Pressekonferenz Bundeskanzler Scholz und EU-Ratspräsident Costa
Die Unterstützung der Ukraine und die Verteidigungsfähigkeit Europas standen im Zentrum der Gespräche von Bundeskanzler Olaf Scholz und dem Präsidenten des Europäischen Rates, António Costa. Europa sei „Teil der Lösung“, machte Scholz deutlich.
- Mitschrift Pressekonferenz
- Mittwoch, 12. März 2025

Gemeinsam wolle Europa die Verteidigungsindustrie und die euopäische Wirtschaft stärken, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz im gemeinsamen Pressestatement mit EU-Ratspräsident António Costa.
Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler
Gerade in herausfordernden Zeiten spüre man den „unschätzbaren Wert“ gemeinsamer Werte, Ansichten und Ziele wie sie die Europäische Union habe, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, António Costa. Das zeige sich auch in der engen Abstimmung der EU-Staats- und Regierungschefs in den letzten Wochen. „Europa ist nicht Teil des Problems, Europa ist Teil der Lösung”, so Scholz.
Der Bundeskanzler empfing den EU-Ratspräsidenten am Mittwoch im Vorfeld des Europäischen Rates, der am 20. und 21. März in Brüssel tagt, im Bundeskanzleramt.
Das Wichtigste des Statements in Kürze:
- Lage in der Ukraine: Die Ukraine könne sich weiter auf die Unterstützung der EU verlassen. „Wir werden die Ukraine nicht im Stich lassen”, so Kanzler Scholz. Man arbeite an einer Lösung für einen fairen und gerechten Frieden. Die weitere Unterstützung der USA sei dabei unerlässlich.
- Verteidigungsfähigkeit Europas: Die Europäer wollten den europäischen Pfeiler der NATO stärken und selbst mehr in ihre Verteidigung investieren, so der Kanzler. Beim Gipfel in Brüssel in der kommenden Woche werde auch darüber beraten, wie die europäische Verteidigungsindustrie leistungsfähiger werden könne. Das Weißbuch für Verteidigung der EU-Kommission werde dafür konkrete Vorschläge aufzeigen.
- Europas Wettbewerbsfähigkeit: Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit Europas sei eine grundlegende Modernisierung der europäischen Wirtschaft. Europa brauche „ein Update“, so Scholz. Dies bedeute mehr Tempo und Pragmatismus in der Industriepolitik sowie weniger Bürokratie. In Bezug auf die von den USA in Kraft gesetzten Zölle betonte Scholz, dass er diesen Weg für falsch halte. „Wir brauchen weniger Handelshürden und nicht mehr”, so der Kanzler.
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(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)
Bundeskanzler Olaf Scholz:
Sehr geehrter Herr Präsident, lieber António, ich freue mich, dich heute einmal wieder in Berlin zu begrüßen. Du bist hier immer ein gern gesehener Gast. Schön, dass du da bist!
Wir leben in sehr ernsten Zeiten, und gerade in solchen Zeiten spüren wir, welchen unschätzbaren Wert die Europäische Union für uns alle hat, als Gemeinschaft mit gemeinsamen Werten, mit gemeinsamen Ansichten und gemeinsamen Zielen, als eine Gemeinschaft, die aus den schlimmen Kriegen der Vergangenheit gelernt und verstanden hat: Nicht Konflikt, sondern Kooperation bringt uns allen eine bessere Zukunft!
Ich werte es jedenfalls als ein gutes Zeichen, wie eng, freundschaftlich und vertrauensvoll wir in dieser Zeit zusammenarbeiten. Innerhalb von vier Wochen haben wir uns im Kreise europäischer Staats- und Regierungschefs nun schon vier Mal getroffen, und der nächste Gipfel steht bereits in der kommenden Woche ins Haus, unter deiner Leitung. Es ist gut, dass wir bei unseren Diskussionen nicht nur die Mitglieder der EU beteiligen, sondern auch europäische Partner wie Großbritannien, Norwegen und die Türkei einbinden.
Zwei Themen treiben uns in diesen Wochen natürlich ganz besonders um, die Unterstützung für die Ukraine und die Stärkung der eigenen europäischen Verteidigungsfähigkeit. Wir beide, lieber António, sind uns völlig einig: Die Ukraine kann sich auf uns verlassen. Die Ukraine kann sich auf Europa verlassen. Wir werden die Ukraine nicht im Stich lassen – das haben wir Präsident Selenskyj zuletzt vor knapp einer Woche versichert, und das gilt ‑, und wir werden als Europäische Union und als Europäer insgesamt unsere Unterstützung weiter verstärken.
