Schritt für Schritt zum Wunschberuf

Integration auf dem Lande Schritt für Schritt zum Wunschberuf

Aygün Gasimova ist vor zwei Jahren aus Aserbaidschan in das westfälische Dorf Hoetmar gekommen. Sie verbessert ihr Deutsch und hilft anderen Flüchtlingen bei der Integration. Ihr Ziel ist es, Erzieherin zu werden. Adelheid Vollmann vom örtlichen Arbeitskreis Integration ist zuversichtlich: "Aygün kann das schaffen."

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Adelheid Vollmer und Aygün Gasimova aus Aserbaidschan vor einer Flüchtlingsunterkunft in Hoetmar.

Im Arbeitskreis Integration aktiv: Adelheid Vollmann und Aygün Gasimova aus Aserbaidschan

Foto: Joanna Nottebrock

Hoetmar nahe Münster: Auf 2.300 Einwohner kommen hier aktuell 70 Flüchtlinge. Auch Aygün Gasimova ist aus politischen Gründen geflohen und lebt nun in dem kleinen Dorf.

Sie sei froh, mit ihrem Mann und den zwei Kindern in einer Privatwohnung zu leben, erzählt die 38-Jährige. Darum gekümmert hätten sich die Mitglieder des Arbeitskreises Integration – eine enorm engagierte Gruppe von 40- bis 75-Jährigen. Sie unterstützen die Flüchtlinge bei ihrem Start in der neuen Heimat.  

Vermittlerin und Helferin

"Kommen Sie herein!" Mit strahlenden Augen empfängt uns Gasimova im Pfarrheim St. Lambertus. Sie ist in Hoetmar angekommen. Sie helfe im Arbeitskreis, wann immer sie gebraucht werde. Das sei ein ganz wichtiger Baustein gewesen, sich einzuleben. "Ich bin Lehrerin für Aserbaidschanisch und Literatur", erzählt sie. Da sie außer ihrer Muttersprache auch noch Russisch und Türkisch spreche, könne sie bei vielen Gesprächen mit den anderen Flüchtlingen übersetzen.

Adelheid Vollmann erzählt, gegenüber den Flüchtlingen habe im Dorf eine gewisse Scheu geherrscht. Man sah sie einkaufen oder spazieren gehen. Doch wie sollte man sie ansprechen, wie ein Gespräch anfangen, wenn man die Sprache nicht beherrscht. "Hier konnte Aygün helfen." Übrigens: In Hoetmar sprechen sie lieber von "Neubürgern" als von "Flüchtlingen". "Die Neubürger sollen sich bei uns wohlfühlen", sagt Vollmann.

Das "Neubürger-Frühstück"

Die Aserbaidschanerin Gasimova hat das "Neubürger-Frühstück" mit organisiert. Bereits zweimal hat der Integrationskreis dieses Frühstück veranstaltet, zu dem alle Hoetmarer eingeladen waren. Und diese Chance haben etliche gerne genutzt: Zwischen 120 und 150 Bürger und viele der Neubürger fanden sich zum gemeinsamen Essen und Gesprächen ein. "Das war eine tolle Sache", so Vollmann. Dieses Engagement werde auch erwidert, zum Beispiel durch Einladungen zu Kindergeburtstagen.

Neben den vielen Aktivitäten des Arbeitskreises hat Aygün noch ganz eigene Projekte, zum Beispiel die Hausaufgabenunterstützung in der Schule. "Das ist gut für alle", stellt sie fest. "Den Kindern kann ich noch besseres Deutsch beibringen und ich lerne selber noch Vieles."

Deutsch lernen und dann Erzieherin werden

Adelheid Vollmann spricht mit Flüchtlingen.

Regelmäßig besuchen die Mitglieder des örtlichen Integrationsarbeitskreises die Neubürger. Sie bieten ihnen vielfältige Unterstützung an, zum Beispiel bei Behördengängen und bei Gesprächen mit Schulen und dem Kindergarten.

Foto: Joanna Nottebrock

Aygün Gasimova ist ehrgeizig: Gleich nach ihrer Ankunft in Hoetmar hat sie einen Grund-Deutschkurs vom Sozialamt mitgemacht. Anschließend übte die örtliche Grundschulleiterin mit ihr. Das war möglich, da jeder jeden im Dorfe kennt und sich rasch Kontakte knüpfen und Termine verabreden ließen.

Die Arbeiterwohlfahrt bot einen sechsmonatigen Berufssprachkurs an, fünf Monate Schule und einen Monat Praktikum in einem Übersetzerbüro. Auch das habe sie gemacht, erzählt Gasimova. "Und nun will ich die B1-Sprachprüfung ablegen", sagt sie selbstbewusst fest. Das wird noch einmal hart: Sie wird einen Abendkurs belegen, der 21 Stunden umfasst und zweimal die Woche stattfindet. Nicht so ohne – mit zwei schulpflichtigen Kindern.

Bei allen Bemühungen um die deutsche Sprache hat Aygün Gasimova ihren Wunschberuf vor Augen: "Ich möchte Erzieherin werden." Super wäre es, wenn sie nach der Ausbildung im örtlichen Kindergarten arbeiten könnte. "In Hoetmar zu wohnen und zu arbeiten, das wäre sehr schön!" Alle Mitglieder des Arbeitskreises drücken ihr die Daumen. Denn ein bisschen bangen muss sie noch: In den nächsten Tagen wird geprüft, ob ihre bisherigen Praktikumsbescheinigungen für eine Ausbildung ausreichen. Aber eines ist sicher: Für alle Fälle hat sie engagierte und zuverlässige Freunde, die sie unterstützen werden.

Hoetmar wurde beim Bundeswettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" 2016 mit Gold ausgezeichnet. Die örtliche Integrationsarbeit trug erheblich zu dieser Ehrung bei.