Senior-Experten helfen Auszubildenden

Ausbildungsabbruch verhindern Senior-Experten helfen Auszubildenden

Marcel Graupner hat mit Hannelore Keuneckes Unterstützung die Ausbildung zum Werkzeugmechaniker bestanden. Die dreieinhalbjährige Lehre ist Graupner nicht leicht gefallen. Doch die ehemalige Unternehmerin half ihm über etliche Klippen. Sie engagiert sich bei der Initiative VerA.

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Marcel-Graupner, Hannelore Keunecke und Lars Uhlmann.

VerA-Expertin Hannelore Keunecke unterstützte Marcel Graupner (l.) bei seiner Ausbildung zum Werkzeugmechaniker.

Foto: Felix Abraham

Marcel Graupner hat im März 2017 die Abschlussprüfung zum Werkzeugmechaniker bei der Industrie- und Handelskammer Chemnitz abgelegt. Am schwierigsten sei die theoretische Prüfung gewesen. Jetzt darf er sich "Jungfacharbeiter" für Werkzeugmechanik nennen. "Es ist ein gutes Gefühl, es geschafft zu haben", sagt er.

Der 20-Jährige ist begeistert bei der Arbeit. Sein Ausbildungsbetrieb - die Gebrüder Richter Werkzeugbau GmbH im erzgebirgischen Grünhain-Beierfeld - hat ihn zunächst befristet übernommen. Marcel ist stolz, dass er dazugehört.

Mit VerA durch die Ausbildung

Dreieinhalb Jahre hat die anspruchsvolle Ausbildung gedauert. Ohne die VerA-Expertin Hannelore Keunecke hätte Marcel das nicht durchgestanden.

VerA ist in dem Fall kein Frauenname, sondern die Abkürzung für das Programm zur "Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen". Ehrenamtliche berufserfahrene Menschen im Ruhestand kümmern sich um Jugendliche, die Schwierigkeiten in der Ausbildung haben. Die Jugendlichen haben meist gesundheitliche, familiäre oder andere Probleme.

Ausbildungsbegleitung notwendig
Jeder vierte Jugendliche bricht die Ausbildung vorzeitig ab, oft schon im ersten Lehrjahr. Nur jeder zweite setzt sie in einem anderen Betrieb oder anderen Beruf fort. Das zeigt, wie notwendig die Unterstützung durch Initiativen wie VerA ist.

Hannelore Keunecke hat Marcel seit der 10. Klasse an der Realschule begleitet. Er war ein Einzelgänger und hatte es nicht leicht. Der theoretische Unterricht machte ihm keinen Spaß. Außerdem hatte er gesundheitliche Probleme. Seine alleinerziehende Mutter war selbst auch nicht gesund und zudem arbeitslos. Sie konnte ihm oft nicht helfen.

Die Unterstützung der VerA-Expertin kam zur rechten Zeit. Sie half Marcel zunächst, den Schulabschluss zu erreichen und sich für eine Berufsausbildung zu orientieren.

Einsatz für die Jugendlichen lohnt sich

Zusammen suchten sie geeignete Ausbildungsfirmen in der Umgebung. Hannelore Keunecke schrieb mit Marcel Bewerbungen. Sie begleitete ihn zu jedem Vorstellungsgespräch. Vor den Gesprächen brachte sie ihm gewisse "Benimm-Regeln" bei. Schließlich fanden die Rentnerin den Ausbildungsplatz bei der Werkzeugbaufirma Gebrüder Richter.

Die 69-jährige Hannelore Keunecke ist ehrenamtlich seit sieben Jahren für die Initiative VerA im Einsatz. Hier bringt die ehemalige Firmenchefin ihre Erfahrungen ein. "Es lohnt sich, sich für solche Jugendlichen einzusetzen", sagt sie. Mehr als zehn junge Leute hatte die resolute Frau schon unter ihren Fittichen.