Gleichzeitig ist aber auch klar: Die Unterstützung der USA ist und bleibt unerlässlich. Deshalb ist es ein hoffnungsvolles und wichtiges Signal, dass Washington nach den gestrigen Gesprächen mit der ukrainischen Delegation in Dschidda angekündigt hat, seine Unterstützung fortzusetzen.
Zugleich wollen wir alle vorankommen auf dem Weg hin zu einer Friedenslösung, hin zu einem fairen und gerechten Frieden. Dabei sind einige Dinge sehr wichtig und zentral: Eine Waffenruhe muss in einen Friedensprozess eingebettet sein, der in einer dauerhaften Vereinbarung mündet. Die Souveränität der Ukraine muss gewahrt bleiben. Die Ukraine braucht starke Streitkräfte als wichtigste Sicherheitsgarantie für das Land. Um all das wird es in den Gesprächen gehen müssen, die nun hoffentlich sehr bald Fahrt aufnehmen werden.
Das zweite zentrale Thema ist unsere eigene Sicherheit und unsere Verteidigungsfähigkeit. Alle EU-Mitgliedsstaaten müssen mehr tun für Verteidigung. Das ist eine der zentralen Aufgaben auf nationaler und europäischer Ebene für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Wir werden den europäischen Pfeiler der NATO stärken und die Verteidigungsausgaben weiter erhöhen. Sie kennen die Debatten, die dazu gerade in Deutschland im Zuge der Bildung der nächsten Bundesregierung geführt werden, und parallel dazu die Debatten auf Ebene der Europäischen Union.
Auch in Brüssel werden wir kommende Woche konkret darüber sprechen, wie Europas Verteidigungsindustrie leistungsfähiger wird. Ich bin überzeugt: Wir brauchen Regeln, die die gemeinsame Entwicklung und Beschaffung von Rüstungsgütern in der Europäischen Union erleichtern. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen wird nun ihr Verteidigungsweißbuch vorlegen, das konkrete Vorschläge und Optionen darlegt. Darüber werden wir dann einen ersten Austausch führen. Im Anschluss wird die Kommission diese Ideen konkret ausbuchstabieren.
Voraussetzung für all unser Handeln ist eine starke, widerstandsfähige und innovative europäische Wirtschaft. Deshalb werden wir die europäische Wettbewerbsfähigkeit verbessern müssen. Europa braucht ein Update, geradezu eine grundlegende Modernisierung. Dabei kommt es auf drei Dinge an: Wir brauchen mehr Tempo und Pragmatismus in der Industriepolitik der EU. Wir brauchen weniger Bürokratie, um unsere Unternehmen zu entlasten. Konkret heißt das, viele Berichtspflichten müssen reduziert oder abgeschafft werden. Ich setze mich dafür ein, dass wir bereits bis Sommer die Verhandlungen darüber vollenden, damit es schnell zu spürbaren Verbesserungen kommt. Außerdem müssen wir mehr privates Kapital nutzen können. Ich werde deshalb nicht müde zu betonen, dass wir endlich mit der Kapitalmarktunion vorankommen müssen, damit wir die Finanzstärke, die es in Europa gibt, auch für Europa einsetzen können.
Lassen Sie es mich mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen klar sagen: Wir brauchen weniger Handelshürden und nicht mehr. Deshalb halte ich die Zollbeschlüsse der USA für falsch, und wir werden darauf angemessen und schnell reagieren. Die Vorschläge der Kommission werden wir jetzt prüfen. Dafür stehen wir in engem Kontakt mit der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten. Die Kommission hat zudem deutlich gemacht, dass sie für Verhandlungen mit den USA bereitsteht. Das begrüße ich natürlich ausdrücklich.
Meine Damen und Herren, lieber António, Europa ist nicht Teil des Problems, Europa ist Teil der Lösung! Das kann und sollte uns immer bewusst sein, gerade in Zeiten wie diesen. Schönen Dank!
Präsident António Costa:
Herr Bundeskanzler, lieber Olaf, ich freue mich sehr, wieder hier in Berlin zu sein und mit Bundeskanzler Olaf Scholz sprechen zu können!
