweile in deutscher Sprache und nur noch selten mit Händen und Füßen.

Mühen zahlen sich aus

Ulla Kampers verschweigt nicht, dass es auch Abstimmungsprobleme mit den zuständigen Behörden gab. Alle Seiten standen vor neuen Herausforderungen. Geduld und Hartnäckigkeit waren notwendig, zahlten sich aber schließlich aus. "Wir würden jederzeit wieder Praktikanten aufnehmen", sagt Kampers.

Sie möchte auch anderen Unternehmen Mut machen. Die Mitarbeiterin der Geschäftsleitung ist sich sicher, dass nur die Integration auf dem Arbeitsmarkt die immensen Kosten der Flüchtlingspolitik mindert. "Die Flüchtlinge haben oftmals eine andere Mentalität. Daher müssen wir diese Menschen an die Hand fassen und begleiten. Holen Sie diese Menschen von der Straße. Versuchen Sie es mit einem Praktikum – was spricht dagegen?", fordert sie andere Unternehmen auf.