SED-Politbüro tritt zurück

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3. Dezember 1989 - Auf dem Weg zur Deutschen Einheit SED-Politbüro tritt zurück

3. Dezember 1989: In Ostberlin eröffnet SED-Generalsekretär Egon Krenz die 12. Tagung des Zentralkomitees der SED. Es wird die letzte Sitzung sein. Seit Wochen befindet sich die SED in einem Zerfallsprozess, der immer schneller voranschreitet.

3 Min. Lesedauer

Emblem der SED an der Fassade des Zentralkomitee-Gebäudes

SED-Politbüro tritt zurück

Foto: picture alliance / akg-images

Die letzte Sitzung des ZK

Bereits am Vorabend der Tagung haben Tausende Bürgerinnen und Bürger vor dem Gebäude des Zentralkomitees (ZK) gegen Machtmissbrauch demonstriert. Jetzt, zu Beginn der Tagung, sind viele SED-Mitglieder einem Aufruf der Kreisleitung Prenzlauer Berg gefolgt. Sie fordern den sofortigen Rücktritt des Politbüros. Bis vor kurzem war so etwas völlig undenkbar.

Wegen der gefälschten Kommunalwahlen im Mai sprechen viele Menschen dem ZK die Legitimation ab: "Ohne reinen Tisch keine Erneuerung!" steht auf den Transparenten.

Drinnen fordern SED-Funktionäre, den Amtsmissbrauch ehemaliger Mitglieder der Partei- und Staatsführung, Gesetzesverletzungen, Korruption und ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Privilegien, rücksichtslos aufzuklären. Der Parteiveteran und Widerstandskämpfer Bernhard Quandt klagt in einer fulminanten, sehr emotionalen Rede die Schuldigen an und fordert härteste Bestrafung.

SED schließt Honecker aus

Politbüro-Mitglied Günter Schabowski räumt unumwunden Versäumnisse ein. Das Politbüro und die Zentrale Parteikontrollkommission hätten den Auftrag, rückhaltlos aufzuklären, nur unvollkommen erfüllt, erklärt er. Einigkeit herrscht darüber, dass die Existenz der Partei unbedingt gesichert werden soll. Deshalb schließt das ZK Genossen, die bis vor kurzem führende Machtträger waren, aus der Partei aus. Darunter Erich Honecker, Willi Stoph und Erich Mielke.

Das Politbüro erklärt geschlossen seinen Rücktritt. Ein Arbeitsausschuss wird gebildet. Er soll für den 15. bis 17. Dezember einen Sonderparteitag vorbereiten. Ausschussmitglieder sind unter anderen Lothar Bisky, Gregor Gysi und Markus Wolf.

Nach der Sitzung teilt Schabowski den Beschluss des Zentralkomitees Presse und Bürgern mit: Im Beschluss heißt es:

"1. Hans Albrecht, Erich Honecker, Werner Krolikowski, Günther Kleiber, Erich Mielke, Gerhard Müller, Alexander Schalck-Golodkowski, Horst Sindermann, Willi Stoph, Harry Tisch, Herbert Ziegenhahn und Dieter Müller werden aus dem Zentralkomitee ausgeschlossen.
Auf Grund der Schwere ihrer Verstöße gegen das Statut der SED und in Anbetracht zahlreicher Forderungen und Anträge von Kreisdelegiertenkonferenzen werden sie zugleich aus der SED ausgeschlossen.

2. Das Zentralkomitee erklärt seinen Rücktritt.

3. Das bisherige Zentralkomitee betrachtet es als seine Pflicht, vor dem einberufenen außerordentlichen Parteitag Rechenschaft über die Ursachen für die Krise in der SED und in der Gesellschaft abzulegen. Dazu wird eine Kommission gebildet."

Das "Neue Deutschland" wie auch alle anderen DDR-Medien berichten über die Vorgänge. Sie alle zitieren den Beschluss des Politbüros des ZK der SED im Wortlaut: "Das Politbüro akzeptiert die Kritik von großen Teilen der Mitgliedschaft, dass die derzeitige Führung der Partei nicht imstande war, entsprechend dem Auftrag der 9. und 10. Tagung des ZK das ganze Ausmaß und die Schwere der Verfehlungen von Mitgliedern des ehemaligen Politbüros aufzudecken und daraus die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen."

Knast für führende Funktionäre

In der Nacht vom 2. Auf den 3. Dezember 1989 ist der "oberste Devisenbeschaffer" der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski, Leiter des Bereichs Kommerzielle Koordinierung (Koko), nach West-Berlin geflohen. Dort wird er festgenommen.

Die Koko , offiziell beim Außenhandelsministerium angesiedelt, war in Wirklichkeit von der Stasi kontrolliert und dem ZK der SED direkt unterstellt: ein weitverzweigtes, international agierendes Wirtschaftunternehmen. Zu seinen Aufgaben gehörte es, SED-Funktionären alle Arten von Westprodukten zu besorgen.

Verhaftet – allerdings in Ostberlin – werden auch der Chef des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, Harry Tisch, und Politbüro-Mitglied Günter Mittag. Der Vorwurf: Hochverrat. Am 7. und 8. Dezember wandern auch Erich Mielke und Willi Stoph hinter Gitter. Für die Bürgerrechtler ist das der Versuch der SED, die Schuld auf einige namhafte Sündenböcke abzuwälzen.