Wir befinden uns zwischen zwei Treffen des Europäischen Rates. Die Sondersitzung des Rates letzte Woche hat sich auf die Ukraine und die Verteidigung konzentriert, und beim nächsten Treffen wird es um Wettbewerbsfähigkeit gehen. Beide Themen sind miteinander verbunden. Wir müssen in die europäische Verteidigung investieren, und das bedeutet auch, dass wir in unsere Industrien investieren, in Technologien, in Arbeitsplätze für unsere Bürgerinnen und Bürger. Gleichzeitig braucht Europa eine starke und wettbewerbsfähige Wirtschaft, um seine Interessen in diesem doch herausfordernden globalen Umfeld verteidigen zu können. Wohlstand und Sicherheit sind zwei Seiten derselben Medaille. Nächste Woche werden wir uns deshalb auf die Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren, auf Energiepreise, Kosten, Vereinfachungen, den Abbau von Bürokratie und Überregulierung. Wir werden uns auch darauf konzentrieren, wie wir privates Kapital für unsere Wirtschaften durch die Kapitalmarktunion mobilisieren können.
Wir werden zwei wichtige Themen besprechen, europäische Industriesektoren, die Millionen Arbeitsplätze schaffen, den Automobilsektor und die Stahl- und Metallbranche. Auf Initiative von Bundeskanzler Scholz hin wird die Kommission Aktionspläne für diese strategischen Sektoren und Bereiche vorlegen. Europa ist ein Handelspowerhouse! Wir müssen unsere Handelspartnerschaften vertiefen und ausbauen. Die Welt schaut nach Europa als einem verlässlichen und vorhersehbaren Partner. Wir müssen diese Chance nutzen. Wir brauchen mehr Handelsabkommen, nicht mehr Zölle. Zölle sind Steuern für Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen. Zölle erhöhen nur die Inflation.
Ich möchte ein paar Worte dafür nutzen, Kanzler Scholz zu danken. Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine wichtige, eine fundamentale Rolle gespielt, wenn es darum geht, die europäische Position in den letzten Jahren zu verteidigen. Er hat die Zeitenwende erklärt. Er hat eine historische Bemühung angestrebt, um die Energiebeziehungen zu Russland zu entkoppeln, und das in Rekordzeit. Er war eine einende Kraft im Europäischen Rat in diesen herausfordernden Zeiten, und diese europäische Einheit ist wichtiger als je zuvor angesichts des Drucks und der Herausforderungen, vor denen wir stehen. Aber wir haben alles in unserer Hand. Wir müssen die heutige Welt mutig angehen und mit einem kreativen Geist betrachten. Für all das ist Deutschland unglaublich wichtig.
Wir müssen nun in unsere gemeinsame Verteidigung investieren. Wir haben hohes wirtschaftliches und innovatives Potenzial. Europa kann eine wichtige Rolle in der Welt spielen. Wir haben die Fähigkeit, mit unseren demokratischen und politischen Kräften zusammenzuarbeiten, um gemeinsam Gutes zu erreichen. Deutschland und die Europäische Union sind immer stärker aus Krisen hervorgegangen, und ich weiß, dass wir auch dieses Mal wieder gestärkt daraus hervorgehen werden.
Herzlichen Dank, lieber Olaf!
Frage: Herr Ratspräsident Costa, der Bundeskanzler hat vorgeschlagen, dass es eine Ausnahme für Verteidigungsausgaben im EU-Stabilitätspakt geben soll. Das ist wichtig. Die neue Regierung plant Reformen auch auf nationaler Ebene. Unterstützen Sie diese Idee, dass es auch auf EU-Ebene eine Ausnahmeregelung für Verteidigungsausgaben geben sollte?
Eine Frage an Sie, Herr Kanzler: Ich hätte ganz gerne gewusst, wie weit Sie bei ihren Planungen hinsichtlich dieser Verteidigungsausgaben sind. Gibt es ein Element, das letzte Woche noch umstritten war, wie zum Beispiel gemeinsame „defence bonds“, hinsichtlich der Sie und auch die nächste Bundesregierung sich jetzt dafür erwärmen könnten, dass die auf EU-Ebene beschlossen werden?