VerA ist einmaliges Projekt
Hannelore Keunecke ist eine von hunderten ehrenamtlichen Senioren der Initiative VerA.
Sie kümmern sich um junge Auszubildende, deren Lehre ohne fremde Unterstützung in die Brüche ginge. Als lebens- und berufserfahrene Vertrauenspersonen geben die ehrenamtlichen Begleiter den Jugendlichen Halt und Orientierung. Jeder VerA-Experte betreut einen Auszubildenden. Das ist einmalig.
Die ehrenamtlichen Expertinnen und Experten bringen Fachwissen aus Industrie, Handwerk, vielen technischen, kaufmännischen und sozialen Berufen mit. Jährlich begleiten sie etwa 3.000 Auszubildende. 10.000 Jugendliche haben bisher von dem Angebot profitiert. Die Erfolgsquote liegt bei über 80 Prozent. Auch Jugendliche ohne Schulabschluss kommen dank VerA gut durch die Ausbildung. Einige von ihnen schaffen später sogar die Meisterprüfung.
Ende 2008 haben der Senior Experten Service (SES) Bonn und die Spitzenverbände der deutschen Industrie, des Handwerks und der freien Berufe die Initiative VerA aufgelegt. VerA wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Chefs und Ausbilder vertrauen der VerA-Expertin

Hannelore Keunecke berichtet über ihre Erfahrungen mit Marcel. Die VerA-Expertin weiß als ehemalige Chefin einer Wäschemoden-Firma, was der Arbeitgeber vom Auszubildenden fordert. "Die Chemie hat zwischen Herrn Richter und mir sofort gestimmt", sagt sie. Der Firmenchef gab Marcel eine Chance in seinem 100 Jahre alten Familienbetrieb.

Um Marcel kümmerte sich intensiv der erfahrene Ausbilder Lars Uhlmann. Schnell spürte er, dass er mehr Geduld aufbringen musste. Dem Lehrling fiel es schwer, mit Vorgesetzten und Kollegen zurechtzukommen und sich in den Betriebsalltag einzuordnen. Für Uhlmann war eine Hilfe, dass er die VerA-Expertin jederzeit hinzuziehen konnte. Keunecke und Uhlmann motivierten Marcel immer wieder, konzentriert auf sein Ausbildungsziel hinzuarbeiten.

"Ein erfahrener Mitarbeiter steht Marcel Graupner weiter zur Seite", sagt Matthias Richter, einer der beiden Geschäftsführer. Im Werkzeugbau brauche man fünf bis zehn Jahre, um als Fachkraft genügend Erfahrung gesammelt zu haben. "Herr Graupner wird gefordert und gefördert", so Hans-Jörg Richter.

Wenn die Ausbildung gut läuft, tut das auch der Familie gut

Die Begleitung der Auszubildenden durch die VerA-Experten reicht oft über das Berufliche hinaus. Hannelore Keunecke spornte Marcel an, den Führerschein zu machen. Denn zwischen seinem Wohn- und Arbeitsort fahren die öffentlichen Verkehrsmittel nur selten. Mit dem Führerschein ist er unabhängig und immer pünktlich bei der Arbeit.

Dass er schon in der Ausbildung eigenes Geld verdiente und zunehmend selbständiger wurde, tat schließlich der ganzen Familie gut. Auch seine Mutter hat wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst.

Mehr als 500 Jugendliche in Sachsen profitieren von VerA

"Seit 2008 konnten wir mit unserer Initiative VerA allein im Bezirk Chemnitz 50 Auszubildenden helfen. In ganz Sachsen haben 550 Jugendliche von unserem Angebot profitiert, bundesweit sogar an die 10.000", sagt Stephan Ittner. Er ist seit sieben Jahren ehrenamtlicher Regionalkoordinator des Senior Experten Service (SES) für die Ausbildungsinitiative VerA in Chemnitz. Als ehemaliger Berufsbildungsexperte der dortigen Handwerkskammer kennt er sich bestens aus.

Wie er berichtet, können mehr als zwei Drittel der von VerA-Experten begleiteten Auszubildenden ihre Schwierigkeiten bewältigen. Er selbst kann jederzeit rund 40 Ausbildungsbegleiter aktivieren.

VerA hilft - nicht nur bei Prüfungsangst

Viele Auszubildende meldeten sich wegen Prüfungsangst bei der Initiative, erzählt Stephan Ittner. Dahinter steckten jedoch meist weitere Probleme - zum Beispiel Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwäche, familiäre oder gesundheitliche Schwierigkeiten. Den Auszubildenden sei das selbst meist nicht klar. Auch Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen erfahren oft erst durch die Kooperation mit den VerA-Experten, worin die Gründe für Schwächen liegen.

VerA springt ein, wo Not am Mann ist - egal, wer anfragt - ob die Auszubildenden selbst oder Berufschullehrer, Betriebe oder Eltern.