Präsident Costa: Es ist klar, dass Europa mehr Verantwortung für seine eigene Verteidigung übernehmen muss. Deshalb müssen wir mehr ausgeben, schneller und besser investieren, und um das zu erreichen, müssen wir zusammenarbeiten, um unsere Kapazitäten zu schaffen und um auch in Verteidigung investieren zu können. Es gibt viele Vorschläge. Die Europäische Kommission hat bereits eine Ausnahmeregelung hinsichtlich des Stabilitätspakts erarbeitet. Der Vorschlag Deutschlands ist auch sehr realistisch; denn bei unseren Bemühungen in Bezug auf gemeinsame Verteidigungsausgaben geht es nicht um eine temporäre Bemühung. Nein, wir müssen langfristig denken. Dafür müssen wir uns natürlich auch unseren Stabilitäts- und Wachstumspakt anschauen. Wir müssen uns auch ansehen, wie wir den Beschaffungsprozess vereinfachen können. Wir müssen uns das anschauen. Das schlägt auch Deutschland vor. Wir müssen uns unsere Wettbewerbsregeln im Rüstungssektor, im Verteidigungssektor anschauen; denn wir müssen besser zusammenarbeiten. Wir müssen mehr europäischer produzieren, und wir müssen die europäische Wirtschaft stärken. Wie auch Mario Draghi in seinem Bericht gesagt hat, erhöht die Investition in Verteidigung auch unsere Wettbewerbsfähigkeit. Es ist sehr wichtig, das gleichzeitig zu diskutieren, also beide Aspekte, Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit – denn diese beiden Aspekte gehen Hand in Hand –, um erfolgreich sein zu können.
Bundeskanzler Scholz: Ich bin ja auch noch gefragt worden. Deshalb will ich erst einmal unterstreichen: Ja, es ist ganz entscheidend, dass wir etwas dafür tun, die Rüstungsindustrie in Europa wachsen zu lassen. Da muss es auch eine Neuordnung durch die Zusammenarbeit von Unternehmen geben, und das wird am besten gelingen, wenn wir es möglich machen, dass diese Prozesse mit weniger staatlicher Regulierung und mehr privatwirtschaftlicher Initiative vorangetrieben werden. Das betrifft die Zusammenarbeit der Unternehmen, also die Wettbewerbsregeln, die hier angesprochen worden sind. Das betrifft aber dann umgekehrt auch staatliches Einkaufsverhalten. Ich glaube, dass, wenn eines der Mitgliedsländer einen Vertrag mit einem Rüstungsunternehmen über die Lieferung bestimmter Waffen oder Munition geschlossen hat, andere darin einsteigen können müssen, ohne einen neuen Prozess der Beschaffung einzuleiten. Das würde vieles beschleunigen und wahrscheinlich die Skalierungseffekte, um die es hier geht, auch tatsächlich zu entwickeln helfen.
Was die Frage der künftigen Finanzierung betrifft, ist das eine große Herausforderung. Deshalb wird ja zu Recht in Deutschland jetzt darüber diskutiert, wie wir verhindern, dass die eine Sache, die wir voranbringen müssen, nämlich unsere Verteidigungsfähigkeit, gegen die andere Sache, die wir als Aufgabe haben, ausgespielt wird, nämlich dafür zu sorgen, dass wir unsere Infrastruktur voranbringen, dass wir in die Wirtschaft und ihre Modernisierung investieren, dass wir für den sozialen Zusammenhalt und einen stabilen Sozialstaat sorgen. Das sind alles Aufgaben, die wichtig sind und die man nicht gegeneinander ausspielen soll. Das ist der Grund, warum wir in Deutschland neu gewählt haben, nämlich weil sich die alte Regierung nicht darüber verständigen konnte, wie das gehen kann, und das ist das, was jetzt Gegenstand der Gespräche über die Bildung einer neuen Regierung ist – völlig zu Recht, denn das ist das eigentliche, zentrale Thema für unsere Zukunft.
Selbstverständlich ist es richtig, dass dieses Thema sich dann auch in Europa stellt. Deshalb ist also mein Vorschlag, zu sagen: Die Regeln, die wir hier in Deutschland diskutieren, können dann selbstverständlich auch in Europa gelten. Alles andere wäre ja im Übrigen auch gegen alle kantische Vernunft; denn letztendlich muss man ja immer jegliche Gesetzgebung so machen, dass man sie auch gerne gegen sich selbst akzeptieren würde. Insofern wäre das gut. Aus meiner Sicht sind das also die geeigneten Lösungen.
Bei der Frage der Eurobonds, die Sie gestellt haben, ist es ja so, dass zumindest diejenigen, die seriös sind, nicht denken, dass es sich schlicht um das Drucken von Geld handelt. Deshalb ist die eigentliche Frage ja nicht, wie das heißt, sondern, wer das bezahlt. Das ist, glaube ich, der Grund, warum es darüber keine Einigkeit gibt. Die deutsche Haltung ist ja bekannt.
Frage: Herr Präsident Costa, der französische Europaminister spricht bereits über weitere Maßnahmen seitens Europas zu den Zöllen. Könnten Sie darüber sprechen und auch sagen, wie der zeitliche Rahmen aussieht?
Herr Bundeskanzler, zu den Gesprächen zur Ukraine: Könnten Sie uns etwas zu den Kommunikationslinien sagen? Es gibt ja die Sorge, dass Deutschland und die EU nicht am Tisch sitzen. Wie werden Sie informiert?
Könnten Sie uns vielleicht noch verraten, ob Zeitungsberichte stimmen, laut denen der BND an eine Laborunfalltheorie bei Corona glaube, entsprechende Erkenntnisse habe und das Kanzleramt schon vor längerer Zeit informiert haben soll?
Präsident Costa: Ich denke, es gibt genug Kriege in der Welt. Wir müssen die Kriege beenden und wir sollten keinen Handelskrieg beginnen. Zollerhöhungen sind keine gute Lösung; denn das führt nicht zu höheren Exporten, sondern schafft nur neue Steuern für Verbraucher und Schwierigkeiten für Unternehmen. Das müssen wir vermeiden; wir müssen eine Eskalation vermeiden. Wir haben eine angemessene Antwort für die gegenwärtige Situation gefunden, und jetzt müssen wir unser Angebot nutzen, mit den USA zu sprechen, und dieses Problem im Handelsbereich angehen. Denn wenn man sich die Zahlen anschaut, dann stimmt es: Wir haben ein Plus, was die Exporte angeht. Auf der anderen Seite haben wir ein Defizit, was die Importe von Dienstleistungen betrifft. Das Gleichgewicht ist manchmal neutraler, als es scheint, aber wenn die USA glauben, dass wir ein echtes Problem haben, dann wäre eine gute Lösung, darüber zu sprechen. Gespräche sind eine gute Möglichkeit, die Probleme zu lösen und Lösungen zu finden, und wir sind offen dafür. Wir antworten stark, aber wir wollen nicht eskalieren. Wichtig ist es zu deeskalieren, zu sprechen, Probleme zu lösen und als gute Partner weiterzumachen.
Bundeskanzler Scholz: Klar, die Welt hat sehr profitiert und von der Globalisierung und vom Abbau von Handelsschranken. Deshalb sind wir auch immer unter denen, die vorschlagen, dass die Europäische Union mehr Freihandelsabkommen schließt und dass dort in der jetzt anstehenden Amtszeit der gegenwärtigen Kommission noch ein neues Tempo gelingt.
Das ist natürlich das Gegenteil von dem, was wir gerade aus den USA hören – was übrigens bemerkenswert ist, weil ein großer Teil der Regeln über freien Handel ihren Ursprung in politischen Ansichten und politischen Aktivitäten der USA hat. Das gilt insbesondere für die Regeln des Welthandels; denn die sind weitgehend von den USA vorangetrieben worden – von uns auch, aber es war doch schon klar, dass das eine lange Agenda dieses Landes gewesen ist. Wenn jetzt Zölle an diese Stelle gesetzt werden, dann schadet das der amerikanischen Wirtschaft am meisten, aber vielen anderen auch. Deshalb gilt für Europa die klare Antwort: Wir müssen unsere Kraft nutzen und deshalb auch stark und angemessen antworten, aber immer mit der Perspektive, dass es zu einer Verständigung kommt, die Zölle vermeidet und die den Handel, den ökonomischen Austausch und die Wohlstandseffekte, die davon ausgehen, auch voranbringt.
Zweite Bemerkung in Bezug auf die Verhandlungen um die Ukraine an verschiedenen Orten der Welt: Natürlich sind wir intensivst daran beteiligt und da eingebunden, insbesondere Großbritannien, Frankreich und Deutschland, die sich sehr intensiv darum bemühen, sowohl mit den USA als auch mit der Ukraine diese Dinge voranzutreiben. Ich glaube, da sind jetzt gerade einige sehr bedeutende Fortschritte gelungen. Selbstverständlich ist es auch unser Anliegen, immer dafür zu sorgen, dass die Europäische Union, die Mitgliedstaaten und die europäischen Institutionen auch unmittelbare Informationsflüsse haben, die es möglich machen, dass wir gemeinsam in Europa agieren. Wir werden aber als Deutsche, als Briten, als Franzosen unsere Aufgaben dann nicht liegen lassen, sondern uns sehr eng um eine gute Entwicklung bemühen.
Ich begrüße also, dass jetzt der Vorschlag zu einem 30-tägigen Waffenstillstand kommt, aus dem sich mehr entwickeln kann. Wir werden alles dazu beitragen, dass das auch gelingt. Aber noch einmal: Die Perspektive muss immer sein, dass die Ukraine ihre Souveränität und Unabhängigkeit verteidigen kann, dass sie ihren Weg in die Europäische Union fortsetzen kann und dass sie eine starke eigene Armee haben wird, auch in der Zukunft.
Was nachrichtendienstliche Erkenntnisse betrifft, so ist dies nicht der Ort, darüber zu sprechen.
Frage: Herr Präsident, Herr Bundeskanzler, ich würde gerne noch einmal zum Thema Ukraine nachfragen: Wie schnell müssen sich die Europäer jetzt einig werden, welchen Beitrag sie zu einem möglichen Friedensprozess leisten wollen? Herr Bundeskanzler, Sie haben ja bisher immer gesagt, es sei noch zu früh, um über Dinge wie zum Beispiel Friedenstruppen zu reden. Hat sich das jetzt durch diesen Vorstoß der Ukraine und der USA geändert? Müssen die Europäer da jetzt relativ schnell konkrete Vorschläge vorlegen?
Bundeskanzler Scholz: Ich wiederhole: Es empfiehlt sich ein Angang, der nicht den letzten Schritt vor dem ersten tut. Der erste Schritt ist, dass der ukrainische Präsident vorgeschlagen hat und jetzt auch gemeinsam mit den USA vorschlägt, dass es einen Waffenstillstand geben soll, der insbesondere die Luftangriffe, die Angriffe auf hoher See, die Angriffe auf Infrastruktur beendet. Das wäre eine gute Sache. Damit verbunden könnten auch viele andere Dinge sein, die Sinn machen, etwa Gefangenenaustausch und Rückführung von entführten Personen – alles wichtige Themen. Natürlich ist das auch die Zeit, um zu schauen, wie sich daraus ein längerfristiger Frieden entwickeln kann.
Dazu gehört gleichzeitig – also gar nicht als nächster Schritt – Klarheit darüber, dass die Europäische Union und ihre internationalen Verbündeten in Großbritannien, in Kanada, in Japan und in den USA ihre Unterstützung für die Ukraine fortsetzen. Dass die USA jetzt erklärt haben, dass ihre Unterstützung, die erklärtermaßen unterbrochen worden ist, jetzt fortgesetzt wird, ist ein ganz wichtiger Teil dieses ersten Schritts, weil es klar macht, dass der russische Präsident nicht darauf hoffen kann, dass er einfach auf dem Schlachtfeld gewinnt, weil der Ukraine die Unterstützung entzogen wird. Ich bin sehr froh über diese Entwicklung.
Zweitens bleibt es dabei, dass wir die Rahmenbedingungen für einen Frieden zu besprechen haben. Im Mittelpunkt muss dabei immer stehen, dass die Ukraine eine demokratische, souveräne Nation bleibt und dass sie über eine eigene starke Armee verfügt. Ich will das noch einmal unterstreichen, weil das in mancher Debatte hierzulande, anders als anderswo, für eine sowieso feststehende Tatsache gehalten wird. Um die geht es; denn die Demilitarisierung der Ukraine ist eines der Kriegsziele Russlands gewesen, und das darf nicht gelingen. Die Ukraine muss eine starke eigene Armee haben, deren Größenordnung und Ausstattung von Russland nicht bestimmt werden. Das sind die Dinge, die jetzt erst einmal anstehen.